E-Mail-Management: Trends und Aussichten

Die E-Mail ist und bleibt die dominierende Kommunikationsform in der Geschäftswelt. Sie stärker mit den Geschäftsprozessen zu verzahnen, lautet die wesentliche Aufgabe des E-Mail-Managements, das über die reine Archivierung hinaus ist. Dies fördert den Hybridansatz aus client- und serverseitigem E-Mail-Management, macht aber entsprechenden Cloud-Anbietern das Leben schwer.

E-Mails effizient managen (Bild: Alos)
E-Mails effizient managen (Bild: Alos)

Trotz Einzug von Social-Media-Elementen in die Geschäftswelt und einzelnen vermeintlichen E-Mail-Verweigerern wie Atos nimmt der E-Mail-Verkehr im Unternehmensumfeld weiterhin deutlich zu. Ausgehend von weltweit 929 Millionen Business-E-Mail-Accounts 2013 rechnet das Marktforschungsunternehmen Radicati Group innerhalb der nächsten vier Jahre mit einem jährlichen Wachstum von 5 Prozent auf 1,1 Milliarden Accounts Ende 2017. Diese Zunahme, die Einhaltung von Compliance-Regelungen und die Vernetzung mit Geschäftsprozessen tragen dazu bei, dass sich Unternehmensverantwortliche immer stärker mit dem Thema E-Mail-Management beschäftigen. »Im Gegensatz zu früher sehen die meisten Verantwortlichen die E-Mail als ein Medium, von dem Erfolg und Misserfolg abhängen. Schon der Verlust einer einzigen wichtigen Mail kann ein Unternehmen in Schwierigkeiten bringen«, bestätigt Dieter Woeste, Geschäftsführer des DMS-Systemhauses ALOS. Richtiges E-Mail-Management verhindert die Überlastung von E-Mail-Servern, sorgt für die Einhaltung von Compliance-Regeln und beschleunigt Geschäftsprozesse.

E-Mail-Management ist wichtige ECM/DMS-Teildisziplin

Auch nach den Erfahrungen von Manfred Forst, Geschäftsführer des IT-Lösungsdienstleisters DMSFACTORY »gehört das Thema E-Mail-Management neben der automatisierten Eingangsrechnungsbearbeitung und elektronischen Aktenlösungen zu den am weitaus stärksten nachgefragten Disziplinen im Umfeld von DMS/ECM. Reine E-Mail-Archivierung, also die revisionssichere Speicherung von E-Mails ohne Kontextbezug zum unternehmensweiten Informationsmanagement, findet sich schon vielerorts.« Ganzheitliche Konzepte seien aber häufig noch nicht anzutreffen, hier gebe es also noch erheblichen Aufholbedarf. Ziel eines ganzheitlichen Ansatzes  ist, über die reine Archivierung hinaus, eine wertschöpfende Nutzung der E-Mail-Inhalte zu ermöglichen. Möglichst automatisiert sollen sich sinnvolle Verbindungen von E-Mails zu den jeweiligen Geschäftsvorfällen herstellen lassen. Wenn beispielsweise ein Kunde eine E-Mail schickt, erwartet er eine schnelle Antwort und vor allem eine schnelle Bearbeitung seines Anliegens. Hierfür muss es auch Methoden der intelligenten Klassifikation geben, auf Basis derer sich eine automatisierte Zuordnung zu den Geschäftsprozessen realisieren lässt. Über die technische Komponente hinaus ist laut Forst auch ein Kulturwandel in den Köpfen im Umgang mit dem Medium und eine Neuorganisation bisheriger unstrukturierter Arbeitsweisen notwendig: »Die Beschäftigten müssen für den Umgang mit E-Mails noch stärker sensibilisiert werden. Jeder schreibt heute täglich E-Mails. Aber die Art und Weise, wie dies geschieht, hat Einfluss auf den Wirkungsgrad eines E-Mail-Managements. So lassen sich gut strukturierte E-Mails mit klaren Betreffzeilen und Empfängerkreisen viel leichter bestimmten Geschäftsvorfällen zuordnen.«

E-Mails in Unternehmenskontext einbetten

Marc Paczian, Opentext (Bild: Opentext)
Marc Paczian, Opentext (Bild: Opentext)

Die enge Verzahnung zwischen E-Mails und Geschäftsprozessen hat auf die konzeptionellen Ansätze beim E-Mail-Management zweierlei Auswirkungen: Zum einen verdrießt sie Cloud-Anbietern das Geschäft, die es hierzulande aufgrund des NSA-Skandals bereits nicht einfach haben. Zum anderen fördert sie den Hybridbetrieb aus client- und serverseitigen E-Mail-Management-Lösungen.

Zwar sollten Verantwortliche jeden Einzelfall genau betrachten, aber häufig unterstützt eine client- und serverseitige E-Mail-Archivierung Geschäftsprozesse besser als eine Variante allein. Wie ein Hybridbetrieb in der Praxis aussehen kann, beschreibt Marc Paczian, Manager Solution Consulting DACH bei OpenText: »Die Unterstützung der automatisierten Server-Prozesse – zum Beispiel Archivierung nach Größe oder Datum – sollte sich durch Client-Integrationen und die Möglichkeit des Eingriffs durch den Benutzer ergänzen lassen – zum Beispiel für die Zuordnung von E-Mails in einen Geschäftsprozess, der unter anderem alternative Aufbewahrungsfristen erfordert.«

Cloud eignet sich nicht für die Verzahnung von E-Mail und Geschäftsprozessen

Beim cloudbasierten Lösungsansatz wird nach Ansicht von Experten wie Karl Heinz Mosbach, Geschäftsführer des DMS/ECM-Anbieters ELO, oft nur der Aspekt der Datensicherung beziehungsweise Archivierung gesehen: »Dieser reine Archivierungsansatz ist aber zu kurz gedacht, da E-Mails meist wichtige prozessbezogene Informationen enthalten, die unbedingt dem richtigen Prozess zugeordnet gehören – ob Vorgangsakte, Workflow etc.« Für eine enge Verzahnung mit bestehenden Applikationswelten sind Cloud-Lösungen nicht so gut geeignet. Auch nach der Wahrnehmung von Bernhard Zöller, Geschäftsführer des DMS-Beratungshauses Zöller & Partner, herrscht bei mittelständischen und großen Unternehmen äußerste Zurückhaltung beim Thema E-Mail und Cloud: »Hosting bei Dienstleistern ja, echte Cloud: nein. E-Mail-Systeme sind geschäftskritische Anwendungen. Eine Firma kann vielleicht mal zwei Tage ohne ERP-Lösung arbeiten aber ein Tag ohne E-Mail? Nicht vorstellbar, das wäre der Gau.« Bei E-Mail komme erschwerend hinzu, dass die täglichen Volumina um Potenzen über den Transfervolumen für gehostete ERP-Systeme liegen. Die Netzwerkinfrastruktur zwischen der Cloud und dem Anwender muss das ohne Verschlechterung zur bisherigen On-Premise-Situation hergeben.
Mit einer schnellen Durchdringung von Business-E-Mail-Services in der Cloud rechnet dagegen die Radicati Group in den nächsten vier Jahren. Als US-Unternehmen sieht sie die aktuelle Sicherheitsdiskussion wahrscheinlich weniger dramatisch als Unternehmen dies berechtigterweise hierzulande sehen.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.