Interview zu BPM und Workflow mit Alfresco

Offene Standards und Schnittstellen, wie BPMN 2.0 und CMIS, sind laut Stefan Waldhauser, Director Alfresco Business Solutions, das A und O wenn es um Integrationsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit von BPM-Lösungen geht. Im Interview mit ECMguide.de betont er ebenfalls, dass es heute wichtig sei, über die Firewall hinauszudenken und auch die Cloud und mobile Endgeräte in die Überlegungen miteinzubeziehen.

Zwar umfassen Enterprise-Content-Management-Lösungen (ECM) fast immer Business-Process-Management (BPM), aber BPM wird häufig auch als eigenständige Lösung verkauft beziehungsweise von anderer Business Software wie Warenwirtschaftssystemen abgedeckt. Welche Bedeutung hat BPM für den ECM-Bereich?

Stefan Waldhauser, Alfresco (Bild: Alfresco)
Stefan Waldhauser, Alfresco (Bild: Alfresco)

Waldhauser: Angesichts der zunehmenden Daten- und Dokumentenmengen im Büroalltag von heute sind ganzheitliche Lösungen wichtiger denn je. In nahezu allen Prozessen im Büro spielen Dokumente eine zentrale Rolle. Daher sind BPM und ECM für mich nur zwei Seiten einer Medaille, die nahtlos miteinander in einer Plattform interagieren müssen. Daneben gibt es aber im Unternehmen natürlich auch weitere Prozesse, zum Beispiel in der Produktion, die unabhängig von Dokumenten sind und ebenfalls mit BPM-Tools automatisiert werden können. Hier kommen dann andere BPM-Systeme zum Einsatz, die in der Regel nichts mit ECM zu tun haben.

Was ist aus Anwendersicht bei der Auswahl einer BPM-Lösung zu beachten?

Waldhauser: Anwender sollten nicht nur auf eine ausreichende Funktionalität, sondern vor allem auf die Integrationsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit achten. Offene Standards und Schnittstellen, wie BPMN 2.0 und CMIS, sind dabei das A und O. Ebenso wichtig ist es heute, über die Firewall hinauszudenken und auch die Cloud und mobile Endgeräte in die Überlegungen miteinzubeziehen. Auch sollten sie vor der Entscheidung kritisch überprüfen, ob, wie sehr und wie lange man sich mit der Entscheidung an einen bestimmten Hersteller bindet. Sich hier seine Flexibilität zu bewahren, um auf wechselnde Anforderungen reagieren zu können und unabhängig zu bleiben, ist für mich ein ganz entscheidender Punkt.

Welche ECM/BPM-Lösungen eignen sich besser und welche schlechter, Geschäftsprozesse zu automatisieren?

Waldhauser: Das ist sicherlich auch vom Einzelfall abhängig. Grundsätzlich sollte vermieden werden, dass sich Mitarbeiter aufgrund der oftmals mangelnden Flexibilität ihrer veralteten ECM/BPM-Lösung noch irgendwelcher Drittsysteme aus dem App-Store bedienen, um mit externen Partnern zusammenzuarbeiten oder unterwegs ihre Dokumente dabei zu haben. Daher rate ich stark zu hybriden Lösungen, die stationäres ECM beziehungsweise BPM (on-premise) mit mobilen Lösungen und der Cloud verbinden und automatisch »in Sync« halten.

Gibt es (technische) Veränderungen, die die Realisierung von BPM-Lösungen erleichtern?

Waldhauser: BPMN 2.0 eröffnet dem Geschäftsprozessmanagement seit wenigen Jahren eine neue Dimension, denn es bietet Fachbereichen, Systemarchitekten und Entwicklern die gemeinsame Basis zur Prozessbeschreibung. Mittlerweile gibt es ausgereifte Tools, welche die Abbildung umfassender Prozesslandschaften ermöglichen und dennoch die Unabhängigkeit von einem Hersteller erhalten.

In welchen Bereichen werden Geschäftsprozesse häufig und in welchen seltener automatisiert?

Waldhauser: Am häufigsten sind es, aus unserer Content-Management-bezogenen Sicht, Abstimmungs- und Freigabeprozessen für Dokumente. Eine starke Nachfrage erleben wir derzeit außerdem hinsichtlich der automatisierten Ablage von Dokumenten inklusive der automatisierten Vergabe von Metadaten. Mit solch modernen Records-Management-Systemen stellen immer mehr Unternehmen die Einhaltung von Compliance-Vorgaben sicher. Je häufiger sich ein Vorgang im Unternehmen wiederholt und je stärker sich die Arbeit mit diesem Dokument automatisieren lässt, umso eher bringen Workflows einen Effizienzgewinn.

Worin liegen die größten Herausforderungen für Anwender Business-Process-Management- und Workflow-Prozesse zu realisieren?

Waldhauser: Für wenig strukturierte Geschäftsprozesse sind die heutigen BPM-Systeme oft noch zu unflexibel, um nachhaltig erfolgreich eingesetzt zu werden. Es empfiehlt sich daher, den BPM-Einsatz auf die gut strukturierten Kernprozesse im Unternehmen zu fokussieren und die Rand-Prozesse durch ein flexibles Collaboration-Tool zu unterstützen.

Welche Vorteile bringt es, BPM- und Workflow-Lösungen zu realisieren?

Waldhauser: Der Vorteil liegt sicherlich in erster Linie in erhöhter Produktivität. Den Anwendern wird dadurch viel lästige, teils zeitaufwändige Arbeit abgenommen. In dokumentenintensiven Branchen wie der Finanzdienstleistungsindustrie ist ein state-of-the-art BPM-System unabdingbar, um im Wettbewerb bestehen zu können. Daneben optimieren immer mehr Unternehmen damit die Einhaltung von Compliance – Stichwort: Records Management.

Sehen Sie auch Nachteile?

Waldhauser: Auf lange Sicht sicherlich nicht, wenn sichergestellt ist, dass genau diejenigen Prozesse angegangen werden, bei denen eine solche Workflow-Unterstützung auch Sinn macht. Wie bei jedem IT-Projekt gibt es aber natürlich dazu einen gewissen Aufwand für eine gute Konzeption, der vorab geleistet werden muss.

Was war für Sie das eindrucksvollste BPM-Beispiel, das Sie in der Praxis erlebt haben?

Waldhauser: Ein Kunde von uns ist ein führender Outsourcing-Dienstleister für Transaktionsbanking. Das Unternehmen hat mittels BPM mehrere hundert Geschäftsprozesse für seine Kunden hochgradig automatisiert und kann dadurch hochwertige Workflows zu günstigen Preisen anbieten. Solche Beispiele belegen eine regelrechte Industrialisierung der Finanzdienstleistungsbranche, die erst durch BPM möglich wurde.

Wie gut kann man inzwischen BPM- und Workflow-Lösungen in der Cloud realisieren?

Waldhauser: Dies ist mittlerweile sehr gut umsetzbar, wie Alfresco One mit seiner hybriden Technologie seit mehr als einem Jahr für den ECM-Bereich beweist. Damit lassen sich neben den Anwendern im eigenen Unternehmen (on-premise) auch externe Geschäftspartner (in der Cloud) in Workflows einbinden. Ab sofort wird es für Unternehmen noch leichter, Workflows für das unternehmensweite Prozessmanagement zu realisieren. Denn die weitverbreitete Business-Process-Management(BPM)-Software Activiti, wurde gerade von Alfresco für den Unternehmens-Einsatz aufgewertet. Seit Mai 2014 bieten wir unter dem Namen Alfresco Activiti Enterprise ein Paket von Services und Applikationen an. Es umfasst neben professionellem Support auch cloudbasierte Anwendungen, die das Prozess-Design mit Activiti und die Administration vereinfachen.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.