Diverse Möglichkeiten zur ECM-ERP-Integration

Beispiel einer ECM-Integration in SAP S/4 Hana von ELO Digital Office (Bild: ELO Digital Office)

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Beispiel einer ECM-Integration in SAP S/4 Hana von ELO Digital Office (Bild: ELO Digital Office)

Enterprise-Resource-Planning (ERP-)-Systeme können wesentliche Aufgaben in Unternehmen wie die bedarfsgerechte Materialplanung und die Buchhaltung digitalisieren. Die nötigen Daten in digitaler Form in das ERP hinein und heraus zu bringen sowie entstehende Dokumente und Inhalte compliance-gerecht zu verwalten und zu archivieren, liegt jedoch nicht im Fokus der ERP-Hersteller. Hierauf sind Enterprise-Content-Management- (ECM-) Systeme spezialisiert, die gekoppelt mit ERP-Systemen für automatisierte Abläufe in Unternehmen sorgen.

Jedoch einfach einen SAP- oder Abas-Konnektor kaufen und die ECM-ERP-Integration ist quasi geritzt – so einfach ist die Geschichte in der Realität leider nicht. Unterschiedliche Konnektoren, Schnittstellen und Integrationsmöglichkeiten stehen für verschiedenste Integrationszwecke zur Verfügung. »Aus unseren Projekterfahrungen bieten Hersteller verschiedene Schnittstellen auf unterschiedlichen technischen und fachlichen Ebenen an«, berichtet Michele Barbato, Abteilungsleiter Produktmanagement bei Ceyoniq Technology. »Je nach Technologiestand des ERPs werden moderne Webservice-Schnittstellen, Datenaustauschschnittstellen auf Dokument- und Datenbasis oder Aufrufschnittstellen auf Basis von Recherchedaten benötigt. Wenige Hersteller bieten eine Standardschnittstelle, wie eine Steckdose, für die ECM-Integration in das ERP an, die für alle ECMs standardisiert sind. Daher ist der Aufwand zur Integration je nach ERP und Kundenanforderung unterschiedlich.«

Die ECM-ERP-Integration ist ein großes Feld für Systempartner von ECM-Herstellern, die häufig auch die Entwicklung von Konnektoren oder Add-ons übernehmen. So bietet ecoDMS über die IT-Dienstleister WS-Informatik und Neumeier Integrationen in die ERP-Suiten »SAP Business One« und »Systemhaus One«, die mittelständische Unternehmen und Systemhäuser ansprechen. Für große Unternehmen hat das Schweizer SAP-Beratungsunternehmen Conactive einen Konnektor entwickelt, mit dem sich Dokumente aus SAP in »ecoDMS« archivieren lassen. Ralf Schmitz, zuständig für Reseller Sales und Vertrieb bei Ecodms meint dazu: »Unsere Partner haben das Ohr am Markt und wissen, welche Schnittstellen Kunden nachfragen. Wir setzen auf deren Eigeninitiative und stärken gleichzeitig unser Netzwerk, denn natürlich können auch andere Partner die von unseren Resellern entwickelten Integrationen für ihre Kunden erwerben.«

Ähnlichen gehen auch andere ECM-Unternehmen wie M-Files vor, das gemeinsam mit Partnern weltweit mehr als zwei Dutzend fertige Integrationen von M-Files zu CRM- und ERP-Lösungen anbietet. Zusätzlich bestehe laut Heike Xander, Customer Success Manager von M-Files dann auch immer die Möglichkeit einer individuellen Kopplung über etablierte Schnittstellen wie die REST-API. »Allerdings unterscheiden sich auch die ERP-Lösungen in ihren Möglichkeiten. Im Prinzip sollte die Integration aber kein Problem darstellen und über die Art und Weise sollte der Anwendungsfall entscheiden. Uns ist es daher wichtig, Lösungspartner einzubeziehen, die die entsprechenden ERP-Lösungen umfassend kennen, damit ein Maximum an Nutzen generiert werden kann.« Um darzustellen wie unterschiedlich die Anwendungsfälle und Möglichkeiten sind, haben wir einige Partner von M-Files in ein Interview zu dieser Thematik einbezogen. Andere ECM-Hersteller fokussieren sich bei der Anbindung wie xSuite Group mit SAP auf einen ERP-Hersteller oder integrieren sich wie Circle Unlimited komplett in SAP.

ERP-ECM-Anwendungen gehen über reine Belegablage hinaus

Die ursprünglich gedachten ERP-ECM-Schnittstellen reichen,laut Heike Xander von M-Files, heute häufig nicht mehr (Bild: M-Files)

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Die ursprünglich gedachten ERP-ECM-Schnittstellen reichen,laut Heike Xander von M-Files, heute häufig nicht mehr (Bild: M-Files)

Dass die Integration so vielschichtig sein kann, liegt auch an den vielen unterschiedlichen Anwendungsfällen, die durch die digitale Transformation in den letzten Jahren erheblich gewachsen sind. »Früher ging es vor allem um die vergleichsweise einfache Archivierung von Dokumenten und Belegen«, berichtet Xander. Heute geht es vielfach auch darum, aktive Dokumente wie Rechnungen, die nicht mehr nur archiviert, sondern bearbeitet werden müssen, mit ERP-Daten zu koppeln. Deshalb sind die Anforderungen an eine Integration laut Xander heute deutlich komplexer und gehen oft über das hinaus, was ERP-Anbieter in ihren Standard-DMS-Schnittstellen angedacht haben.

Für Bernd Hennicke, Vice President Product Marketing von OpenText gibt es keine Geschäftsanwendung, für die eine Integration nicht sinnvoll wäre: »Nahezu jeder Geschäftsprozess, ob in der Lieferkette, im PLM, im CRM, in der Logistik, im Finanzwesen oder im Personalwesen, ist auf Daten und Informationen angewiesen.« Dokumente seien oft der Auslöser für den Start eines ERP-Geschäftsprozesses oder liefern unterstützende Informationen für den Abschluss des Prozesses. Schließlich werden Dokumente oft auch während oder am Ende eines Geschäftsprozesses erzeugt. Es liegt für Hennicke auf der Hand, »dass die Synchronisierung von Daten und Dokumenten ein Muss für jedes Unternehmen ist: Die Bereitstellung von Informationen für relevante Nutzer zur richtigen Zeit in der entsprechenden Geschäftsanwendung oder auf dem Gerät seiner Wahl ist entscheidend, um effiziente Prozesse zu gewährleisten.«

Kurz gefasst meint Timo Backes, Leiter Competence Center Business Integration bei ELO Digital Office: Eine Integration ist für jegliche Prozesse sinnvoll, in denen mit Dokumenten oder mit zusätzlichem Content beziehungsweise unstrukturierten Daten gearbeitet wird, zum Beispiel Einkaufsakte, Lieferantenakte, Projektakte und Produktakte.« Ein sehr häufiger Anwendungsfall ist wie bei Creditreform die digitale Eingangsrechnungsverarbeitung, wo hierfür Lösungen von ELO an SAP angebunden sind. Eingehende digitale Rechnungen werden automatisch in das ELO ECM-System importiert und dort zentral verwaltet. Nach dem Import startet der Eingangsrechnungsworkflow: Aufgrund einer ZUGFeRD-Komponente und eines KI-gestützten Klassifizierungsmoduls werden relevante Daten vollautomatisiert extrahiert und zum Beispiel Kreditorenangaben, Rechnungsnummer oder auch Zahlungsbedingungen zur weiteren Bearbeitung bereitgestellt. Durch eine Verknüpfung der Rechnungsdaten mit SAP-Stammdaten reduzieren sich die Erfassungsaufwände und die Fehleranfälligkeit.

Es folgt die formelle Prüfung der Rechnung in der Buchhaltung über die vorkonfigurierte Softwarelösung »ELO Invoice«: Rechnungs- und Positionsdaten können damit erfasst und hinsichtlich der Pflichtangaben gemäß Umsatzsteuergesetz geprüft werden. Abschließend geschieht die Verbuchung der Rechnung über einen SAP-Funktionsbaustein (BAPI) mit Hilfe des »ELO Connectivity Packs for SAP ERP«, das Bestandteil der »ELO Suite for SAP ArchiveLink« ist. Dabei ist es möglich, von SAP ins ELO System zu springen und umgekehrt.

Auch wenn es generell sinnvoll ist, ECM- und ERP-Systeme zu verbinden, bedeutet es einen gewissen Aufwand den man gegenüber den Kosten abwägen sollte. Schließlich sind je nach Anwendungsfall und Integrationstiefe Tools notwendig und Schnittstellen zu bedienen, für die gesorgt sein muss. Dina Haack, Marketingleiterin der Xsuite Group, empfiehlt diese Investition davon abhängig zu machen, in welcher Häufigkeit ein Prozess vorkommt: »Es müssen nicht zwingend alle Bereiche hundertprozentig und nahtlos integriert sein, manchmal ist ein zusätzlicher Aufwand durch doppelte manuelle Pflege auch vertretbar, wenn ein Fall nur selten auftrifft. Für gelegentlich auftretende Fälle kann auch Datenabgleich/-übertragung mit Hilfe von Excel ausreichend sein. Integration macht Sinn, wenn ein Fall regelmäßig auftritt.« Auf der anderen Seite sei es davon abhängig zu machen, wie integrationsfreundlich das vorhandene System ist. Bei einem Legacy System, das als Individualsoftware ohne Schnittstellen programmiert wurde, ist eine Anbindung ungleich aufwändiger oder vielleicht gar nicht möglich. »Da könnte, wenn die Schmerzen wirklich groß sind, eventuell auch eine RPA-Lösung eine Antwort sein«, so Haack

Auch für Andreas Blom, zuständig für den ECM-Vertrieb bei TSO-Data ist eine tiefe Integration zwischen ERP und DMS vor allem dann sinnvoll, wenn beide Systeme Teil eines häufig wiederholten Arbeitsprozesses sind und Informationen aus beiden Systemen parallel benötigt werden. Blom nennt hierfür ein konkretes Beispiel: »Arbeite ich beispielsweise im Vertriebsinnendienst und mein Job besteht darin, Angebote und Aufträge zu verarbeiten, macht eine tiefe Integration Sinn, da ich meine Angebote und Aufträge im ERP-System schreiben muss, aber die Archivierung im Dokumentenmanagement-System erfolgen sollte, um den regulatorischen Pflichten nachzukommen. Ohne Schnittstelle sind die Belege manuell zu archivieren.« Umso mehr Angebote und Aufträge am Tag zu verarbeiten seien, desto mehr lohne sich die Automatisierung der Verarbeitung von eingehenden und selbst erstellten Belegen über eine Schnittstelle.

Auswirkungen auf Lizenzkosten und Cloud-Thematik

Michele Barbato von Ceyoniq sieht auch unterschiedliche Möglichkeiten für ECM-ERP-Integrationen in der Cloud (Bild: Ceyoniq Technology)

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Michele Barbato von Ceyoniq sieht auch unterschiedliche Möglichkeiten für ECM-ERP-Integrationen in der Cloud (Bild: Ceyoniq Technology)

Nutzen allerdings mehr Mitarbeitende sowohl das ECM- als auch das ERP-System, macht sich das in vielen Fällen bei den Lizenzkosten bemerkbar. Zwar sollte das generell kein Hinderungsgrund sein, da ja viele Vorteile wie weniger Arbeitsaufwand und Fehleranfälligkeit resultieren, aber sicherlich lohnt sich eine Optimierung der Lizenznutzung vor allem auf ERP-Seite. So unterscheidet SAP beispielsweise funktional eingeschränkte User-Typen in verschiedenen Produktreihen und Bereitstellungsarten. Vor allem für größere Kunden bedeutet dies, Lizenzstrategien eventuell auch mit Lizenzberatern festzulegen.

Sowohl im ERP- als auch im ECM-Bereich gilt, dass die Systeme immer stärker aus der Cloud und sogar aus Multi-Tenant-Systemen in Public-Cloud-Umgebungen betrieben werden. Dass hier kaum Individualisierungen generell und eben auch bei Integrationen mit Drittsystemen möglich sind, galt lange als Argument, weshalb es Cloud-Business-Anwendungen schwer haben sollten. Je nach System und Integrationstiefe stimmt dies auch. Beispielsweise hat Ceyoniq auf Basis von CMIS, REST und GraphQL schon unterschiedliche Integrationen für verschiedene ERP-Systeme zum Beispiel SAP S/4 HANA Public-Cloud durchgeführt. »Der Anwender muss sich jedoch bewusst machen, dass für Funktionserweiterungen immer erst der ERP-Hersteller angesprochen werden muss und eine Individualisierung selten möglich ist«, räumt Barbato ein. Man kann es aber, wie Haack meint, auch so betrachten, dass es die Cloud teils einfacher macht. Schließlich erfolge streng gesprochen keine Integration des einen Systems in das andere, sondern beide Systeme kommunizieren über APIs miteinander. »Über APIs lässt sich ein nahtloses Zusammenspiel von Lösungen in beziehungsweise aus der Public Cloud realisieren. Also keine Bedenken von meiner Seite. Ganz im Gegenteil: dahin wird die Reise mittelfristig so oder so hingehen.« Haacks Meinung spiegelt sich auch im aktuellen Gartners Magic Quadrant für Content Services Platforms – also im wesentlichen ECM-Plattformen – wider. Hier kommen Systeme mit PaaS- und SaaS-Plattformen sehr gut weg, die viele Anbindungsmöglichkeiten für Drittapplikationen bieten, wie beispielsweise Box. Ob man so mit wenig Aufwand aber tatsächlich schon gleichwertige Lösungen wie im On-Premises- und Hybrid-Umfeld erreichen kann, ist allerdings schon etwas fraglich.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.