KI, Cloud und Corona beeinflussen Vertragsmanagement

Sebastian Wengryn, CEO von Contracthero, setzt auf cloud-basiertes offenes Vertragsmanagement (Bild: Contracthero)

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Sebastian Wengryn, CEO von Contracthero, setzt auf cloud-basiertes offenes Vertragsmanagement (Bild: Contracthero)

Versäumte Vertragsfristen, nicht ausgeschöpfte Vertragsinhalte und lange Suchen nach Vertragsdetails kosten Unternehmen viel Zeit und Geld. Um hier Abhilfe zu schaffen, setzt beispielsweise der Verpackungshersteller PACCOR mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden in über 15 Ländern auf eine cloudbasierte Vertragsmanagement-Lösung von SER Group. Vor deren Implementierung wurden Verträge und dazugehörige Dokumente in jeder Abteilung mit eigenen Ablageumgebungen individuell verwaltet. Deswegen war es zum Teil schwierig, Verpflichtungen und Risiken in der Paccor-Gruppe proaktiv zu überwachen sowie Vertragsprozesse schnell und transparent zu bearbeiten.

Corona-Pandemie erhöht Bedarf für Vertragsmanagement

Die Anforderungen an transparentes Vertragswesen sind in der Corona-Pandemie durch das dezentrale Arbeiten in Home-Offices noch einmal deutlich gestiegen. Alleine schon, um von verschiedenen Orten auf Verträge zuzugreifen, wurde die digitale Ablage von Verträgen zu einem »Must-Have«. Jedoch sei dies nur ein Bruchteil dessen, was Vertragsmanagement ausmacht, meint Sebastian Wengryn, Mitgründer und CEO von ContractHero gegenüber ECMguide.de: »Nehmen Sie nur die gestiegenen Erfordernisse, in der Pandemie viele Dienstleistungsverträge kündigen oder anpassen zu müssen oder unter gestiegenem Kostendruck neu zu verhandeln. Wer da automatisiert und cloud-basiert arbeiten kann, spart Zeit und senkt gleichzeitig das Risiko, wichtige Fristen zu verpassen.« Ähnlich sieht die Lage Jair Godschalk, Vice President Sales, SER Group: »Pandemie-bedingte Lieferausfälle und sinkende Absätze verlangen Anpassungen bei bestehenden Verträgen, zum Beispiel eine Unterbrechung oder gar Beendigung von Vertragspartnerschaften. Und auch die Gestaltung neuer Verträge verändert sich, weil Risiken anders bewertet und vertraglich entsprechende Vorkehrungen getroffen werden.« Wenn alle Vertragsunterlagen an einem Ort gebündelt als »single source of truth« strukturiert abgelegt, ortsunabhängig verfügbar und analysierbar seien, ließen sich mit einer digitalen Vertragsmanagement-Lösung solche Anpassungen wesentlich schneller umsetzen sowie Fristen und Verbindlichkeiten sicherer einhalten.

Wichtig für Paccor: Compliance-Aspekte

Jair Godschalk, Vice President Sales der SER Group, beobachtet steigende Anforderungen an Vertragsmanagement durch Home-Office-Regelungen (Bild: SER)

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Jair Godschalk, Vice President Sales der SER Group, beobachtet steigende Anforderungen an Vertragsmanagement durch Home-Office-Regelungen (Bild: SER)

Bei Paccor sind jetzt alle Vertragsunterlagen an einem Ort gebündelt und nachvollziehbar strukturiert abgelegt. Außerdem lassen sich die mit den Verträgen einhergehenden Prüf- und Genehmigungsprozesse mit digitalen Workflows abbilden und einheitlich steuern. Autorisierte Mitarbeitende können bestimmte Vertragspassagen und alle relevanten Vertragsdokumente über eine Volltextrecherche finden. Am wichtigsten ist für Paccor, dass alle Unterlagen und die damit verknüpften Prozesse nachvollziehbar dokumentiert sind, wodurch Compliance und Sicherheit auf allen Ebenen entsteht.

Den ortsunabhängigen Zugriff und das medienbruchfreie Arbeiten mit Vertragsmanagement-Lösungen fördern die Bereitstellung in der Cloud und digitale Signaturen. Zudem sorgt der Cloud-Ansatz dafür, dass die Lösungen schnell bereitgestellt werden können. Die Umsetzung bei Paccor dauerte etwas mehr als drei Monate, womit die Verantwortlichen sehr zufrieden sind. Generell können Cloud-Lösungen mehr Flexibilität und Kostenkontrolle bieten, wenn sich zum Beispiel das Dokumentenvolumen oder die Zahl der Benutzer verändern.

Einbindung digitaler Signaturen

Andreas Dangl von Fabasoft sieht großen Zusammenhang zwischen digitaler Signatur und Vertragsmanagement (Bild: Fabasoft)

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Andreas Dangl von Fabasoft sieht großen Zusammenhang zwischen digitaler Signatur und Vertragsmanagement (Bild: Fabasoft)

Digitale Signaturen werden immer stärker in Vertragsmanagement-Lösungen eingebunden, da das Unterschreiben von Verträgen nun mal einen wichtigen Prozessschritt darstellt und dieser immer einfacher digital gestaltet werden kann. In unserem Artikel zu E-Signaturen zeigen wir den aktuellen Stand in diesem Umfeld auf. Wichtig für die Akzeptanz ist, die Signaturlösung direkt in die Vertragsmanagement-Lösung zu integrieren. Anbieter der Vertragsmanagement-Lösung sollten hierfür Schnittstellen zu verschiedenen Signaturanbietern zur Verfügung stellen. »Die digitale Signatur spielt eine wesentliche Rolle im Lebenszyklus eines Vertrags und gehört damit jedenfalls zu den Grundfunktionen eines modernen Vertragsmanagements. Ein elektronischer Zeichnungsprozess lässt sich bei Unklarheiten einfach und verlässlich nachvollziehen sowie prüfen«, meint Andreas Dangl, Business Unit Executive für Cloud-Services bei Fabasoft. Eine qualifizierte elektronische Signatur besitzt die gleiche Rechtssicherheit wie eine handschriftliche. Eigentlich ist sie sogar sicherer, da sich die Identität des Unterzeichners eindeutig bestätigen lässt. Zusätzliche Sicherheitsfaktoren beim digitalen Vertragsmanagement wie durch Zertifikate erstellte Prüfsummen und Block-Chain-Technologie bei ISIS Papyrus und DocuSign gewähren einen weiteren technischen Manipulationsschutz.

Mit KI Verträge durchleuchten

Um wichtige Vertragsbestandteile immer genauer und schneller herauszufinden, kommen verstärkt Analyse-Tools und KI-Komponenten zum Einsatz. Sie sollen entscheidende Inhalte wie Kosten oder Fristen automatisch erfassen und manuelle Prozesse auf ein Minimum reduzieren. »Eine Vertragsmanagementsoftware, die eine künstliche Intelligenz integriert, erhöht die Datenqualität und spart Zeit, indem sie Vertragsarten automatisch erkennt, Dokumente klassifiziert und gleichzeitig relevante Informationen automatisch extrahiert«, unterstreicht Dangl.

Dass künstliche Intelligenz gerade beim Vertragsmanagement großes Potenzial zeige, meint auch Godschalk: »Damit lassen sich zum Beispiel Vertragsklauseln analysieren – wo fehlen Haftungsklauseln, wo gibt es Sonderkündigungsrechte  – sowie Betrugsversuche aufdecken – was ist verdächtig, was ist normal oder nach EU-DSGVO zu schützende personenbezogenen Daten identifizieren  – und so Risiken minimieren. Aber auch bei ganz täglichen Aufgaben wie Nachfragen zu einer Vertragspassage hilft KI, indem sie dafür geeignete Experten ermittelt oder weiterführende Informationen findet.«

Lösungsanzahl steigt deutlich

Immer mehr Anbieter aus dem ECM-Umfeld bieten dedizierte Lösungen für das Vertragsmanagement an. Während OPTIMAL SYSTEMS schon seit vielen Jahren unter anderem darauf ausgerichtet ist, kamen beispielsweise ELO Digital Office und SER sowie als jüngstes Beispiel windream hinzu. Daneben gibt es auch Anbieter wie Docusign, die aus dem Bereich digitaler Signaturen kommen, Hersteller von Lösungen für Informations- und Digitalisierungsplattformen wie The Quality Group sowie Start-ups wie Contracthero, die das Vertragsmanagement bedienen. Eine ausführliche Übersicht zu den Lösungen finden Sie hier.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.