ECM-ERP-Interview mit Michele Barbato, Ceyoniq
Welche Schnittstellen und Möglichkeiten gibt es für die Integration von ECM- und ERP-Systemen?
Barbato: Aus unseren Projekterfahrungen bieten Hersteller verschiedene Schnittstellen auf unterschiedlichen technischen und fachlichen Ebenen an. Je nach Technologiestand des ERPs werden moderne Webservice-Schnittstellen, Datenaustauschschnittstellen auf Dokument- und Datenbasis oder Aufrufschnittstellen auf Basis von Recherchedaten benötigt. Wenige Hersteller bieten eine Standardschnittstelle, wie eine Steckdose, für die ECM-Integration in das ERP an, die für alle ECMs standardisiert ist. Daher ist der Aufwand zur Integration je nach ERP und Kundenanforderung unterschiedlich. Bei der Entwicklung von »nscale« legen wir besonderen Wert darauf, dass viele Schnittstellen wie REST, JAVA, .Net und C++ unterstützt werden. Daher haben wir mit der »nscale Version 8« auch die GraphQL-Schnittstelle als Erweiterung unseres REST-Services eingeführt, um einfach und schnell auf ERP-Daten zuzugreifen. Die Planungen gehen bei Nscale jedoch weiter: Unter der Zielsetzung von Low-Code und No-Code-Betrachtungen haben wir schon erste Business-APIs in der Plattform, womit die Integration einfach und schnell erfolgen soll, wenn keine Standardschnittstellen vom ERP-Hersteller gegeben sind.
Wie kann die Integration über Business-APIs einfacher erfolgen als über Standardschnittstellen?
Barbato: Wir haben die Erfahrung in unseren Projekten gemacht, dass Schnittstellen immer einen technischen Ansatz zum Beispiel REST, GraphQL und JAVA bedeuten. Das ist nicht effektiv und schon gar nicht einfach. Daher haben wir angefangen, in unseren Lösungsprodukten Business-APIs und auch Low-Code-Komponenten bereit zu stellen. Die Business-APIs werden über die bekannten Schnittstellen wie REST, .Net und JAVA angeboten, je nachdem wohin die Integration geht. Die Einfachheit besteht darin, dass Funktionen zum Beispiel »Anlage einer Lieferantenakte« über technische Schnittstellen direkt angeboten werden, die auch einen festen und beschriebenen Parametersatz aufweisen. Damit braucht der Integrator sich keine Gedanken mehr über die Ermittlung der Fachlichkeit und den technischen Rahmenbedingungen in Nscale machen.
Für welche Anwendungen ist eine Integration von ECM und ERP sinnvoll?
Barbato: Grundsätzlich ist das ERP die führende Anwendung und das ECM ist nur ein unterstützender Baustein. Die Stärken eines ECMs in Verbindung mit einem ERP liegt vor allem bei der strukturierten Vorhaltung heterogener Informationen wie eMails, PDF-, Office- und Papierdokumenten. Wenn ein ECM nicht vorhanden ist, merkt man das häufig bei Kunden, die mitteilen, dass sie immer sehr lange Informationen suchen beziehungsweise, wenn Kollege X nicht da ist, Informationen für einen Geschäftsvorfall nicht finden.
Wann macht welche Integrationstiefe für den Anwender Sinn?
Barbato: Für die Arbeit eines Knowledge Workers ist der Zugriff auf mehr Daten als die eines ERPs für Entscheidungen notwendig. Häufig müssen die Daten aus dem ERP mit anderen Daten abgestimmt werden um die richtige Information zu haben. Beispiel: Abweichende Skontoinformationen von Rechnung und ERP oder Abweichung zwischen Bestellung und Rechnung. Für diesen Anwendungsfall ist eine weitreichende Integration notwendig, denn der Anwender braucht den Zugriff auf eine E-Akte zum Beispiel eine Bestellakte. Bei Rückfragen zu einer Rechnung reicht manchmal nur der Aufruf der archivierten Rechnung in der bildlichen Übereinstimmung, was durch einen einfachen Aufruf der Rechnung aus dem ECM realisiert werden kann. Bei der Nutzung von digitalen Geschäftsprozessen ist die Anforderung an die Integration noch weitreichender, denn es müssen möglicherweise Daten aus mehreren, unterschiedlichen System abgefragt werden, damit dann ein Anwender im Rahmen seiner Aufgabe im Geschäftsprozess eine Entscheidung fällen kann. Insgesamt kommt es auf die Anforderung des Kunden an, welches Szenario er realisieren will. Unsere Erfahrung ist: Je digitaler der Prozess wird, desto tiefer ist die Integration und desto optimaler ist die Nutzbarkeit. Nach unserer Erfahrung möchten Kunden zum Beispiel ihren Eingangsrechnungsprozess optimieren, vergessen dann aber, dass der Anwender auch die Möglichkeit benötigt, weitere Dokumente dem Geschäftsvorfall hinzuzufügen. Wenn es dann vom Prozess keine Aufrufmöglichkeit für die Ablage von Dokumenten gibt, wird der digitale Prozess nur schwer angenommen.
Lassen sich die gängigen ERP-und ECM-Systeme gleich gut integrieren?
Barbato: Leider nicht, denn nach unseren Erfahrungen gibt es im Grunde drei Kategorien von ERP-Integrationsmöglichkeiten: Standardschnittstellen, technologische Schnittstellen und keine Schnittstellen. Zu den Standardschnittstellen: Es gibt ERP-Systeme die eine Standard-Integration eines ECMs vorsehen zum Beispiel »SAP«, »DATEV«, »Diamant« und »proAlpha« und damit Funktionen über definierte Schnittstellen bereitstellen. Das hat den Vorteil, dass der Anwender genau weiß, was er bekommt beispielsweise die Anzeige eines Dokuments/einer Akte oder den Import von Dokumenten. Daneben gibt es – Stichwort technologische Schnittstellen – ERP-Systeme, die eine breitere Integration zulassen, das heißt durch die Technologiebasis des ERPs kann ein ECM an vielen verschiedenen Stellen integriert werden. Dafür muss aber der ECM-Hersteller technologisch dieses ERP unterstützen. Dazu zählen zum Beispiel »Microsoft Dynamics 365« und »Microsoft Dynamics AX«. Dann gibt es ERPs die entweder ein eigenes DMS wie »Comarch« oder »SAGE« mitbringen oder keine Integration im ERP selbst zulassen. Alle diese Integrationsmöglichkeiten muss ein ECM-Hersteller anbieten können. Mit Nscale gibt es da viele Möglichkeiten, die von einer schnellen Lösung bis zu einer sehr hochintegrierten-Lösung reichen. Die schnellste Lösung ist »nscale smart Execute«: Darüber lässt sich ein Zugriff über definierte Suchen, die in Smart Execute konfiguriert werden können, ausführen. Diese ist so einfach und technologieunabhängig, dass jeder Anwender das selbst kann.
Wovon hängt eine gute Integration ab?
Barbato: Grundsätzlich muss der Anwender von der Integration im Rahmen seines Arbeitsprozesses gut abgeholt werden. Daher liegt die Last für eine gute Integration erstmal beim ERP-Hersteller. Das ERP gibt den Standard vor. Das liegt in der Verantwortung des ECM-Produktes. Wenn dann die ECM-Dialoge aufgerufen werden, sind das immer fremde Dialoge. Daher ist es ganz wichtig, dass das ECM einfach in der Benutzung ist und genau das anzeigt, was der Anwender gerade braucht zum Beispiel den Dokumentenviewer, die Aktenstruktur und den Prozessschritt. Zusammengefasst können wir aus unseren Projekten sagen, dass wenn der Anwender die Integration nicht bemerkt und er überrascht ist, dass er zum richtigen Zeitpunkt die richtige Information erhält, eine gute Integration gelungen ist.
Wie gut funktioniert die ECM-ERP-Integration in der Cloud?
Barbato: Bei ERP-Anwendungen aus der Cloud müssen immer REST-Endpunkte auf Basis von URLs aufgerufen werden können. Alternativ können auch Standardprotokolle wie CMIS genutzt werden. Das sind standardisierte Aufrufe mit definierten Parametern aus einer bestimmten Anwendersituation heraus beispielsweise die Anzeige von einer Rechnung zu einem Buchungsdatensatz. Diese Integration funktioniert auf Basis von REST- und HTTP-Standards sehr gut und ist recht einfach zu integrieren. Der Nachteil bei einer solchen Standard-Integration ist, dass die GUI-Elemente von der Cloud-Anwendung kommen müssen zum Beispiel Dokumentviewer oder wie bei CMIS eine Ansicht der Akte. Weitere Funktionen sind dann nicht möglich.
Wie tief kann eine Integration gehen, wenn der Kunde eine Multi-Tenant-Infrastruktur in einer Public Cloud wünscht?
Barbato: Die Tiefe der Integration bestimmt das ERP-System, da das ERP-System die Daten des ERP an den Browser des Anwenders weiterleiten muss. Aus Sicht des ECM-Herstellers ist das eine gute und einfache Realisierung, wenn Standardschnittstellen benutzt werden. Auf Basis von CMIS, REST und GraphQL hat die Ceyoniq schon unterschiedliche Integrationen für verschiedene ERP-Systeme zum Beispiel SAP S/4 HANA Public-Cloud durchgeführt. Der Anwender muss sich jedoch bewusst machen, dass für Funktionserweiterungen immer erst der ERP-Hersteller angesprochen werden muss und eine Individualisierung selten möglich ist.
Wie sieht Ihre ECM-ERP-Integrationsstrategie aus?
Barbato: Nscale ist ein hochintegratives Produkt. Es kann in unterschiedlichen Infrastrukturen – Cloud, Hybrid, onPremise – eingesetzt werden. Das »nscale SDK« bedient hier verschiedenste Schnittstellen wie CMIS, WebDAV, JAVA, REST, .Net, C++. Mit der Version 8 haben wir die GraphQL-Schnittstelle als Erweiterung und Ergänzung unserer Rest-Schnittstelle herausgebracht. Die ist einfach zu bedienen, plattformunabhängig und sehr zielgenau für die Beschaffung von Daten für ERP-Anwendungen nutzbar. Wenn das ERP wie SAP oder DATEV bereits eine Standard-Integration mitbringt, bedienen wir diese. In unseren Projekten gehen wir immer von der Kundenanforderung aus. Wir diskutieren erstmal nicht über Technologie, sondern über Fachlichkeit und Optimierung. In einem zweiten Schritt beraten wir den Kunden, um die optimale Lösung zu finden. Ausgehend von diesen Kundenanforderungen realisieren wir genauso tiefe und aufwendige Integrationen wie auch einfache beziehungsweise standardisierte Integrationen.
Findet eine Integration zwischen ECM und ERP statt, bedeutet das für die Anwender unter Umständen höhere Lizenzkosten, da beide Systeme von mehr Anwendern benutzt werden. Lassen sich die Lizenzmehrkosten minimieren?
Barbato: Nscale bietet dazu verschiedene Lizenz-Möglichkeiten an: Neben dem klassischen Concurrend-Licence-Modell, können wir auch ein kundenindividuelles und nutzungsabhängiges Lizenzmodell beziehungsweise Kostenmodell anbieten. Wir stimmen uns hier mit dem Kunden ab und können, aufgrund der Architektur von Nscale, bedarfsgerechte Angebote vereinbaren.
Wann sollte das ECM- und wann das ERP-System die führende Rolle übernehmen?
Barbato: Die Antwort auf diese Frage ist abhängig von den Funktionen, die ein ERP mitbringt und den Anforderungen die ein Anwender hat. Aus unseren Projekterfahrungen gibt es verschiedene Gründe: Wenn die strategische Entscheidung des Unternehmens die ist, dass der Anwender nur im ERP arbeiten soll, muss die Integration aller ECM-Anforderungen im ERP erfolgen. Damit entfernt sich der Anwender vom ERP-Standard und muss damit rechnen, dass ERP-Updates auch Funktionen des ECMs tangieren. Damit kommen bei Updates mehr Aufgaben auf das Unternehmen zu. Manchmal hat das ERP technisch/funktionale Grenzen, dennoch braucht der Anwender ECM-Funktionen für seine tägliche Arbeit. In einem solchen Fall erkennt der Anwender recht schnell die Vorteile beider Systeme und kann aufgabenorientiert mit beiden Anwendungen arbeiten.
Für die Digitalisierung von Prozessen wie Rechnungsverarbeitung setzen Unternehmen, die nicht oder nur wenig Produktionsdaten haben wie Banken oder Verlage, auf SAP beziehungsweise ein anderes ERP. Könnten sich diese nicht die ERP-Installation sparen und alles mit einem ECM-System abbilden?
Barbato: Dagegen spricht die Compliance: Wir als Ceyoniq würden das nicht empfehlen, denn es gibt eine klare rechtliche Aufgabenteilung: Die revisionssichere Buchhaltung erfolgt im ERP. Hier sind alle gesetzlichen und gegebenenfalls auch branchenspezifischen Anforderungen integriert. Ein ECM liefert nur die Daten und stellt rechtlich ein Vorkontierungssystem. Die eigentliche Kontierung erfolgt nach Unternehmensmaßgaben im ERP. Zusätzlich bieten ECM-Systeme die revisionssichere Ablage als Dienst an, was ERP-Systeme in der Regel nicht leisten. Wenn man sich da die Standard-SAP-Schnittstellen wie CMIS und ArchiveLink anschaut, sind das genau die Funktionen für SAP-Anwender im Zusammenspiel mit einem ECM.