Interview mit Michael Mors von Box, zu ECM in der Cloud

Der Anbieter von Cloud-Content-Management Box ist erst seit drei Jahren in Deutschland präsent, hat hier aber schon über 3.000 Enterprise-Kunden. ECMGUIDE sprach mit Deutschland-Chef Michael Mors unter anderem über die Firmenstrategie, die Abgrenzung zu klassischen ECM-Systemen und die Auswirkungen der Corona-Krise.

Michael Mors, Geschäftsführer von Box in Deutschland, sammelte bereits bei mehreren Anbietern wie SuccessFactors Cloud-Erfahrung (Bild: Box)

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Michael Mors, Geschäftsführer von Box in Deutschland, sammelte bereits bei mehreren Anbietern wie SuccessFactors Cloud-Erfahrung (Bild: Box)

Wie lange ist Box inzwischen im Bereich Cloud Content Management im deutschsprachigen Raum aktiv und wie lief die Entwicklung bislang?

Mors: Box wurde 2005 in San Francisco gegründet und hat schon damals Lösungen für »Enterprise File-Synch-Share (EFSS)« entwickelt. Dabei lautete die grundsätzliche Fragestellung: Wie kann man Dateien besser beziehungsweise einfacher austauschen und im Team damit arbeiten. Im Laufe der Jahre haben wir dieses Thema zu Cloud-Content-Management weiterentwickelt, womit wir seit nun etwa sechs Jahren erfolgreich am Markt aktiv sind. Der deutschsprachige Raum wurde zunächst von Großbritannien aus betreut. Von 2017 an hat Box in der DACH-Region deutlich investiert und ist seitdem mit einem lokalen Team und mittlerweile über 3.000 Enterprise-Kunden erfolgreich aktiv. Vor Ort sind alle Unternehmensbereiche vertreten, die Kunden von einem Softwareanbieter erwarten, wie Marketing, Vertrieb, Consulting, Customer Success und Support.

Welche Strategie verfolgt Box und wie lauten hier Ihre Ziele insbesondere im DACH-Raum?

Mors: Immer mehr Unternehmen sehen in der Cloud den Antriebsmotor zur digitalen Transformation und Content spielt hier eine zentrale Rolle. Beides bekräftigt uns in unserer Entwicklung als Anbieter von Cloud Content Management. Laut Gartner, Forrester und IDC zählen wir bereits zu den führenden internationalen Anbietern in diesem Bereich und unser Ziel ist, klar auch weiterhin in diesem Segment stark zu wachsen und die Anzahl unserer Kunden sowie den Umsatz um mindestens 30 Prozent pro Jahr zu steigern. Im vergangenen Jahr ist uns im DACH-Raum ein Anstieg von über 100 Prozent gelungen.

Können Sie Ihr Lösungsangebot zum Management von Content hier kurz umreißen?

Mors: Durch unsere Lösungen wird die Arbeit mit jeder Art von Content deutlich effizienter und unsere Kunden erzielen eine deutliche Produktivitätssteigerung. Insbesondere der Ansatz »Anywhere-Anytime-Any Device« macht die Arbeit mit Content extrem agil, flexibel und effizient. Wir verstehen uns als Enabler, der Unternehmen dabei unterstützt, ihren kompletten Content in die Cloud zu bringen. Dabei decken wir den gesamten Prozess inklusive Archivierungsregeln, Governance, Compliance, Security, Verschlüsselung bis hin zu Search-Funktionalitäten ab. Im vergangenen Jahr kam darüber hinaus noch eine Workflow-Komponente hinzu, die es erlaubt, jedes Dokument in Workflows zu integrieren. So können beispielsweise einfache Workflows erstellt werden, wie die Freigabe von Dokumenten, die das Unternehmen verlassen sollen, bis hin zu komplexen Workflows wie Bewerbungsprozesse, die hohe Compliance-Anforderungen abdecken müssen.

Was zeichnet die Lösung von Box aus Ihrer Sicht besonders aus?

Mors: Neben dem sicheren Dokumentenaustausch ist unser wichtigstes Merkmal, Cloud-Applikationen von Drittanbietern integrieren zu können. Unsere API-Vielfalt erlaubt es, alle Anwendungen, die unsere Kunden bereits im Einsatz haben, wie »Office365«, »Salesforce«, »Workday«, »Slack«, und viele weitere, schnell und einfach einzubinden. Insgesamt verfügen wir über 1.500 Integrationsmöglichkeiten zu Cloud-Partnerlösungen. Dabei fungiert unser System über alle Anwendungen hinweg für die gesamte Firma als zentraler Content-Layer, in dem die Dokumente abgespeichert sind. Auf diese Weise haben alle Anwender aus sämtlichen Anwendungen wie »SAP«, Slack oder »Adobe« heraus Zugriff auf die gleichen Inhalte. Das verhindert zum einen Datensilos und zum anderen mehrere Kopien des gleichen Dokuments. Jedes Dokument ist nur einmal vorhanden. Wenn Sie heute beispielsweise Salesforce nutzen, lässt sich dies innerhalb einer Stunde in Box integrieren. Dann befindet sich der Content nicht mehr in Salesforce, sondern in Box und Salesforce greift darauf zu. Damit verfolgen wir eindeutig eine Best-of-Breed-Strategie. Das heißt, dass es beispielsweise schon sehr gute Videoconferencing-, Chat- oder andere Business-Tools gibt, mit denen wir nicht konkurrieren wollen. Uns ist es wichtig, dass wir diese Anwendungen hervorragend integrieren können.

Worin grenzen Sie sich ansonsten zu klassischen ECM-Systemen ab?

Mors: Viele Systeme vernachlässigen die Benutzerfreundlichkeit mit der Folge, dass Lösungen nicht gerne genutzt werden. Häufig bestehen sie aus sehr fragmentierten Landschaften, so dass die Nutzer nicht wissen, in welchem Repository ihr benötigtes Dokument liegt. Box hingegen bietet immer den Dokumenten-Backbone für alle genutzten Applikationen, so können Anwender stets sämtliche Dokumente finden. Daneben haben ECM-Systeme häufig ganz viele Features, die in der Praxis wenig genutzt werden. Bezüglich Compliance sind die Systeme sehr gut, aber die Software und die Projekte sind meist ziemlich teuer. Am Ende nutzen nur wenige Anwender die Software und es resultiert ein sehr geringer ROI. Die Akzeptanz der Nutzer ist recht niedrig. Unser Vorgehen sorgt dagegen für eine Nutzung von rund 80 Prozent. Wir machen den ganzen Content sicher und compliant und nicht nur Insellösungen. Dadurch haben unsere Kunden einen besseren ROI.

Wo liegen die Grenzen der Box-Lösung?

Mors: Wir haben bislang keinerlei Grenzen festgestellt, was die Skalierung hinsichtlich Anzahl der User oder Anzahl der Dokumente betrifft. Funktional muss man auf die Komplexität der Anforderungen schauen. Wir bieten viele Standardlösungen an, können aber auch Themen, die diese nicht abdecken, per Individualprogrammierung lösen.

Welche Kundenzielgruppe adressiert Box?

Mors: Wir passen in jede Branche und zu jeder Größe, das zeigt auch unser Kundenquerschnitt. Dennoch haben wir für uns Zielmärkte definiert, diese sind vor allem: Lifesciences, Financial Services, Dienstleister, Medien und das produzierende Gewerbe. Stark sind wir auch im Immobiliensektor mit beispielsweise Deka-Immobilien und Apleona, die im Facility-Management tätig sind.

An wen adressieren Sie Ihre Lösungen innerhalb der Unternehmen?

Mors: Zum einen adressieren wir natürlich die EDV-Leitung, die das Thema Content im Unternehmen anders als bislang behandeln will. Zum anderen richtet sich Box auch an Mitarbeiter von Fachabteilungen, die nach sicheren Möglichkeiten suchen, Informationen intern und extern zu teilen. Häufig ist im Marketing und in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen das Bedürfnis groß, Content auszutauschen und gemeinsam mit Content zu kollaborieren.

Wie sieht Ihr aktueller Kundenkreis im DACH-Raum aus?

Mors: Zu unseren 3.000 Enterprise-Kunden im deutschsprachigen Raum zählen unter anderem die Zürich Versicherung, aber auch kleinere Unternehmen wie Architekten- und Ingenieurbüros. 80 Prozent unseres Umsatzes stammt von größeren Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern. Weltweit gibt es Kunden, die mehr als 400.000 Nutzer haben, die auf unserer Plattform arbeiten. Im DACH-Raum hat unser größter Kunde etwa 100.000 Mitarbeiter, die auf Box zugreifen.

Wo werden die Daten der deutschsprachigen Kunden gespeichert?

Mors: Der Kunde kann seinen Cloud-Anbieter frei wählen: AWS, Google, IBM – diese haben ihre Datencenter hier in Deutschland. Wenn er sich für AWS entscheidet, was die meisten gegenwärtig tun, dann ist das in Frankfurt.

Mit welchem typischen Anwendungsszenario kommen die Kunden in der Regel auf Sie zu?

Mors: Manche wollen ihren Content sicherer und schneller verfügbar machen und ihn deshalb in die Cloud stellen. Andere Interessenten kommen mit ganz speziellen Fällen – beispielsweise aus der Finanzbuchhaltung – mit dem Ziel, papierlos zu arbeiten und ihren kompletten Rechnungsein- und –ausgang zu automatisieren.

Nach welchen Kriterien richten sich die Kosten?

Mors: Die Kosten richten sich lediglich nach der Anzahl der Nutzer. Weder das abgespeicherte Dateivolumen in der Cloud noch die Anzahl der integrierten Applikationen ist limitiert. Mit dem vom Kunden gewählten Cloud-Anbieter unterhalten wir entsprechende Verträge, so dass sich unsere Kunden nicht darum kümmern müssen.

Wie sieht die Kundenbetreuung durch Box aus?

Mors: Jeder Kunde hat einen Account-Manager als direkten Ansprechpartner. Zudem gibt es eine Customer Success-Abteilung, die alle Kunden betreut, wobei die größeren Unternehmen einen festen Ansprechpartner erhalten. So ist der Kunde doppelt gut aufgehoben – er hat den Account- und den Customer-Success-Manager. Die Aufgabe des Customer-Success-Managers ist es, die Implementierung und die Nutzung erfolgreich zu gestalten. Es ist eine fortlaufende Beziehung, die nicht wie üblicherweise in der IT-Branche nach der Implementierung endet. Der Customer-Success-Manager steht ständig für Rückfragen zur Verfügung und spricht proaktiv Themen an. Durch die reine Cloud-Lösung sind beim Kunden vor Ort ja eigentlich keine Arbeiten notwendig.

Welche Aufgaben fallen im Vorfeld einer Implementierung trotzdem an?

Mors: Bei größeren Projekten haben wir teilweise schon Projektteams vor Ort. Diese erarbeiten häufig das Migrieren von Daten beispielsweise von File-Servern und generell als großes Thema die Migration. Wichtig sind aber auch das Setting bezüglich Zugriffsregeln oder Security und die Definition der Prozesse, die abgebildet werden sollen. Hierzu gibt es Architektur-Workshops mit den Kunden und unserer Consulting-Abteilung. Aufgrund der aktuellen Corona-bedingten Situation findet jedoch alles rein online ohne Vor-Ort-Termine statt.

Beziehen Sie auch Partner bei der Umsetzung von Projekten ein?

Mors: Wir arbeiten bei größeren Projekten auch mit Systemintegratoren zusammen. Unser größter Partner im DACH-Raum ist IBM. Daneben gibt es klassische ECM-Systemintegratoren wie fme.

Wie beurteilen Sie die Anbieter- und Wettbewerbslandschaft auf dem deutschen ECM-Markt, in dem viele deutsche ECM-Lösungsanbieter unterwegs sind?

Mors: Der US-Markt ist generell offener für neuartige Lösungen wie der unseren. Was die Digitalisierung angeht, sind die USA schon ein paar Jahre voraus. Ansonsten sehen wir, wie Sie schon anmerkten, in Deutschland viele ECM-Anbieter, die es international nicht gibt. Deshalb muss man sich hier mit deutlich mehr Softwareprodukten auseinandersetzen und ihre Stärken und Schwächen kennen, als in anderen Ländern.

Wie hat die Corona-Krise Ihr Geschäft in den letzten Wochen und Monaten beeinflusst?

Mors: Die Covid-19-Pandemie war und ist nach wie vor hart für alle und es hat sich auch die Art zu arbeiten verändert. Was die Box-Nutzung betrifft, haben wir eine deutliche Steigerung festgestellt. Die stärkere Digitalisierung und das Arbeiten vom Home Office aus geben uns derzeit Rückenwind. Genau dieses Thema – wie kann ich von irgendwo sicher auf den Content zugreifen – unterstützen wir ja schon immer. Aktuell verzeichnen wir durch die Covid-19-Pandemie auch viel Aktivität insbesondere in der Pharmabranche. Viele Pharmaunternehmen nutzen unsere Lösung, um Studien und Ergebnisse auszutauschen und arbeiten gemeinsam daran.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.