Interview mit Christian Brestrich, B&L: Tipps für E-Rechnungen

Welchen Hauptnutzen sehen Sie in der Automatisierung der Rechnungsbearbeitung für Unternehmen?

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Brestrich: Beim Rechnungssteller überwiegen die strategischen Punkte und Prozessaspekte – dazu zählen zum Beispiel Einsparungen in der Durchlaufzeit, weniger Transaktionsfehler und Abstimmungen, aber auch eine höhere Kundenbindung. Tendenziell lassen sich auf der Empfangsseite die größeren Einsparungen realisieren. Besonders die Einsparungen in der Durchlaufzeit einer Rechnung und die minimierten Transaktionsfehler und Abstimmungsbedarfe spielen beim Rechnungsempfänger eine große Rolle. Auch die größere Transparenz durch ein elektronisches Rechnungseingangsbuch ist ein positiver Effekt.

Wie hoch sind die finanziellen Einsparungen, die Unternehmen mit der Automatisierung der Rechnungsbearbeitung erzielen können?

Brestrich: Eine pauschale Aussage zu den finanziellen Einsparungen wäre nicht seriös. Studien gehen davon aus, dass Einsparungen von bis zu 60 Prozent der Gesamtkosten pro Rechnung möglich sind. Eine tatsächliche Kosten-Nutzen-Kalkulation verlangt aber immer eine Auseinandersetzung mit den Randbedingungen und Gesamtprozessen des jeweiligen Unternehmens.

Auf welche Irrtümer stoßen Sie in der Praxis, wenn es um die Kosteneinsparung durch automatisierte Rechnungsbearbeitung geht?

Brestrich: Die größten Irrtümer hängen in der Regel mit zwei Themen zusammen: Portokosten und Skonto. Eine Portokosteneinsparung beim Rechnungssteller ist natürlich erreichbar, aber der tatsächliche Einsparungseffekt hängt stark davon ab, wie groß der Anteil der Portokosten an den Gesamtkosten einer Ausgangsrechnung ist. Beim Rechnungsempfänger wird immer wieder die bessere Skonto-Ausnutzung genannt. Ein automatisierter Rechnungsprozess bildet eine gute Grundlage für die schnellere Bearbeitung der Eingangsrechnungen. Nichtsdestotrotz müssen auch Buchhalter und Prüfer entsprechend in die Pflicht genommen werden, da natürlich auch eine elektronische Rechnung liegen gelassen werden kann und somit die Verbesserung der Skonto-Ausnutzung hinfällig wäre.

Anbieter von Lösungen zur Automatisierung der Rechnungsbearbeitung werben teilweise mit Zertifikaten zur Revisionssicherheit. Sind Unternehmen damit auf der sicheren Seite bezüglich Revisionssicherheit?

Brestrich: Diese Zertifikate sind schön, aber allein erstmal nutzlos. Revisionssicherheit ist keine technische Eigenschaft und kann somit auch nicht mit einem System gekauft werden. Die Zertifikate bilden eine gute Grundlage für den Aufbau einer revisionssicheren Lösung, aber es sind immer weitere – besonders organisatorische – Anforderungen zu erfüllen.

Wann ist ein Prozess für die automatisierte Rechnungsbearbeitung revisionssicher?

Brestrich: Revisionssicherheit ist ein Zusammenspiel aus Organisation und Technik. Je mehr Grundlagen eine entsprechende Software schafft, desto weniger müssen Sie sich mit der Organisation beschäftigen. Was allerdings immer erforderlich ist, ist eine Verfahrensdokumentation für den Rechnungsprozess. Diese beschreibt den Gesamtprozess technisch und fachlich und dokumentiert auch das Risikomanagement für den Ablauf. Dabei geht es vordergründig um die Erfüllung der verschiedenen gesetzlichen Anforderungen wie Vollständigkeit und Unveränderbarkeit – heißt: wie wird sichergestellt, dass z.B. bei allen Übertragungen und Bearbeitungsschritten keine Vorgänge verloren gehen.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen müssen automatisierte Rechnungsprozesse erfüllen?

Brestrich: Neben den gesetzlichen Vorgaben für Rechnungen und Archivierung aus HGB, AO und UStG sind besonders die GoBD – nämlich die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff – für automatisierte Rechnungsprozesse relevant. Die GoBD enthält alle grundsätzlichen Anforderungen der Finanzverwaltung an den elektronischen Rechnungsaustausch. Sie beinhaltet zum Beispiel Vorgaben zur elektronischen Archivierung, zur Sicherstellung der Unveränderbarkeit und Lesbarkeit, regelt aber auch die Digitalisierung von Papierrechnungen und die Vernichtung von Originalen. Ein enorm wichtiger Punkt der GoBD ist außerdem die mehrfache Forderung nach einer Verfahrensdokumentation.

Einige Anbieter (zum Beispiel Kyocera oder ELO) offerieren Out-of-the-box-Lösungen für die automatisierte Rechnungsbearbeitung, die keine zusätzliche Programmierleistung erfordern. Wie gut sind solche Lösungen?

Brestrich: Grundsätzlich sind diese Lösungen sehr gut nutzbar, da die Anforderungen an einen elektronischen Rechnungsprozess in den Unternehmen immer sehr ähnlich sind. Aus meiner Sicht betrifft das aber eben nur die grundsätzlichen Funktionalitäten – besonders im Bereich Prozessgestaltung ist es schwierig, einen Ablauf zu finden, der für alle Unternehmen gleich gut nutzbar ist. Das Ganze ist natürlich auch sehr stark abhängig von der Unternehmensgröße aber ich würde bei einer Marktbetrachtung solche Out-of-the-box-Lösungen auf jeden Fall mit einbeziehen.

Wie lauten Ihre wichtigsten Empfehlungen, die Sie Unternehmen und Organisation bei der Projektumsetzung in diesem Bereich geben?

Brestrich: Jedes Unternehmen sollte sich vor den ersten Gesprächen mit möglichen Anbietern ein klares Projektziel setzen und einige Grundsatzentscheidungen treffen. Eine dieser Entscheidungen ist die Einbeziehung von Dienstleistern oder die Anschaffung einer Inhouse-Lösung. Außerdem müssen die eigenen Anforderungen und Rahmenbedingungen wie die Anzahl der relevanten Rechnungen oder die vorhandene Lieferantenstruktur bekannt sein. Mit diesen Voraussetzungen können mögliche Anbieter angesprochen werden. Durch die detaillierte Vorarbeit erreicht man vergleichbare und vor allem auch belastbare Angebote.

Welche Fragen sollten potenzielle Anwender bei der Lösungsauswahl zur automatisierten Rechnungsbearbeitung den Anbietern unbedingt stellen?

Brestrich: Wie bereits gesagt, muss ein Anbieter konkret nach den vorher eruierten Anforderungen ihres Unternehmens gefragt werden. Das betrifft besonders auch die technischen Voraussetzungen wie vorhandene Systeme, die an eine neue Lösung mit angebunden werden sollen. Auch die gesamte Service- und Supportstruktur sollte nicht vernachlässigt werden. Sofern Sie sich für eine Lösung über einen Dienstleister entscheiden, müssen Sie unbedingt dessen Verfahrensdokumentation prüfen. Wenn der Dienstleister Teile Ihres Rechnungsprozesses übernimmt, hat auch er verpflichtend eine Verfahrensdokumentation für diesen Prozess zu erstellen.

Erfassungs- beziehungsweis Capture-Lösungen haben sich in den letzten Jahren enorm verbessert und preislich reduziert. Wie sinnvoll sind dann noch Standards wie ZUGFeRD?

Brestrich: Solange wir über Kopf- und Fußdaten reden, sind die Systeme mittlerweile tatsächlich sehr weit. Der große Vorteil der strukturierten Rechnungsdaten, die auch in ZUGFeRD enthalten sind, ist allerdings die elektronische Lieferung der Rechnungspositionen. Diese können ohne weitere manuelle Bearbeitung direkt in das Buchhaltungssystem Ihres Unternehmens importiert werden. Natürlich ist es auch möglich, mittels OCR-Erkennung die Rechnungspositionen auszulesen. Dabei ist die Erkennungsrate allerdings wesentlich geringer als bei Kopf- und Fußdaten. Insbesondere bei mehrseitigen Rechnungen stoßen die Systeme an gewisse Grenzen und für Ihre Mitarbeiter entstehen wieder manuelle Aufwände für die nachträgliche Überprüfung und Korrektur der erkannten Daten.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.