Magic Quadrant für Content Services Platforms von Gartner

So ordnet Gartner 18 internationale Anbieter für Content Services Platforms ein (Bild: Gartner)

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So ordnet Gartner 18 internationale Anbieter für Content Services Platforms ein (Bild: Gartner)

Zum vierten Mal betrachtet das Marktforschungsunternehmen Gartner im »Magic Quadrant for Content Services Platforms« Lösungen, die digitale Inhalte in Unternehmen verwalten, organisieren und aufbewahren. Gartner hat die zuvor verwendete Bezeichnung »Enterprise Content Management (ECM)« aufgegeben, weil diese nach Ansicht des Unternehmens zu sehr monolithisch und zu wenig auf  die Integration anderer Business-Anwendungen ausgerichtet war. CSPs bieten nach Gartners Definition Mitarbeitern die Möglichkeit, Inhalte auf moderne, nahtlose Weise über Geräte und Organisationsgrenzen hinweg abzurufen und mit ihnen zu arbeiten. Sie werden in andere Geschäftsanwendungen integriert, um den einfachen Zugriff zu unterstützen und Unternehmen gleichzeitig eine Möglichkeit zur Einhaltung von Datenschutz und digitalen Aufbewahrungsrichtlinien zu bieten. Jedoch bewegen sich auch Systeme, die im deutschsprachigen Raum immer noch unter ECM- beziehungsweise Dokumentenmanagement fallen, in die von Gartner beschriebene Richtung. Da viele Anbieter den von Gartner bezeichneten CSP-Markt schon seit Jahren bestimmen, ist die Frage, ob man wirklich von einer Verdrängung von ECM- und DMS-Anbieter durch CSPs sprechen kann. Unabhängig von den Begrifflichkeiten lohnt sich für Anwender von entsprechenden Lösungen der Blick auf die Betrachtung des Marktforschungsunternehmens.

Der genauen Platzierung im Magic Quadrant sollten Leser nicht unbedingt allzu viel Bedeutung schenken, sondern mehr dem, was das Unternehmen zu den einzelnen Herstellern und Lösungen schreibt. Viel Wert legt Gartner bei seiner Betrachtung beispielsweise auf eine gute internationale Abdeckung mit Support in möglichst vielen Ländern vor Ort, was aber nicht für jeden Anwendungsfall erforderlich ist. Großen Herstellern wie Microsoft kommen diese Bewertungskriterien entgegen.

Microsoft schneidet trotz geringer Funktionstiefe gut ab

Gartner stuft Microsoft mit seiner Microsoft 365-Plattform in diesem Magic Quadrant sogar als führend ein und bescheinigt dem Unternehmen die kompletteste Vision und beste Fähigkeit diese umzusetzen. Es schneidet auch deshalb so gut ab, weil Gartner viel Wert auf Cloud-und Collaboration-Funktionalitäten sowie Integrationsfähigkeiten legt. Die Microsoft 365-Plattform unterstützt laut Gartner die Produktivität der Mitarbeiter sowie eine breite Palette von Anwendungsfällen. Sie bietet Standard-Content-Service-Funktionen und eine tiefe Integration in das übrige Microsoft-Ökosystem.

Im vergangenen Jahr hat Microsoft die Information-Governance-Fähigkeiten in der Microsoft 365-Plattform verbessert, einschließlich eines kohärenteren Records Management-Pakets und einer Autoklassifizierung für Sensitivitätskennzeichnungen. »Microsoft Search« wurde ebenfalls zur Verfügung gestellt, um eine umfassendere Suche zu ermöglichen. Im Oktober 2020 hat der Hersteller »SharePoint Syntex«, ein Rahmenwerk zur Erfassung und Klassifizierung von Dokumenten veröffentlicht. Generell ist die Microsoft 365-Plattform in der Funktionsbreite sehr gut, jedoch nicht in der Funktionstiefe. Daher ist Microsoft von Drittanbietern abhängig, die die eigenen Funktionslücken wie im Capture-Bereich und bei der Compliance-gerechten Aufbewahrung ergänzen. Anwender sollten sich darüber im Klaren sein, dass eine revisionskonforme Archivierung gemäß beispielsweise GoBD erst möglich ist, wenn sie weitere Produkte, wie hier in unserer Übersicht dargestellt, im Einsatz haben. Beachten sollten sie außerdem, dass sich die Plattform zwar für die Anforderungen von kleinen und mittleren Unternehmen eignet. Sie ist aber nicht auf große Dokumentenvolumen und Transaktionen ausgerichtet, wodurch Skalierungsschwierigkeiten auftreten können.

CSP-Spezialist Hyland profitiert von Iron Mountain

Etwa gleich positioniert wie im vergangenen Jahr liegt hinter dem IT-Konzern Microsoft der CSP-Spezialist Hyland, bei dessen Einschätzung die kürzlich erfolgte Akquisition des Wettbewerbers Alfresco noch nicht berücksichtigt ist. Im Magic Quadrant bezieht sich Gartner auf die ECM-Suite »OnBase«, obwohl Hyland beispielsweise auch das besonders im DACH-Raum populäre und ebenfalls akquirierte »Saperion« führt. Positiv betrachtet Gartner die Integrationstiefe zu Drittprodukten wie Salesforce, SAP und Oracle sowie Hylands Branchenexpertise bei beispielsweise Finanzdienstleistungen, Versicherungen und im Gesundheitswesen. Hervorgehoben werden auch die Möglichkeiten, die sich aus der Partnerschaft mit Iron Mountain bei »Governance Rules as a Service (GRaaS)« ergeben. Hierbei handelt es sich laut Gartner um ein äußerst differenziertes Angebot, das es Endbenutzern ermöglicht, Aufbewahrungsregeln direkt in Onbase auf der Grundlage der aktuellen Gesetzgebung zu implementieren und zu pflegen. Dies hilft bei der Umsetzung von gesetzlichen Anforderungen in tatsächliche, konfigurierte und ausführbare Arbeitsrichtlinien.

Bemängelt wird dagegen das Cloud-Angebot von Hyland, das hinter dem einiger anderer Marktführer liegt. So gibt es keine SaaS- oder PaaS-Self-Service-Bereitstellungsoptionen für Onbase, was die Hosting- und Verwaltungskosten erhöhen kann. Eine mandantenfähige SaaS-Plattform ist zumindest für Nordamerika noch in diesem Jahr geplant. Jedoch ist die erste Version zunächst auf eine Anwendung im Capture-Bereich beschränkt. Negativ schlagen auch eine komplexe Kostenstruktur und hohe Kosten sowie eine schwache Präsenz außerhalb Nordamerikas zu Buche.

Opentext rutscht trotz zahlreicher Entwicklungen ab

Trotz einer sehr starken globalen Abdeckung, eines hohen Funktionsumfangs und einer sehr guten strategische Ausrichtung bei SaaS-Leistungen und Container-Technologien ist OpenText zwar noch im Leaders-Quadranten aber mit etwas Abstand zu Hyland und niedriger als im vergangenen Jahr eingeordnet. Auf der Negativseite führt Gartner auf, dass sich bei Opentext mehr Kunden als bei jedem anderen Anbieter über die schwierigen Verhandlungen bei Vertragsabschlüssen und –verlängerungen beschweren. Außerdem gelte es auf die Effektivität der Inhaltsermittlung durch die Content-Intelligence-Plattform »Magellan« zu achten, die KI-Techniken beinhaltet. Gartner empfiehlt Projektleitern, sich mit Magellan-Referenzkunden auszutauschen, um die Machbarkeit des eigenen Projekts besser abschätzen zu können. Negativ wiegen auch die Aussagen von befragten Opentext-Kunden hinsichtlich der Komplexität ihrer Content-Services-Projekte, die über die Anderer hinausgehen.  Zum Teil liegt dies an der umfangreichen Palette an funktionalen Services, die unter das Branding der »Extended ECM« fallen, zum Beispiel zur Erfassung, Archivierung und Integration von Geschäftszweigen und vertikalen Lösungen. So zeigten sich in der Praxis verschiedene Produkte aus dieser Reihe mit unterschiedlichen Benutzeroberflächen, denen ein gemeinsames Design fehlt.

Box: weniger eigenes aber auf einer Höhe mit Opentext

Etwa gleichauf mit Opentext ordnet Gartner das Angebot von box ein, die aus dem File-Share-and-Sync-Bereich stammen. Das Marktforschungsunternehmen lobt die einfache Anwendung des SaaS-Angebots und die Offenheit. So ist es leicht möglich, eigen entwickelte Anwendungen zu integrieren und Geschäftspartner einzubinden, um gemeinsam Inhalte zu bearbeiten. Außerdem verfügt Box über viele Schnittstellen und Konnektoren zu Drittapplikationen, die sich ebenfalls leicht hinzufügen lassen. Kritisiert werden bestimmte CSP-Schlüssel-Features wie Records Management und Workflow-Funktionen, mit denen sich einige Anforderungen nicht gut abdecken lassen.

Daneben sieht Gartner Beschränkungen in den Datenhaltungsmöglichkeiten der Cloud-Lösung: Die dem Modul »Box Zones« innewohnenden Möglichkeiten der Datenresidenz sind auf den Inhalt beschränkt. In Box gespeicherte Metadaten werden zusammen mit dem Rest der Steuerungsebene in den US-Rechenzentren des Anbieters gespeichert. Da Metadaten und Klassifizierungsfähigkeiten innerhalb der Plattform wachsen, könnte dies für internationale Organisationen mit strengen gesetzlichen Anforderungen bezüglich der Datenaufbewahrung zu einem Problem werden.

IBM verliert stetig an Bedeutung

IBM, der zu den wenigen CSP-Anbietern zählt, der Marktanteile verliert, ist im Vergleich zum vergangenen Jahr deutlich in der Bewertung abgefallen. Gute Fähigkeiten bescheinigt Gartner IBM bei Low-Code-Applikationen, der Prozessautomatisierung und dem maschinellen Lernen. Jedoch werden die Produkte »Cloud Pak for Automation« oder »FileNet Content Manager« von vielen Kunden nicht mehr als strategische Plattformen betrachtet. Vielmehr sehen sie sich auch aufgrund des schlechten Supports sogar nach Alternativen um. Hinzu kommt eine schlechte marketingtechnische Unterstützung, die mangelnde Transparenz bei Produktinformationen beinhaltet. Zudem wurde der Produktbereich in den letzten vier Jahren dreimal umbenannt: von  Enterprise Content Management (ECM), zu »IBM Automation Platform for Digital Business«, und nun zu »Cloud Pak for Automation«.

Kyocera Document Solutions gewinnt durch Everteam

Nach einigen Zukäufen verfügt Kyocera Document Solutions über ein recht großes CSP-Portfolio, zu dem auch die in Deutschland ansässigen Anbieter Ceyoniq Technology und OPTIMAL SYSTEMS gehören. Jedoch bezieht sich die Betrachtung von Gartner hauptsächlich auf die Produkte des Anfang des Jahres akquirierten französischen Unternehmens Everteam, das im DACH-Raum wiederum weniger bekannt ist. Somit hat Kyocera inzwischen ein überlappendes Portfolio, bei dem noch nicht so recht klar ist, wie der weitere Fahrplan aussieht. Kunden sollten dies, wie Gartner empfiehlt, bedenken, wenn sie in ein bestimmtes Produkt investieren.

M-Files überzeugt in aktiver Dokumentennutzung

M-Files ist ein gut positionierter Visionär in diesem magischen Quadranten. Sein CSP mit der Bezeichnung »M-Files Online« ist für den Einsatz vor Ort oder als mandantenfähige SaaS-Lösung verfügbar. M-Files ist in der Lage, eine große Anzahl von externen Repositorys, einschließlich »SharePoint«, Dateisysteme und altbekannte CSP-Lösungen wie Opentext, einzubinden. Organisationen, die große Mengen von Inhalten in verschiedenen Repositories konsolidieren (aber nicht unbedingt sofort ersetzen) wollen, werden diesen Ansatz zu schätzen wissen. Gut ist M-Files auch bei der Integration von KI, was insbesondere im Capture- und Klassifizierungsbereich hilft. Eine gute Auswahl bescheinigt Gartner zudem bei vertikalen und funktionalen Lösungen wie für Verträge, Personal- und Qualitätskontrolle sowie Beratungsangebote für Kreditorenbuchhaltung und Recht.

Während sich M-files gut für die aktive Nutzung gespeicherter Dokumente in Verbindung mit Geschäftsprozessen eignet, ist es weniger für die Langzeitarchivierung optimiert. Als weiteren Kritikpunkt äußerten Nutzer eine komplexe Benutzerführung für relativ einfache Vorgänge.

SER mit gutem Redesign der Bedienoberfläche

Der deutsche CSP-Anbieter SER wird zum fünften Mal im Magic Quadrant aufgelistet und als guter Visionär eingeordnet. Das komplette Redesign der webbasierten Bedienoberfläche der ECM- und CSP-Plattform »Doxis4« stellt eine starke Verbesserung im Vergleich zur Betrachtung im letzten Jahr dar. Gelobt wird das Produkt auch für die vielen Bereitstellungsoptionen rund um Cloud, Hybrid und On Premises sowie für seine Machine-Learning-Funktionalität. Mit den »Cognitive Services« können Kunden automatisiert Erkenntnisse aus ihren Daten gewinnen und mit ihrer Hilfe Prozesse noch stärker automatisieren, den Kundenservice verbessern oder Risiken aufdecken.

Gartner moniert vor allem die geringe Präsenz auf dem US-Markt. Zudem bewerteten Kunden laut Gartner die Doxis4-Lösung teilweise als komplex, was zu längeren Implementierungszyklen in Großprojekten führen kann. Noch Potenzial sieht das Marktforschungsunternehmen im Hinblick auf die Federation-Fähigkeiten über die Suche und Archivierung hinaus.

Docuware ist stationär und bei SaaS gleichwertig

Der deutsche Anbieter DocuWare gehört seit letztem Jahr zur Ricoh-Gruppe, agiert aber weiterhin eigenständig. Das Unternehmen verfügt über eine bewährte SaaS-Plattform, deren Lösungen gleichwertig mit den On-Premises-Produkten sind, so dass Kunden beide ohne Einbußen bei der Leistungsfähigkeit einsetzen können. Mittelständische Kunden, die horizontale Prozesse wie Kreditorenbuchhaltung, Supply Chain und Personalwesen automatisieren wollen, schätzen entsprechend vorkonfigurierte Geschäftslösungen. Im Gegensatz zur komplexen Benutzerführung bei anderen führenden CSP-Produkten, können Verwaltung, Workflow-Design, Formularerstellung und Planung des Records Management mit Docuware von einem einzigen webbasierten Verwaltungstool aus durchgeführt werden. Trotz der guten Benutzerführung, die für Organisationen mit begrenzter IT-Kapazität besonders wertvoll ist, macht Gartner auf ein etwas veraltetes Design der Benutzeroberfläche aufmerksam. Zudem seien die mobilen Möglichkeiten auf die grundlegenden CSP-Funktionen wie das Dokumentenmanagement beschränkt. Kunden sollten das Produkt zunächst mit Demos, Proofs of Concept (POCs) und möglichen Piloten evaluieren, um sicherzustellen, dass es die steigenden Erwartungen der Anwender an ein verbraucherfreundliches Erlebnis erfüllt.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.