Medienbruchfrei per QES, FES, Wallets und Siegel
Mit elektronischen Signaturen, Identity Wallets und digitalen Siegeln lassen sich Vertrags- und Geschäftsprozesse ebenso wie Behördenvorgänge medienbruchfrei und rechtssicher digitalisieren. Was heute bereits technisch möglich ist – und wo noch Herausforderungen liegen.
Effiziente Vertragsbearbeitung
Inhalt dieses Artikels
Ein unterschriftsreifer Vertrag liegt bereit – aber der zuständige Geschäftsführer ist auf Dienstreise. Das Dokument wird ausgedruckt, eingescannt, per E-Mail verschickt, unterschrieben, erneut gescannt und abgelegt – ein Vorgang, der sich leicht über Tage ziehen kann. Dabei wäre die Lösung längst verfügbar: Elektronische Signaturen ermöglichen rechtsgültige, sichere und sofortige Unterzeichnungen – unabhängig von Ort und Zeit. Im Zusammenspiel mit einem strukturierten Vertragsmanagement lassen sich so nicht nur Prozesse beschleunigen, sondern auch Risiken reduzieren und Compliance verbessern.
Dass Vertragsmanagementlösungen erheblich von der Integration qualifizierter elektronischer Signaturen profitieren können, bestätigt auch Franziska Feuchter, Produktmanagerin Solutions bei ELO Digital Office: »Ist eine Signaturlösung direkt angebunden, entfallen Medienbrüche vollständig: Verträge können direkt aus dem System heraus zur Unterschrift versendet und nach erfolgter Signatur automatisch wieder im System abgelegt werden. Das spart nicht nur Zeit, sondern reduziert auch den manuellen Aufwand erheblich – also kein Versenden mehr per E-Mail oder Post.«
Vertragsmanagement mit elektronischer Signatur
Franziska Feuchter, Produktmanagerin Solutions, ELO Digital Office (Bild: ELO Digital Office)
Mit »ELO for DocuSign« bietet der ECM-Hersteller eine integrierte Lösung, die folgendermaßen funktioniert: Der Anwender schickt das zu unterzeichnende Dokument über den Button »Digital signieren« an Docusign. Der Unterzeichner erhält daraufhin eine E-Mail mit einem Link, über den er zur Unterschrift in das Portal von Docusign gelangt. Währenddessen ist das Dokument für andere Bearbeiter gesperrt. Nach Abschluss des Prozesses legt das ECM-System das signierte Dokument als neue Version ab.
Sollen mehrere Personen unterschreiben, können sie die Unterschrift in beliebiger Reihenfolge leisten. Zudem lässt sich das Dokument an jeder Stelle signieren, und zwar sowohl durch die fortgeschrittene elektronische Signatur (FES) – inklusive systemseitiger Authentifizierung und Identifizierung anhand kryptografischer Verfahren – als auch die qualifizierte elektronische Signatur (QES).
Integrierte Signaturmodule sind im Kommen
Lösungsmodule zum elektronischen Signieren wie das von ELO bieten inzwischen vermehrt Anbieter von Vertragsmanagementlösungen an. In diesem Zusammenhang bestätigt auch Timo Krause, Produktmanager bei Ceyoniq: » Wir merken, dass viele Unternehmen noch nicht zufrieden mit dem Markt der Signaturlösungen waren und erleben eine gute Nachfrage nach unserer integrierten Lösung. Die Integration direkt in das DMS erleichtert den Umgang mit digitalen Signaturen in Unternehmensprozessen enorm und vereinfacht insbesondere das Dokumentieren und Ablegen der unterzeichneten Dokumente.«
Signaturen nur da, wo erforderlich
Marc-Björn Seidel, Senior Berater, Zöller & Partner (Bild: Zöller & Partner)
Jedoch lassen sich auch Signaturlösungen individuell an Vertragsmanagement- oder andere Softwaresysteme anbinden. Hierzu bieten Signaturanbieter von QES oder FES oft entsprechende APIs für die Übergabe von Dokumenten aus anderen Anwendungen an. In der Regel kommt heute PDF als Containerformat für die signierten Dokumente zum Einsatz, während die Entwürfe häufig als Office-Dokumente vorliegen.
Prinzipiell sollten sich Anwender überlegen, wo welcher Unterschriftstyp erforderlich ist. Aus seinem Projektalltag weiß Marc-Björn Seidel, Senior Berater beim ECM-Beratungsunternehmen Zöller & Partner, dass häufig vorschnell die Schlussfolgerung lautet, überall, wo bisher Namenszüge standen, müsse zukünftig eine FES oder sogar QES erfolgen: »Eine QES muss nur dann zwingend eingesetzt werden, wenn regulatorisch die Schriftform gefordert wird und überdies die QES als Ersatz für die eigenhändige Unterschrift zugelassen ist. Da die Lösungskomplexität, der Implementierungs- aber auch der Betriebsaufwand beim Einsatz von FES und QES steigen, sollte im Projekt individuell ermittelt werden, welche Signaturvariante(n) zum Einsatz kommen sollen beziehungsweise müssen.« Im Artikel »Fortgeschrittene und qualifizierte elektronische Signatur« erklären wir die drei verschiedenen Signaturniveaus inklusive den Abläufen und Einsatzszenarien im Detail.
Nachteile von elektronischen Signaturen
Obwohl elektronische Signaturen viele Vorteile bieten, gibt es auch Nachteile. So besteht eine technische Abhängigkeit, da ein funktionierendes digitales System vorhanden sein muss. Nicht jede Lösung ist intuitiv und nicht jeder Nutzer bereit oder fähig sie zu bedienen. Gerade für QES fallen Kosten an und es besteht unter anderem durch Identitätsnachweise ein gewisser Aufwand bei der Einrichtung. Zudem ist man an Anbieter von Signaturverfahren wie Docusign oder Adobe gebunden, da die Lösungen nicht herstellerübergreifend funktionieren. Meist ist auch für jeden Vertragsanbieter ein neuer Identitätsnachweis nötig.
Meist bedeutet, dass es nicht zwingend so sein muss. Mit einer Identity Wallet lassen sich Identitätsnachweise hinterlegen und für weitere QES-Fälle wiederverwenden. Allerdings ist man als Nutzer auch an den jeweiligen Anbieter gebunden und nur zeitlich befristet authentifiziert. Docusign stellte bereits Anfang 2024 eine entsprechende Lösung vor. Auch IDnow und netID kooperieren zwecks Identity Wallet.
Identity Wallet EUDI
Identity Wallets könnten bald stärker in den Fokus rücken, wie Krause darlegt: »Identity Wallets sind ein spannendes Zukunftsthema im Kontext von DMS und CLM, das wir aktiv beobachten. Aktuell sehen wir jedoch noch geringe Nachfrage und begrenzte operative Relevanz. Mit dem Rollout der EU Digital Identity Wallet (EUDI) erwarten wir eine Dynamisierung.«
EUDI ist ein zentrales Element der novellierten EU-Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste eIDAS 2.0. Es soll Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen eine sichere Identifizierung online und offline sowie die Nutzung von Authentifizierungsdiensten in der gesamten EU ermöglichen. EUDI-Wallets sollen voraussichtlich ab Anfang 2027 zur Verfügung stehen.
Uwe Stelzig, Managing Director DACH bei IDnow, bestätigt die zunehmende Relevanz: »Wir erleben in Projekten, dass Identity Wallets – insbesondere im Kontext der bevorstehenden eIDAS 2.0-Verordnung – immer stärker an Bedeutung gewinnen. Die eIDAS 2.0 sieht die Einführung einer europaweit einheitlichen »European Digital Identity Wallet« vor, mit der Bürgerinnen und Bürger ihre Identitätsdaten, Führerscheine, Zeugnisse oder auch Zahlungsinformationen sicher digital speichern und flexibel nutzen können. Das Ziel: Eine nahtlose, grenzüberschreitende Identitätsnutzung über verschiedenste Anwendungsfälle hinweg – etwa für die Kontoeröffnung, den Abschluss von Verträgen oder die Altersverifikation.«
Uwe Stelzig, Managing Director DACH bei IDnow (Bild: IDnow)
eIDAS für elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste
Stelzig kann bereits heute ein erfolgreiches Wallet-Praxisbeispiel anführen und die positiven Auswirkungen von eIDAS 2.0 beschreiben: So erlaubt ein Mobilitätsanbieter seinen Nutzenden, sich mit wenigen Klicks per Wallet zu identifizieren und sofort ein Auto zu mieten – ganz ohne manuelle Prüfungen oder Wartezeiten. Mit eIDAS 2.0 wird diese Nutzerfreundlichkeit und Interoperabilität künftig noch weiter verbessert, da digitale Identitäten europaweit anerkannt und genutzt werden können. Das eröffnet Unternehmen neue Möglichkeiten, ihre Dienstleistungen digital, sicher und ohne Medienbrüche anzubieten – und das über Ländergrenzen hinweg.e
Ein weiteres Thema, das eIDAS unter anderem neben Signaturen und Wallets regelt, sind elektronische Siegel. Im Gegensatz zu den persönlichen Signaturen QES und FES, die einer natürlichen Person zugeordnet sind, repräsentiert das elektronische Siegel zum Beispiel eine juristische Person oder Organisation des öffentlichen Sektors – ähnlich wie ein Firmenstempel mit Unterschriftscharakter. Laut Seidel ist dessen Verbreitung in den öffentlichen Verwaltungen sowie im Rechts- und Justizwesen noch moderat.
Dagegen kann Stelzig schon einige Fallbeispiele nennen: »Elektronische Siegel kommen bei unseren Kunden häufig zum Einsatz, wenn es um die digitale Ausstellung von Bescheinigungen, Rechnungen oder amtlichen Dokumenten geht. Ein Praxisbeispiel der Zukunft könnte sein: Eine Stadtverwaltung nutzt elektronische Siegel, um digitale Meldebescheinigungen auszustellen, die Bürger direkt online anfordern und herunterladen können.« Dies spare nicht nur den Gang zum Amt, sondern beschleunige auch interne Prozesse. Im Unternehmensumfeld werden elektronische Siegel laut Stelzig bereits eingesetzt, um zum Beispiel Massenrechnungen automatisiert und rechtssicher zu signieren – das ist besonders für Buchhaltungen mit hohem Volumen ein Effizienzgewinn.
Fazit
Elektronische Signaturen, Identitätsnachweise und Siegel können heute schon elektronisch und rechtssicher erfolgen. Sie beschleunigen Vertragsabschlüsse und dokumentenbasierte Prozesse von Unternehmen, Privatleuten und Behörden. Jedoch müssen die Nutzerinnen und Nutzer bereit sein, entsprechende digitale Systeme zu nutzen, dafür zu zahlen und ihre persönlichen Daten digital zu hinterlegen. Dies erfordert ein gewisses technisches und rechtliches Know-how sowie hohen Datenschutz.
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