Vertragsmanagement: Interview mit Kai Stübane, Docusign
Der Managing Director DACH von Docusign Kai Stübane erachtet Vertragsmanagement als zentralen Hebel für die Produktivität von Unternehmen. Er stützt sich dabei auf die Ergebnisse einer Umfrage von Deloitte und Docusign unter Führungskräften.
Wie verändert Künstliche Intelligenz Lösungen für das Vertragsmanagement und die Vertrauensdienste?
Kai Stübane: Beim Thema digitale Vertragsabschlüsse denken viele zuerst an elektronische Unterschriften. Doch die Signatur ist lediglich ein Schritt – der eigentliche Aufwand liegt davor und danach. Genau hier spielt Künstliche Intelligenz ihre Stärken aus: beim Prüfen, Verhandeln, Anpassen und Überwachen von Verträgen. KI unterstützt dabei, Risiken frühzeitig zu erkennen, Inhalte präzise zu analysieren und Prozesse effizienter zu gestalten. Was früher reine Verwaltung war, wird so zu einem echten geschäftlichen Mehrwert.
Wie zeigt sich das in der Praxis?
Stübane: Unternehmen, die unser KI-gestütztes Vertragsmanagement über die »Intelligent Agreement Management« (IAM)-Plattform nutzen, agieren schneller, treffen fundiertere Entscheidungen und steigern ihre Wettbewerbsfähigkeit. Unser speziell für den deutschen Markt entwickeltes KI-Modell ist seit einigen Monaten im Einsatz – zuvor wurde es bereits erfolgreich in den USA etabliert. Die Technologie ermöglicht es etwa, Verträge automatisch an neue Regulierungen und aktuelle Gesetze, wie beispielsweise das Geldwäschegesetz (GwG) anzupassen. Docusign bietet eine GwG-konforme Fernidentifizierung über IDnow an. Unterzeichner können den IDnow VideoIdent- oder eID-Service nutzen, um ihre Identität zu überprüfen. Diese Lösung unterstützt eine qualifizierte elektronische Signatur (QES), die strenge Sicherheitsstandards erfüllt. Auch bestehende Verträge geraten nicht in Vergessenheit, sondern werden kontinuierlich auf potenzielle – auch neu auftretende – Geschäftsrisiken hin überprüft. Überhaupt werden Informationen aus alten Verträgen damit erst wirklich nutzbar. Darüber hinaus hilft KI bei der automatisierten Erstellung standardisierter Verträge.
Was verändert sich dadurch im Vertragsprozess?
Stübane: Docusign Intelligent Agreement Management (IAM) ist die nächste Generation der Vertragstechnologie. Mit dieser Plattform gehören manuelle Schritte und nicht verbundene Systeme der Vergangenheit an. Ich skizziere kurz drei Möglichkeiten, wie Docusign IAM helfen kann, Vertragsworkflows individuell anzupassen und den gesamten Vertragsprozess zu verbessern:
Docusign Navigator ist ein leistungsstarkes Repository, das künstliche Intelligenz einsetzt, um bei der schnellen Beantwortung von Fragen zu Vertragsinhalten zu helfen. Es bietet einfache Filter, mit denen Kataloge sofort nach Vertragspartei, Datum, monetärem Wert und mehr sortiert werden können. Die generative KI-Funktion kann zudem Zusammenfassungen langer oder komplexer Vertragsbestandteile erstellen.
Docusign Maestro definiert einen Standard-Vertragsworkflow, der Schritte wie die Identitätsprüfung und die elektronische Signatur umfasst. Außerdem können für jeden Schritt Bedingungen für den Abschluss festgelegt werden. Sobald ein Schritt abgeschlossen ist, startet Maestro den nächsten. Personen, die benachrichtigt werden müssen, erhalten automatisch eine Mitteilung. Alle Eigenschaften, die im nächsten Schritt erfolgen – wie elektronische Signatur, Ausweisüberprüfung – sind automatisch mit dem Prozess verbunden. Sobald der Prozess in Maestro abgebildet ist, werden Verträge so nahtlos wie möglich von einem Ende zum anderen bewegt.
Das Docusign App Center ermöglicht es, dass ein Vertrag von der Erstellung über die Verhandlung, Unterzeichnung, Ausführung und Verlängerung auf derselben Plattform gespeichert wird, anstatt immer wieder angehängt, hochgeladen, neu formatiert und wieder hochgeladen werden zu müssen. Team-Ressourcen werden so gespart, da Informationen nicht mehr zwischen vielen unzusammenhängenden Tools hin- und her verschoben werden. Docusign IAM erhöht so die Möglichkeiten der Versionskontrolle von Verträgen mit einer einzigen, cloudbasierten Version eines Dokuments, das immer auf dem neuesten Stand ist. Lokale Entwickler können mit dem Docusign Developer-Center Apps erstellen, testen und im App Center veröffentlichen.
„Beim Thema digitale Vertragsabschlüsse denken viele zuerst an elektronische Unterschriften. Doch die Signatur ist lediglich ein Schritt – der eigentliche Aufwand liegt davor und danach.“
Welche neuen Funktionen verzeichnet Docusign ansonsten?
Stübane: Docusign führt in diesem Jahr eine neue KI-Engine namens »Docusign Iris« ein. Docusign Iris ist auf Verträge zugeschnitten und basiert auf Docusigns mehr als 20-jähriger Erfahrung mit Verträgen. Über den gesamten Vertragsprozess hinweg wählt Docusign Iris die richtigen KI-Modelle für bestimmte Anwendungsfälle aus. Das bedeutet, dass Verträge in lokalen Sprachen bearbeitet, geprüft und analysiert werden können – und demnach nicht nur übersetzt, sondern auch tiefgehend verstanden werden.
Wie gestaltet sich die Nachfrage nach Vertrauensdiensten und Vertragsmanagementlösungen? Was wird wofür am stärksten nachgefragt?
Stübane: Die Nachfrage nach Vertrauensdiensten und digitalen Vertragsmanagementlösungen ist mit zunehmend digitalen Arbeitsprozessen kontinuierlich gestiegen. Unternehmen aller Größenordnungen suchen nach Wegen, ihre Vertragsprozesse effizienter, sicherer und gesetzeskonform zu gestalten. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht von Deloitte und Docusign zeigt, dass Vertragsmanagement ein zentraler Hebel für die Produktivität und das Wachstum von Unternehmen ist, weil damit manuelle Prozesse, unzusammenhängende Arbeitsabläufe sowie Compliance- und Sicherheitsprobleme unmittelbar angegangen werden. 77 Prozent der befragten Führungskräfte führen ihren Erfolg in Kernbereichen ihres Geschäfts auch auf Software, Tools und Arbeitsabläufe für das Vertragsmanagement zurück. Zudem beschleunigt eIDAS 2.0 und die damit verbundene EUDI-Wallet in der EU die Einführung von elektronischen Signaturen und setzt gleichzeitig hohe Sicherheitsstandards bei der digitalen Identitätsprüfung – oft in Verbindung mit Signaturprozessen.
Kommen Identity Wallets verstärkt zum Einsatz und erleichtern sie die Nutzung von elektronischen Signaturen?
Stübane: Die Europäische Union revolutioniert mit der EUDI-Wallet den digitalen Identitätsnachweis für mehr als 400 Millionen EU-Bürger. Diese innovative Cyberwallet ist eine persönliche digitale Geldbörse, mit der Bürger sich in der EU digital ausweisen und Verträge rechtsgültig unterzeichnen können. Bis zum Jahr 2026 muss jeder EU-Mitgliedsstaat ein Wallet für seine digitalen Ausweise bereitstellen. Die EUDI-Wallet ermöglicht eine staatlich geprüfte digitale Identität und geht damit beim Schutz sensibler Daten mittels mehrschichtiger Sicherheitssysteme noch einen Schritt weiter. Docusign unterstützt diesen Standard bereits heute durch die Integration der EUDI-Wallet in seine Signaturprozesse. Im Anwendungsfall der elektronischen Unterschrift verbessert die Verwendung einer Digital Identity Wallet zur Überprüfung, ob die richtige Person den Vertrag unterzeichnet, die bestehenden Methoden zu Zwei-Faktor-Authentifizierung und E-Signatur.