KI-gestützte Archivierung bei neuer Fristenregelung
DMS- und ECM-Systeme sind strategische Hilfen, wenn es um die Compliance-gerechte und die seit diesem Jahr hier aufgeführten neuen Aufbewahrungsfristen von Buchungsbelegen geht. KI verstärkt die Möglichkeiten, aber birgt auch Gefahren.
Verkürzte Aufbewahrungsfristen in Deutschland
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Unternehmen jeder Größe und auch Selbstständige sind in Deutschland verpflichtet, Buchungsbelege entsprechend bestimmter Fristen aufzubewahren. Seit Anfang des Jahres haben sich die Aufbewahrungsfristen durch das vierte Bürokratieentlastungsgesetz verändert. Es sieht eine Fristverkürzung der handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen von zehn auf acht beziehungsweise nur sechs Jahren vor.
Gesetzlich sind die wichtigsten Aufbewahrungsfristen für jeden, der nach Steuer- oder Handelsrecht zum Führen von Büchern und Aufzeichnungen verpflichtet ist, in der Abgabenordnung (AO), im Handelsgesetzbuch (HGB) und im Umsatzsteuergesetz (UStG) festgelegt. Wie dies auf digitale Weise regelkonform funktioniert, haben die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) zusammengefasst. Wer sich an die entsprechenden Anweisungen hält, kann selbst Papierunterlagen nach deren Digitalisierung vernichten und spart so einiges an Platz. Über die handels- und steuerrechtlichen Vorgaben hinaus gibt es beispielsweise im medizinischen Bereich, in der öffentlichen Verwaltung und im Bauwesen bestimmte branchen- oder anwendungsspezifische Aufbewahrungspflichten von Dokumenten.
Welche Belege wie lange aufzubewahren sind
Konkret hat sich durch das vierte Bürokratieentlastungsgesetz die Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege sowie Aus- und Eingangsrechnungen von zehn auf acht Jahre verkürzt. Dokumente wie empfangene Handels- oder Geschäftsbriefe und sonstige Unterlagen, die für die Besteuerung wichtig sind, müssen nur noch sechs Jahre aufbewahrt werden. Für Lieferscheine können sowohl sechs als auch acht Jahre gelten: Stellt ein Lieferschein Teil eines Rechnungs- oder Buchungsbelegs dar, ist er acht Jahre aufzubewahren. Geht es nur um die Dokumentation – beispielsweise bei Warenbegleitscheinen, Frachtbriefen oder Packlisten – gilt er als Handelsbrief und ist sechs Jahre aufzubewahren.
Auch bei geschäftlichen E-Mails variiert die Aufbewahrungspflicht. Wird in einer E-Mail eine Rechnung verschickt und enthält sie ergänzende rechnungsbezogene Informationen, wie Stundennachweise oder Informationen zu Rabatten, ist sie wie die Rechnung selbst acht Jahre aufzuheben. Sind keine weiteren Infos in der E-Mail enthalten und stehen hier beispielsweise nur eine Anrede und die Info, dass sich die Rechnung anbei befindet, muss nur die angehängte Rechnung, aber nicht die E-Mail aufbewahrt werden. Geht es in der E-Mail um die Abwicklung eines Geschäfts, ist sie sechs Jahre zu speichern. Schickt man E-Mails, in denen keine buchungsrelevanten geschäftlichen Bezüge, sondern beispielsweise Dankesschreiben, Geburtstags- oder Weihnachtsgrüße enthalten sind, können diese E-Mails direkt gelöscht werden.
Auch die Löschung ist verpflichtend
Ebenso ist zu beachten, dass es nicht nur die Aufbewahrungs-, sondern auch die Löschpflicht nach Ablauf der geltenden Fristen gibt. Die Löschung muss revisionssicher und nachvollziehbar erfolgen – also so, dass die Dokumente komplett gelöscht und gegebenenfalls auch physisch vernichtet werden, sodass niemand mehr darauf zugreifen kann. Eine Löschpflicht gilt auch gemäß der DSGVO. Sie tritt nach Ablauf der jeweiligen Zweckbindung und bestimmte rechtlichen Aufbewahrungsfristen für personenbezogene Daten ein. Dies betrifft beispielsweise Bewerbungen, Personalakten und Kundendaten.
Die Aufbewahrungs- und Löschregeln manuell zu bewältigen, ist ein enormer Aufwand. Viel einfacher funktioniert dies mit DMS- und ECM-Systemen. Sie können digitale Dokumente nach definierten Regeln rechtskonform aufbewahren und vernichten. Dies trägt zur Einhaltung der entsprechenden Vorgaben, zu mehr Datenschutz und weniger Speicherbedarf bei.
KI kann die Compliance verbessern
Obwohl die Steuerung der Aufbewahrung von Dokumenten schon lange zu den Grundfunktionalitäten von DMS und ECM-Systemen zählt, kann künstliche Intelligenz auch hier Vorgänge beschleunigen und vereinfachen. Philipp Braun, Product Owner bei ELO Digital Office, bestätigt: »In der ELO ECM Suite lassen sich Aufbewahrungsfristen ganz ohne KI-Unterstützung verwalten und anpassen. KI kann aber auch hier helfen, da diese Dokumenteninhalte analysieren, verstehen und ein Dokument darauf basierend mit den gesetzlichen Aufbewahrungsfristen abgleichen kann.«
Im Zusammenhang mit der Reduzierung der Aufbewahrungspflicht auf acht oder sechs Jahre stellt KI daher ebenfalls eine große Hilfe dar. »Kürzere Aufbewahrungszeiten bedeuten weniger Speicherkosten, aber nicht unbedingt, dass die Einhaltung der Löschpflichten einfacher wird. Die operative Herausforderung besteht darin, korrekt zu unterscheiden, welche Dokumente nach acht Jahren gelöscht werden dürfen und welche weiterhin zehn Jahre aufbewahrt werden müssen«, führt Jens Büscher, Gründer und CEO von Amagno aus.
Prüfmechanismen sorgen für Revisionssicherheit
Doch gerade wenn es um rechtliche Vorgaben geht, sollte die Automatisierung durch KI ergänzenden Prüfmechanismen unterzogen werden. So gibt auch Arsalan Minhas, Associate Vice President of Sales Engineering for EMEA & APAC bei Hyland, zu bedenken: »Je nachdem, wie sie implementiert und gesteuert wird, kann KI-basierte Automatisierung die Rechtskonformität einer Archivierungslösung nach den GoBD-Grundsätzen in Deutschland sowohl gefährden als auch verbessern.« Der Einfluss von KI auf Compliance-Maßnahmen hängt nach Minhas Überzeugung entscheidend von einer robusten Implementierung ab. »Dazu gehören sichere, transparente und prüfbare Automatisierungsprozesse, die die Integrität der Originaldaten bewahren. Bei richtiger Anwendung ist KI ein leistungsstarker Enabler für Compliance, reduziert Risiken und steigert die Effizienz von Archivierungslösungen«, so Minhas.
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