Die häufigsten Mythen und Irrglauben zur GoBD

Was gilt und was nicht bezüglich der GoBD? Nicht nur mittelständische Unternehmensverantwortliche sind unsicher, welche Vorschriften in Bezug auf die digitale Aufbewahrung von Dokumenten bestehen, die in der GoBD zusammengefasst sind. Um Klarheit zu schaffen, haben wir hier die häufigsten Mythen und Irrglauben aufgeführt und richtig gestellt.

Empfehlenswerte Lektüre für Unternehmerinnen und Unternehmer: GoBD auf 44 Seiten (Bild: A. Stadler)

Empfehlenswerte Lektüre für Unternehmerinnen und Unternehmer: GoBD auf 44 Seiten (Bild: A. Stadler)

Hintergrund der GoBD

Platz schaffen und auch noch schneller und transparenter arbeiten, sind für kleine und mittelständische Unternehmen Triebfedern für die Digitalisierung von Dokumenten und Unterlagen. Wie dies, ohne Probleme mit dem Finanzamt zu riskieren, regelkonform funktioniert, haben die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) zusammengefasst. »Diese 44 Seiten sollte jeder Unternehmer in Deutschland einmal gelesen haben«, empfiehlt Ralf Schmitz, der beim DMS-Hersteller ecoDMS für den Vertrieb verantwortlich ist. Fast täglich wird er sowohl von Kunden als auch von Resellern mit Fragen zur GoBD konfrontiert. Dabei erlebt er immer wieder, welche typischen Mythen und Irrglauben hinsichtlich der GoBD bestehen. Ähnlich ergeht es Bernhard Zöller, Geschäftsführer des ECM-Beratungsunternehmens Zöller & Partner, der neben der direkten Beratung von Unternehmen viele Vorträge zu den Rechtsgrundlagen digitaler Archivierung hält. Er bestätigt: »Die Liste der Falschaussagen ist lang. So heißt es, man müsse WORM-Speicher verwenden, man müsse in PDF/A archivieren, man müsse jedes geschäftlich relevante Dokument revisionssicher archivieren, man dürfe keine MS Office Formate archivieren, TIFF sei Pflicht, Journal-Archivierung bei E-Mail erfülle die GoBD-Anforderungen, man müsse nach zehn Jahren löschen, jedes Dokument mit Unterschrift müsse kryptografisch signiert aufbewahrt werden etc.«

Um Klarheit zu schaffen, was gilt und was nicht, gehen wir hier auf die häufigsten Mythen der Reihe nach ein.

Mythos 1: Man braucht ein Zertifikat, um Papierdokumente zu vernichten

Mittel der Wahl zur Digitalisierung sind ECM- und DMS-Systeme, mit denen sich elektronische Dokumente vollständig, richtig und nachvollziehbar aufbewahren lassen. Für deren Verwendung ist kein Softwarezertifikat notwendig. Unter den Ziffern 179 bis 181 der GoBD steht ausdrücklich, dass die Vielzahl sowie unterschiedliche Ausgestaltung und Kombination der DV-Systeme für die Erfüllung außersteuerlicher oder steuerlicher Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten keine allgemein gültigen Aussagen der Finanzbehörde zur Konformität der verwendeten oder geplanten Hard- und Software zulassen. Positivtestate zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung – und damit zur Ordnungsmäßigkeit DV-gestützter Buchführungssysteme – werden weder im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung noch im Rahmen einer verbindlichen Auskunft erteilt. »Zertifikate« oder »Testate« Dritter, die beispielsweise Wirtschaftsprüfungsgesellschaften erstellen, sind nicht erforderlich und auch nicht bindend. Schmitz geht sogar soweit zu sagen: »Alle DMS-Systeme in Deutschland sind in der Lage, rechtskonform eingesetzt zu werden. Dies ist kein Alleinstellungsmerkmal.«

Mythos 2: Mit Zertifikat trägt man selbst keine Verantwortung

Egal ob ein Zertifikat für die Software oder den Vorgang im Unternehmen vorliegt, verantwortlich ist immer der Unternehmer und kein Dritter. Schließlich kann es beispielsweise sein, dass die verwendete Software nicht ordnungsgemäß eingesetzt wird und Vorgänge nicht angepasst wurden. Unter Randziffer 21 besagt die GoBD: »Für die Ordnungsmäßigkeit elektronischer Bücher und sonst erforderlicher elektronischer Aufzeichnungen im Sinne der Randziffern 3 bis 5, einschließlich der eingesetzten Verfahren, ist allein der Steuerpflichtige verantwortlich. Dies gilt auch bei einer teilweisen oder vollständigen organisatorischen und technischen Auslagerung von Buchführungs- und Aufzeichnungsaufgaben auf Dritte (zum Beispiel Steuerberater oder Rechenzentrum).«

Mythos 3: Digitalisierte Dokumente ersetzen keine Papierdokumente

Ralf Schmitz, Vertriebsverantwortlicher von ecoDMS, leistet im Arbeitsalltag häufig GoBD-Aufklärungsarbeit (Bild: ecoDMS)

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Ralf Schmitz, Vertriebsverantwortlicher von ecoDMS, leistet im Arbeitsalltag häufig GoBD-Aufklärungsarbeit (Bild: ecoDMS)

Ersetzendes Scannen ist aus Sicht der Finanzverwaltung für steuerlich aufbewahrungspflichtige Dokumente erlaubt. Es bedeutet, dass Originalbelege und Rechnungen vernichtet werden können nachdem sie korrekt eingescannt wurden und rechtskonform aufbewahrt werden. Dabei muss sichergestellt sein, dass die digitalen und papierbasierten Dokumente bildlich und inhaltlich übereinstimmen. Um dies zu gewährleisten, sollten sich Verantwortliche überlegen, ob sie frühes Scannen direkt bei der Posteingangsstelle oder spätes Scannen nach der Bearbeitung und zur Archivierung realisieren wollen. »Wenn Dinge wie Freigabezeichen oder Kostenstellen immer auf dem Papierdokument festgehalten werden, sollte man sich für spätes Scannen entscheiden. Denn dann enthält ein bearbeitetes Dokument Zusatzinformationen, die den Inhalt verändern«, empfiehlt Schmitz. Dagegen ist Zöller der Meinung, »nicht auf frühes Scannen zu verzichten, sondern dann auch konsequent auf digitale Freigabe- und Kontierungsfunktionen umzustellen. Ohne frühes Scannen sind die meisten Home-Office-Konzepte schlecht realisierbar.«

Ebenfalls muss sichergestellt sein, dass die Dokumente jederzeit verfügbar, lesbar und maschinell auswertbar sind. Nur wenige Dokumentarten müssen tatsächlich im Original aufbewahrt werden. Hierbei handelt es sich beispielsweise um notariell beglaubigte Urkunden, Grundbuchauszüge und Eröffnungsbilanzen.

Mythos 4: Beim Scannen muss mit Signatur erfasst werden

Beim ersetzenden Scannen muss das Verfahren laut GoBD dokumentiert werden. Daher sollten Steuerpflichtige eine Organisationsanweisung erstellen, die unter anderem regelt:

  • wer erfassen darf,
  • zu welchem Zeitpunkt erfasst wird oder erfasst werden soll (zum Beispiel beim Posteingang, während oder nach Abschluss der Vorgangsbearbeitung),
  • welches Schriftgut erfasst wird,
  • ob eine bildliche oder inhaltliche Übereinstimmung mit dem Original erforderlich ist,
  • wie die Qualitätskontrolle auf Lesbarkeit und Vollständigkeit und
  • wie die Protokollierung von Fehlern zu erfolgen hat

Dass jedoch beim Scannen für steuerlich aufbewahrungspflichtige Dokumente keine elektronische Signatur und kein Zeitstempel erforderlich ist, sagt ganz klar Randziffer 138.

Mythos 5: Das Papierdokument muss aufbewahrt werden

Nach dem Scannen müssen Papierdokumente dem Bearbeitungsgang entzogen werden. »Dies bedeutet, sie dürfen vernichtet werden, müssen aber nicht. So kann man Unterlagen nach dem Einscannen beispielsweise im Keller lagern«, erklärt Schmitz. Wichtig sei, dass im Arbeitsprozess keine Bemerkungen oder Ergänzungen auf dem Papierbeleg vermerkt werden können, die auf dem elektronischen Dokument nicht enthalten sind – Stichwort frühes oder spätes Scannen, wo diese Problematik bereits genannt wurde.

Mythos 6: Der Prüfer kann das Papierdokument verlangen

Verantwortliche sind verpflichtet, diejenigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um Unterlagen lesbar zu machen. Auf Verlangen der Finanzbehörde hat der Steuerpflichtige auf seine Kosten die Unterlagen unverzüglich ganz oder teilweise auszudrucken oder ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen beizubringen. Der Prüfer kann aber keine Papierdokumente verlangen. Zöller weist darauf hin, dass die Finanzverwaltung das ersetzende Scannen bereits mit der GoBS vom 7. November 1995 ausdrücklich erlaubt hat. Ersetzend heißt: Papieroriginale müssen nicht mehr aufbewahrt werden, wenn ordnungsgemäße Aufbewahrung angewendet und dokumentiert ist.

Mythos 7: Alle geschäftlichen E-Mails müssen archiviert werden

Bernhard Zöller, Geschäftsführer von Zöller & Partner, hört viele Falschaussagen zur Archivierungspflicht bei E-Mails (Bild: Zöller & Partner)

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Bernhard Zöller, Geschäftsführer von Zöller & Partner, hört viele Falschaussagen zur Archivierungspflicht bei E-Mails (Bild: Zöller & Partner)

Was E-Mails betrifft, sind laut Zöller »viele Aussagen, die wir zu hören bekommen, schlichtweg falsch, wie `wir müssen jede geschäftliche Mail aufbewahren`, oder `wenn wir die Mail nicht in der Sekunde des Eingangs revisionssicher aufbewahren verstößt das gegen die GoBD`«. Richtig ist, dass E-Mails mit der Funktion eines Handels- oder Geschäftsbriefs oder eines Buchungsbelegs in elektronischer Form aufbewahrungspflichtig sind. Zahlreiche geschäftliche E-Mails haben jedoch andere Funktionen wie den reinen Informationsaustausch, weshalb diese nicht aufbewahrt werden müssen. Dient eine E-Mail zudem wie ein Briefumschlag nur als »Transportmittel«, zum Beispiel für eine angehängte elektronische Rechnung und enthält darüber hinaus keine weitergehenden aufbewahrungspflichtigen Informationen, so ist diese nicht aufbewahrungspflichtig.

Eine Verfahrensdokumentation ist hilfreich

Viele Experten empfehlen, wie in der GoBD in Randziffer 34  vorgeschrieben, eine Verfahrensdokumentation anzufertigen. Sie enthält die bereits beschriebene Organisationsanweisung für das Scannen und weitere Angaben. So ist darin beispielweise auch festzuhalten, welche Arbeitsanweisungen im Umgang mit elektronischen Dokumenten bestehen und eine fachliche sowie technische Beschreibung der dafür eingesetzten IT-Lösungen. Eine konkrete gesetzliche Grundlage sieht Steuerberater Jürgen Schott, wie er uns im Interview mitteilte, hierfür nicht. Nach Paragraph 147 Abs. 1 Nr. AO müssen lediglich die zum Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen aufbewahrt werden. Unstrittig ist in den Augen Schotts, dass die Buchführung so beschaffen sein muss, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann.

GoBD richtet sich an Finanzbehörden

Streng genommen richtet sich die GoBD als Verfahrensanweisung an die Finanzämter und nicht direkt an steuerpflichtige Unternehmerinnen und Unternehmer. Trotzdem sollten diese sie einhalten, wie Schott bestätigt: »Soweit die Aussagen der GoBD die Vorgaben insbesondere der Abgabenordnung (AO) richtig interpretieren und wiedergeben, ist auch der Steuerbürger daran gebunden und hat damit eine umfangreiche Orientierungshilfe«, erklärt Schott. Es sei auch eindeutig zu empfehlen, dass der Steuerbürger (Unternehmer) versucht die Anforderungen der GoBD zu erfüllen – es gibt dann kein Streitpotenzial und der Unternehmer selbst profitiert und erfüllt die aus steuerlicher Sicht bestehenden Anforderungen an IT-gestützte Geschäftsprozesse.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.