Verschiedene Studienergebnisse zu Prozessautomatisierung
Studien zum gleichen Thema können sehr unterschiedlich sein. Sowohl Ricoh als auch Abbyy wollten wissen, inwieweit Arbeitsabläufe in Büros automatisiert ablaufen. Ricoh kommt zu dem Ergebnis, dass deutsche Arbeitgeber die Möglichkeiten zur Automatisierung von Arbeitsabläufen und zur Modernisierung von Büroräumen im Rahmen ihrer Hybrid-Working-Strategien zu wenig nutzen. Dagegen haben laut einer neuen Studie von Abbyy 99 Prozent der deutschen IT-Entscheider in den letzten zwei Jahren eine Form der Automatisierung in ihrem Unternehmen implementiert. Ricoh ließ 500 Büroangestellte in Deutschland durch das Meinungsforschungsinstitut Opinium befragen. Die Umfrage von Abbyy wurde unter 1.208 IT-Entscheidern in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, den USA und Japan von Sapio Research im vergangenen März durchgeführt. Ziele waren zu erfassen, wo Unternehmen in Automatisierungsprojekte investieren, warum sie neue Technologien einsetzen und wie sich das Verhalten auf den Erfolg der Projekte auswirkt.
Ricoh-Studie zeigt erheblichen Handlungsbedarf
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Gemäß der Ricoh-Studie haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland erkannt, dass verwaltungsintensive Aufgaben, fehlende Buchungssysteme und mangelnde Technologien zur Verbesserung des Workflows ihren Arbeitsalltag beeinträchtigen. Derzeit verwenden 11 Prozent der Büroangestellten Tools zur Automatisierung von Arbeitsabläufen. Mehr als die Hälfte (51 Prozent) berichtet hingegen, dass sich die Investitionen ihres Unternehmens in Tools zur Automatisierung von Arbeitsschritten und -prozessen im vergangenen Jahr nicht erhöht haben. Gleichzeitig ist die Mehrheit (65 Prozent) der Befragten der Ansicht, dass die Prozessautomatisierung ihre Arbeitsqualität verbessern würde – laut Ricoh ein erheblicher Meinungsumschwung angesichts der eher skeptischen Haltung zur Digitalisierung des Arbeitsplatzes vor der Pandemie.
Automatisierung von Routineaufgaben lohnt sich
Hybrides Arbeiten ist für Unternehmen eine Chance, sowohl die Arbeitserfahrung als auch die Produktivität der Beschäftigten zu verbessern, indem arbeitsintensive Routineaufgaben und -prozesse automatisiert werden. Zugleich laufen Arbeitgeber Gefahr, den Anschluss zu verpassen, wenn sie Tools und Technologien, die hybride Arbeitsformen ermöglichen und die Wünsche der Belegschaft erfüllen, nicht in ihrer Organisation einführen.
Fast die Hälfte der Beschäftigten (48 Prozent) könnte nach eigenen Angaben produktiver sein, wenn der Verwaltungsaufwand nicht so hoch wäre. Mehr als ein Drittel (36 Prozent) ist durch die Vielzahl an Technologieplattformen, die sie verwenden sollen, verwirrt. Das führt dazu, dass die neuen Tools eher als eine zusätzliche Arbeitsbelastung und nicht als Chance zur Optimierung des Arbeitsalltages gesehen werden.
Automatisierung wird nicht als Gefahr gesehen
Sind Automatisierungsprojekte allerdings bedienfreundlich umgesetzt, begrüßen Beschäftigte entsprechende Maßnahmen wie Nicola Downing, CEO von Ricoh Europe, bekräftigt: »Die Zeiten, in denen sich Arbeitskräfte Sorgen machten, dass die Automatisierung von Prozessen ihre Arbeitskraft ersetzen könnte, sind vorbei. Technologien und Automatisierung werden eingesetzt, um Zeit für sinnvollere Tätigkeiten zu schaffen. Unternehmen, die es versäumen, die Automatisierung in ihre langfristige Hybrid-Working-Strategie einzubinden, verpassen die Chance, ihre Abläufe zu verbessern und gleichzeitig das Engagement und die Produktivität ihrer gesamten Belegschaft zu steigern.«
Ausgelöst durch die Pandemie hat sich auch laut Abbyy das Verhalten gegenüber der Integration von Automatisierungstechnologien deutlich gewandelt, denn es lasse sich ein neuer Ansatz beobachten, bei dem zunehmend der Mensch im Mittelpunkt stehe. »Die Pandemie, eine größere Kündigungswelle aufgrund von Unzufriedenheit und das Bedürfnis nach einer besseren Work-Life-Balance haben die Situation für Arbeitnehmer sowohl in Deutschland als auch weltweit verändert. Dies hat zu einer Verhaltensänderung an der Spitze geführt, da Führungskräfte verstehen, dass es bei der Implementierung neuer Technologien nicht mehr nur um das reine Geschäft geht, sondern auch immer mehr um die Menschen, die damit interagieren«, so Markus Pichler, Vice President of Sales Europe bei Abbyy. »Unternehmen sehen, dass die Automatisierung intelligenter sein muss, um den Kontext und den Inhalt von Dokumenten zu erfassen und um zu verstehen, wie Unternehmensprozesse funktionieren, bevor sie automatisiert werden.« Dies habe sich als großer Vorteil für Unternehmen erwiesen, da das Vertrauen in die Technologie gestärkt und eine höhere Rendite sichtbar werde.
Abbyy-Studie berichtet von vielen Automatisierungsprojekten
94 Prozent der durch Abbyy in deutschen Unternehmen Befragten sind der Meinung, dass sie Automatisierungstechnologien erfolgreich eingesetzt haben. Dabei liegt Deutschland über dem globalen Durchschnitt von 89 Prozent. In der Vergangenheit lag die Zahl erfolgreich umgesetzter Projekte deutlich niedriger. Auf die Frage, aus welchen Gründen IT-Leiter Investitionen in neue Technologien getätigt haben, antworteten in Deutschland 40 Prozent, dass sie besser auf die Arbeit im Home Office vorbereitet sein wollen und 41 Prozent, um auf das hybride Arbeiten vorbereitet zu sein. 31 Prozent wollen der Überlastung ihrer Mitarbeitenden entgegenwirken und 22 Prozent verspürten Druck von ihren Mitarbeitenden.
Global sagen 30 Prozent der IT-Entscheider, dass sie diejenigen Abteilungen automatisiert haben, die den größten ROI bringen würden. In Deutschland liegt die Zahl deutlich niedriger bei 21 Prozent. Infolgedessen wurden in Deutschland in der IT mit 49 Prozent, im Finanzwesen mit 32 Prozent und beim Customer Service/Onboarding mit 24 Prozent am meisten neue Technologien implementiert, wobei die intelligente Dokumentenverarbeitung mit 48 Prozent und die Prozessautomatisierung mit 38 Prozent die beiden am häufigsten eingesetzten Automatisierungstechnologien in den letzten zwei Jahren waren. Robotic Process Automation (RPA) hingegen wurde mit 25 Prozent am seltensten in Deutschland implementiert und liegt global sogar noch deutlicher an letzter Stelle mit 32 Prozent.
Erfolgsquoten sind zufriedenstellend
Insgesamt besteht Vertrauen in Automatisierungstechnologien und der Wille, die Projekte nicht beim ersten Anzeichen eines Misserfolgs wieder aufzugeben. Global betrachtet erwarteten 62 Prozent der Entscheidungsträger eine doppelte Kapitalrendite für ihre Investition. 43 Prozent gaben an, dass die doppelte Kapitalrendite erreicht wurde. In Deutschland erwarteten 53 Prozent die einmaligen Investitionskosten wieder reinzuholen, was zu 47 Prozent erfolgte. Die größten Hoffnungen vor der Einführung von Automatisierungstechnologien waren die Steigerung der Produktivität (46 Prozent) und eine Verbesserung der Effizienz (42 Prozent). Dies geht so weit, dass die Gewinnung und Bindung von Kunden und Beschäftigten bei den Prioritäten der IT-Entscheider in den Hintergrund getreten ist – ein ungewöhnliches Ergebnis, das aber zeigt, dass die Mitarbeiterbindung derzeit schon viel stärker im Mittelpunkt der Entscheidungen stehen könnte.
Sind Automatisierungsprojekte nicht erfolgreich, spielt laut Abbyy häufig der Faktor Mensch eine Rolle. Unternehmen gaben weltweit an, dass das Arbeiten im Home Office (29 Prozent) und nicht ausreichend für das Arbeiten mit neuen Technologien ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (23 Prozent) zwei der Hauptgründe für das Scheitern von Automatisierungsprojekten waren. Auch wenn der Mensch jetzt eine wichtige Komponente im Entscheidungsprozess darstellt, besteht immer noch eine Diskrepanz zwischen den Entscheidern und den Beschäftigten, die diese Technologien nutzen, denn 33 Prozent der Entscheider sind nicht im selben Maße technikaffin. Investitionen in neue Technologien müssen mit Investitionen in benutzerfreundliche Lösungen und mit der Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einhergehen, um feststellen zu können, woran ein Projekt letztlich scheitert.
Mögliche Ursachen verschiedener Ergebnisse
Die unterschiedlichen Einschätzungen in den beiden Studien zu den umgesetzten Automatisierungsmaßnahmen können auch an den verschiedenen Rollen der Befragten liegen. Während Abbyy die IT-Entscheider ansprach, adressierte Ricoh Büroangestellte. Führt man die Ergebnisse alleine darauf zurück, wäre es aber ein schlechtes Zeugnis für den Erfolg der Projekte. Denn dann hätten die laut Abbyy so zahlreichen Automatisierungsmaßnahmen auf Seiten der Angestellten laut Ricoh schlechte Wirkung erzielt. Jedoch ist davon auszugehen, dass die Befragungen nicht repräsentativ zu betrachten sind und die Wahrheit wahrscheinlich irgendwo in der Mitte zu finden ist.