Trends 2026: Interview mit easy-CEO Andreas Zipser

2026 wird ein Schlüsseljahr für digitale Souveränität. Welche Technologien Unternehmen dafür brauchen und welche Lösungen easy software dafür bereitstellt, erklärt CEO Andreas Zipser im exklusiven Interview.

Die Community und Miro liefern zahlreiche Vorlagen für verschiedene Anwendungen (Bild: Miro)

Andreas Zipser ist seit März 2021 CEO von easy software (Bild: easy software)

Andreas Zipser ist seit März 2021 CEO von easy software (Bild: easy software)

Aufgrund der geopolitischen Entwicklungen hat sich die digitale Souveränität Europas in diesem Jahr zu einem höchst aktuellen Thema entwickelt, das viele Unternehmensverantwortliche umtreibt. Inwiefern beschäftigt diese Thematik auch die Kunden von easy software?

Andreas Zipser: Ja, das Thema digitale Souveränität ist bei unseren Kunden im letzten Jahr deutlich in den Vordergrund gerückt. Schlagwörter wie Unabhängigkeit, Datenhoheit, Resilienz und europäische Infrastruktur hören wir inzwischen in fast jedem Gespräch. Und auch politisch zeigt sich diese Entwicklung: Beim Mitte November stattgefundenen Gipfel für europäische digitale Souveränität, bei dem ich in meiner Rolle als Bitkom Hauptvorstand teilgenommen habe, betonten europäische Regierungsvertreter, worauf es ankommt: mehr digitale Unabhängigkeit, sichere Cloud- und Dateninfrastrukturen und den Ausbau eigener Schlüsseltechnologien.

Womit begründet sich diese Brisanz des Themas?

Zipser: Die Gründe liegen auf der Hand: Die geopolitischen Spannungen halten an, gleichzeitig gewinnt die Digitalisierung – vor allem durch KI – massiv an Tempo. Die Abhängigkeit von großen Cloud-, Software- und Plattformanbietern wirkt für viele Unternehmen angesichts ihrer Marktdominanz fast schon beängstigend. Ohne Cloud, Internet und globale Services läuft heute praktisch nichts mehr. Laut einer aktuellen Bitkom-Studie sehen sich 9 von 10 Unternehmen deutlich von digitalen Importen abhängig und etwas mehr als die Hälfte gibt an, ohne diese Leistungen höchstens ein Jahr überleben zu können. Unternehmen wollen weiter digital arbeiten, müssen sich aber auch besser digital wappnen.

Welche Konsequenzen hat dies auf das Dokumentenmanagement?

Zipser: Im Dokumentenmanagement heißt das für unsere Kunden sehr konkret: Die Kontrolle über Daten darf nicht nur auf dem Papier stehen. Sie wollen wissen, wo gespeichert wird, wer Zugriff hat und wie Prozesse im Ernstfall funktionieren. Auch Themen wie Vertrags- und Prozessmanagement gewinnen an Gewicht – denn wer Abhängigkeiten reduziert, schafft mehr Handlungsfreiheit und stärkt das Vertrauen gegenüber Mitarbeitenden, Partnern und Kunden.

Mit Blick auf 2026 heißt das: Digitale Souveränität wird vom »Nice-to-have« zum entscheidenden Auswahlkriterium für Software- und Infrastrukturpartner. Wer hier früh strategisch handelt, steigert Wettbewerbsfähigkeit und minimiert Risiken.

Mit welchen Angeboten können Sie Ihren Kunden mehr digitale Souveränität bescheren?

Zipser: Wir können unseren Kunden vor allem dann mehr digitale Souveränität geben, wenn drei Dinge zusammenkommen: Kontrolle über Daten, Transparenz von Prozessen und europäische Infrastruktur. Genau hier setzen unsere Lösungen an.

Mit Angeboten wie easy archive, easy invoice und unseren Modulen für Vertrags- und Prozessmanagement schaffen wir die Grundlage dafür, dass Unternehmen ihre Dokumente, Workflows und sensiblen Informationen nicht einfach »irgendwo« ablegen. Stattdessen können sie diese rechtskonform, nachvollziehbar und auf Wunsch komplett in europäischen Umgebungen verwalten. Das bedeutet: klare Speicherorte, klare Zugriffsrechte, klare Verantwortlichkeiten.

Die Abhängigkeit von großen Cloud-, Software- und Plattformanbietern wirkt für viele Unternehmen angesichts ihrer Marktdominanz fast schon beängstigend.

Welche weiteren Ansätze sehen Sie, um Kunden in ihrer Datenhoheit zu stärken?

Zipser: Ein weiterer Aspekt, der immer wichtiger wird: hybride Strategien. Viele Unternehmen wollen Schritt für Schritt unabhängiger werden. Unsere Lösungen lassen sich deshalb flexibel betreiben: in der Cloud, on-premises oder kombiniert. Ein Beispiel dafür ist die neue Cloud- und Hybrid-Version des easy archive: Sie verbindet bestehende On-Premises-Archive nahtlos mit moderner Cloud-Infrastruktur in Europa – ein pragmatischer Weg, digitale Souveränität schrittweise auszubauen. So behalten Unternehmen die Freiheit, selbst zu entscheiden, wo ihre Daten liegen und wie sie ihre IT-Strategie gestalten. Kurz gesagt: Wir liefern nicht nur Tools, sondern ein Stück digitale Selbstbestimmung und das wird für 2026 ein echter Wettbewerbsfaktor.

Aber sollten Unternehmen für die vollständige digitale Kontrolle Systeme nicht am besten komplett im eigenen Rechenzentrum (on-premises) betreiben?

Zipser: Nein – »alles On-Prem« ist heute für die wenigsten Unternehmen der Königsweg. Viele Unternehmen fahren mit einer hybriden Strategie besser. Das zeigt sich auch in der Praxis: Laut einer Umfrage von Flexera setzen rund 70 Prozent der Unternehmen auf eine Hybrid-Cloud-Strategie; zudem nutzen 86 Prozent mehr als einen Cloud-Anbieter. Mit diesem Mix behalten Unternehmen kritische Informationen dort, wo sie sich am sichersten fühlen. Sie vermeiden Vendor Lock-in und behalten die Hoheit über ihre Daten, ohne auf die Vorteile moderner Cloud-Services zu verzichten. Sensible Vertragsdokumente können weiterhin im eigenen Rechenzentrum liegen, während unkritische Rechnungen automatisiert in der Cloud bereitstehen. Oder: Der Produktionsstandort hält seine Anlagenbücher lokal vor, während die Marketingabteilung cloudbasiert arbeitet. Wichtig ist also nicht das Dogma »nur On-Prem« oder »nur Cloud«, sondern die Fähigkeit, beides sinnvoll zu kombinieren. Systeme wie »easy archive« oder »easy invoice« unterstützen genau diese Flexibilität: Sie lassen sich lokal betreiben, in europäischen Cloud-Umgebungen oder hybrid – je nachdem, welche Anforderungen Unternehmen an Sicherheit, Kontrolle und Skalierbarkeit haben. Digitale Kontrolle entsteht nicht dadurch, dass man jeden Server selbst verwaltet, sondern durch Transparenz, klare Berechtigungen und eine Architektur, die sich ohne Abhängigkeiten weiterentwickeln lässt.

Wichtig ist also nicht das Dogma »nur On-Prem« oder »nur Cloud«, sondern die Fähigkeit, beides sinnvoll zu kombinieren.

Welche Bereitstellungsformen empfehlen sich für welche Anwendungsfälle – nicht nur im Hinblick auf die Kontrolle über eigene Daten, sondern auch hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Prozessautomatisierung?

Die passende Bereitstellungsform hängt stark vom Einzelfall ab: von der Branche, den regulatorischen Anforderungen und natürlich davon, wie sensibel die Daten sind, mit denen ein Unternehmen arbeitet. Für hochregulierte Bereiche wie Energieversorger und Krankenhäuser (KRITIS) gelten andere Spielregeln als etwa für ein Handelsunternehmen oder einen Fertigungsbetrieb. Trotzdem ist das Potenzial enorm – vor allem, wenn es um typische Office-Prozesse geht: Rechnungsverarbeitung, Vertragsmanagement oder HR-Workflows. Hier kann die Cloud für deutlich mehr Wirtschaftlichkeit sorgen: durch höhere Automatisierung, den Einsatz von KI und effizientere Dokumentenprozesse.

Lässt sich das Einsparpotenzial konkret beziffern?

Eine Deloitte-Studie zeigt zum Beispiel, dass gesetzliche Krankenkassen in Deutschland durch digitalisierte und optimierte Workflows bis zu 13 Milliarden Euro einsparen könnten. Dazu zählt etwa die automatisierte Prüfung eingereichter Krankenhausrechnungen oder reduzierter Verwaltungsaufwand, zum Beispiel durch effizientere Beschaffung – alles Prozesse, die stark dokumentengetrieben sind und sich durch ein modernes DMS erheblich beschleunigen lassen.

Was ist im kommenden Jahr an neuen Leistungen Ihres Hauses geplant, um die Datensouveränität auf Kundenseite verbessern zu können?

Mit Archiv 8.0 stellen wir einen durchgängig verfügbaren 24/7-WebClient bereit, der in einer europäischen Cloud betrieben wird. Damit ergänzen wir bestehende On-Premise- oder Managed-Service-Archive um ein vollwertiges Cloud-Archiv. Wir gewährleisten, dass sämtliche Daten ausschließlich innerhalb der Europäischen Union gespeichert werden – und ausdrücklich nicht bei den bekannten transatlantischen Hyperscalern. Das bedeutet echte europäische Datensouveränität, die wir im Jahr 2025 auch haben zertifizieren lassen. Mit den Siegeln »software made in Germany« und »software hostet in Germany« positionieren wir uns klar am Markt.

Welche Tipps können Sie Unternehmen generell geben, die sich ihre digitale Eigenständigkeit bewahren wollen?

Es gibt drei zentrale Best Practices, die Unternehmen dabei helfen, ihre digitale Eigenständigkeit langfristig zu sichern.  Der erste Schritt ist, die eigene Datenhoheit aktiv einzufordern. Es lohnt sich, ganz konkret zu prüfen, wer eigentlich Zugriff auf Unternehmensdaten hat und wer nicht. Wenn ein externer Lieferant Zugriff auf das Bestellsystem erhält, sollte klar sein, dass er keine Einsicht in vertrauliche Preislisten oder interne Margen bekommt. Moderne Dokumenten- und Archivsysteme müssen deshalb mehr leisten als nur Informationen abzulegen: Sie müssen zentrale Speicherorte, feingranulare Zugriffsrechte und lückenlose Protokollierung ermöglichen.

Gleichzeitig sollten Unternehmen ihre Infrastruktur so aufstellen, dass sie nicht in eine Sackgasse führt. Digitale Souveränität entsteht nicht durch ein bestimmtes Betriebsmodell, sondern dadurch, dass man jederzeit weiß: Wo liegen meine Daten? Wer verarbeitet sie? Und wie stabil bleiben meine Prozesse, wenn ein Anbieter sich verändert oder wegfällt? Eine Architektur, die solche Fragen klar beantworten kann, bleibt anpassungsfähig und gibt Unternehmen die Freiheit, ihre technologische Richtung selbst zu bestimmen.

Und drittens sollten Unternehmen auf Anbieter setzen, die Unabhängigkeit ermöglichen, statt sie einzuschränken. Ein neuer KI-Assistent beispielsweise sollte Dokumente problemlos analysieren können – ohne Spezialanpassungen vom Hersteller. Offene Schnittstellen und einfache Integrationen in bestehende ERP- und CRM-Landschaften vermeiden Lock-in-Effekte und schaffen Raum für Innovation. Sie halten Unternehmen anpassungsfähig, auch wenn neue Technologien wie KI oder Automatisierung ins Spiel kommen.

Eine Deloitte-Studie zeigt zum Beispiel, dass gesetzliche Krankenkassen in Deutschland durch digitalisierte und optimierte Workflows bis zu 13 Milliarden Euro einsparen könnten.

Welche weiteren Trends werden aus Ihrer Sicht 2026 eine große Rolle spielen?

Zipser: Digitale Souveränität, Hybrid-Cloud und moderne IT-Architekturen bleiben 2026 wichtig – doch der eigentliche Taktgeber ist und bleibt die KI. Vor allem im Dokumentenmanagement sorgt sie dafür, dass Routinen verschwinden, Prozesse schneller werden und Informationen plötzlich »mitdenken«. Mit Agentic AI erleben wir gerade den Übergang von »KI als Assistent« zu »KI als Kollege«. KI-Agenten prüfen beispielsweise selbstständig Rechnungen, ziehen Vergleichsdokumente aus anderen Systemen heran, stoßen Workflows an und bereiten Entscheidungen vor. Gleichzeitig verändert KI die Art, wie wir an Wissen kommen. Die Enterprise-Suche verabschiedet sich vom starren Google-Stichwortprinzip und wird zum Dialog mit einem KI-Chatbot. Mitarbeitende fragen in Alltagssprache nach Kunden, Lieferanten, Verträgen oder Personalakten und erhalten kontextreiche Antworten mit Details, die früher über mehrere Systeme verteilt waren. Und weil KI nur so gut ist wie die Daten, die sie bekommt, rückt die Dokumentenbasis stärker in den Fokus. 2026 dürfte deshalb für viele Unternehmen das Jahr sein, in dem sie ihre DMS-Landschaften modernisieren, Archive erneuern und Metadaten sauber strukturieren. Es geht darum, Informationen KI-ready zu machen, idealerweise schrittweise und ohne große Systemwechsel.

Wie greift easy software diese Themen auf?

Zipser: Unser Ziel ist es, Unternehmen eine DMS-Umgebung zu bieten, die den Einsatz von KI schrittweise möglich macht, ohne starre Systemwechsel und ohne den Verlust der eigenen Datenhoheit.

Welche Produkte und Services wird es hierzu aus Ihrem Hause im kommenden Jahr geben?

Zipser: In easy invoice unterstützen KI-Modelle bereits heute die automatisierte Rechnungsprüfung, erkennen Abweichungen und liefern fundierte Entscheidungsgrundlagen für nachgelagerte Prozesse. So setzt auch easy contract auf intelligente Automatisierung im Vertragsmanagement: Das System identifiziert unterschiedliche Vertragstypen und markiert kritische Klauseln – schnell, zuverlässig und transparent. Da Rechnungen und Verträge am Ende des Tages archiviert werden müssen, ist easy archive so konzipiert, dass es KI-gestützte Prozesse nahtlos in lokale oder Cloud-Umgebungen integriert. Damit entsteht ein zentraler Baustein für moderne Workflows, ohne bestehende Strukturen zu verändern.

Gibt es weitere Pläne über die Sie bereits sprechen können?

Zipser: Für das kommende Jahr arbeiten wir daran, die genannten Fähigkeiten weiter auszubauen und unsere KI-Extraktion über alle Produktreleases im Jahr 2026 auszurollen. Dazu gehören Verbesserungen bei der intelligenten Suche, der automatisierten Dokumentenanreicherung und der Integration von KI-gestützten Prozessschritten. Wichtig ist uns dabei, dass Unternehmen stets die Kontrolle behalten und KI so einsetzen können, wie es zu ihren Daten, Prozessen und Compliance-Anforderungen passt. Im zweiten Halbjahr planen wir darüber hinaus die Einbindung eines MCP-Servers (Model Context Protocol), was uns in Sachen KI-Funktionen ganz neue Möglichkeiten schafft. Die Einbindung eines MCP-Servers macht ein DMS wirklich KI-fähig, weil die KI kontrolliert auf DMS-Daten zugreifen kann, Funktionen direkt über die KI angesprochen werden können und Automatisierungen so leicht gebaut werden können.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.