Agentic AI rückt in den Fokus
Agentic AI, also KI-Systeme, die nicht nur Aufgaben ausführen, sondern selbstständig Entscheidungen treffen und Handlungen umsetzen, wird zunehmend als nächste Entwicklungsstufe der Künstlichen Intelligenz gesehen. Das sagen Experten dazu.
Agentic AI steht 2025 vor dem Durchbruch
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2025 könnte rückblickend das Jahr gewesen sein, in dem Agentic AI den Durchbruch geschafft hat. Noch ist diese Form der Künstlichen Intelligenz recht neu – aber sie hat enormes Potenzial. Höchste Zeit also, sich damit näher zu beschäftigen.
Um was geht es? Agentic AI ermöglicht es autonomen Agenten, eigenständig zu planen, Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen zu ergreifen, um definierte Ziele zu erreichen. Agentic AI geht also deutlich über einfache Chatbots hinaus und übernimmt komplexe Aufgaben in Unternehmen, ohne auf menschliche Anleitung angewiesen zu sein. Das ermöglicht perspektivisch eine virtuelle Belegschaft, die menschliche Arbeit ergänzt und traditionelle Anwendungen unterstützt.
Was Gartner und IDC sagen
Gartner sieht Agentic AI als einen der Top-Technologietrends für 2025. Allerdings betont Gartner auch die Notwendigkeit robuster Kontrollmechanismen, um sicherzustellen, dass die Agenten im Einklang mit den Absichten der Anbieter und Nutzer handeln.
Bis 2028 wird Gartner zufolge 33 Prozent der Unternehmenssoftware Agentic AI beinhalten. 2024 war es weniger als 1 Prozent. Den Analysten zufolge werden 2028 dann rund 15 Prozent der täglichen Arbeitsentscheidungen autonom durch Agentic AI getroffen.
IDC schätzt sogar, dass bereits heute über 50 Prozent der Unternehmensanwendungen mit KI-Assistenten oder -Beratern ausgestattet sind. Auch IDC geht davon aus, dass Agentic AI die Art und Weise grundlegend verändert, wie Unternehmen Software nutzen. Bereits jetzt seien etwa 20 Prozent dabei, vollständige KI-Agenten einzuführen, die Daten eigenständig wahrnehmen, bewerten und darauf reagieren.
IDC prognostiziert, dass in den nächsten drei bis vier Jahren die Mehrheit der Unternehmensanwendungen signifikant durch Agentic-AI-Funktionen erweitert wird, traditionelle Benutzeroberflächen zunehmend durch text- und sprachbasierte Interaktionen ersetzt werden und Agentic AI ganze Funktionsbereiche innerhalb von Anwendungen übernehmen und langfristig sogar vollständige Anwendungen ersetzen könnte.
Enormes Wachstumspotenzial bei Agentic AI
Laut einem Bericht von Grand View Research wird der weltweite Markt für Enterprise Agentic AI von 2,59 Milliarden Dollar im Jahr 2024 auf 24,5 Milliarden Dollar 2030 wachsen, was einer CAGR von 46,2 Prozent entspricht. MarketsandMarkets schätzt den Markt für AI-Agenten auf 7,84 Milliarden Dollar im Jahr 2025 und geht von einem Wachstum auf 52,62 Milliarden Dollar bis 2030 aus. Das entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 46,3 Prozent. Mordor Intelligence schätzt, dass der Agentic-AI-Markt von 7,28 Milliarden Dollar im Jahr 2025 auf 41,32 Milliarden Dollar bis 2030 wachsen wird, mit einer CAGR von 41,48 Prozent. Die Zahlen liegen alle recht nahe beieinander – und allen drei Prognosen ist ein enormes Wachstum von über 40 Prozent pro Jahr in den nächsten Jahren gemeinsam.
Trotzdem warnen Experten vor überzogenen Erwartungen. Reuters hebt in einem Bericht hervor, dass Unternehmen wie Microsoft, Alphabet und Amazon Milliarden investieren, obwohl die Geschäftsmodelle noch unklar seien. Die Implementierung der Systeme sei komplex und zeitaufwändig, und es bestünden Risiken – zum Beispiel in Bereichen wie Finanzdienstleistungen, wenn KI-Agenten hochriskante Entscheidungen treffen
Auch Dienstleister und Software-Anbieter habe sich Gedanken zu dem Thema gemacht – etwa Niklas Bläsing, Director Consulting und Head of Data & AI bei CGI in Deutschland, und Marlene Wolfgruber, Director of Product Marketing für Intelligent Document Processing bei Abbyy. Beide betonen das enorme Potenzial dieser Technologie – jedoch aus unterschiedlichen Perspektiven. Ihre Positionen ergänzen sich in zentralen Aspekten. Bei der Gewichtung der Herausforderungen und der praktischen Umsetzung setzen Bläsing und Wolfgruber jedoch unterschiedliche Schwerpunkte.
Potenzial durch Selbstständigkeit und Automatisierung
Beide erkennen durch Agentic AI eine neue Qualität von Automatisierung. Bläsing spricht von einem Paradigmenwechsel, bei dem KI-Systeme ihren Werkzeugcharakter verlieren und eigenständig agieren. Er sieht einen klaren Trend zur vollständigen Autonomie, bei der Systeme Entscheidungen treffen und ausführen – ohne menschliches Zutun.

»Damit agentische Systeme zuverlässig arbeiten, brauchen sie qualitativ hochwertige Daten. Diese liefert Intelligent Document Processing, kurz IDP, sagt Marlene Wolfgruber, Director of Product Marketing für Intelligent Document Processing bei Abbyy. (Bild: Abbyy)
Wolfgruber beschreibt Agentic AI als Systeme, die über regelbasierte Automatisierung hinausgehen, sich an neue Situationen anpassen und aus Erfahrung lernen. Für sie liegt der Wert insbesondere in der Verknüpfung von Datenanalyse und Entscheidungsfindung.
Beide betonen, dass es um weitaus mehr als klassische Prozessautomatisierung geht. Es entstehen Systeme, die lernen, entscheiden und handeln.
Infrastruktur oder Integration
Allerdings hebt Bläsing – wohl auch aufgrund seines Hintergrunds als Dienstleister – stärker die technologischen und infrastrukturellen Herausforderungen hervor. Für ihn ist Agentic AI nicht nur ein Fortschritt, sondern ein komplexes System, das auf einer reibungslos kommunizierenden IT-Infrastruktur basiert. Alte, unflexible Systeme und unzureichende Datenqualität seien entscheidende Hürden. Er betont zudem die ethisch-rechtlichen Fragen wie Haftung, Nachvollziehbarkeit und Kontrolle.

»Agentic AI kann nur dann effektiv arbeiten, wenn die Systeme gewissermaßen miteinander ‚sprechen‘ können. Das heißt, sie müssen die für sie relevanten Informationen aus anderen Systemen herauslesen, evaluieren, analysieren und verstehen können«, sagt Niklas Bläsing, Director Consulting und Head of Data & AI bei CGI in Deutschland. (Bild: CGI)
Im Gegensatz dazu konzentriert sich Wolfgruber auf die praktische Integration in bestehende Prozesse durch den gezielten Einsatz von Intelligent Document Processing (IDP). IDP schaffe die Datenbasis, auf der Agentic KI Entscheidungen treffen kann – beispielsweise durch Texterkennung und NLP. Für sie steht weniger die grundsätzliche technologische Machbarkeit im Vordergrund als vielmehr die Frage: Wie lässt sich Agentic AI sinnvoll und effektiv einsetzen?
Evolution versus Kombination
Agentic AI sieht Bläsing als Teil einer langfristigen technologischen Evolution hin zu vollständig autonomen Systemen, die zunehmend ohne menschliche Unterstützung funktionieren. Für ihn ist die schrittweise Einführung mit iterativen Business Cases entscheidend, um realistische Erwartungen zu wahren.
Wolfgruber hingegen vertritt einen kombinatorischen Ansatz: Erst durch das Zusammenspiel von Agentic AI mit anderen Technologien – insbesondere IDP – entstehe ein durchgängiger, skalierbarer Automatisierungsprozess. Sie betont die sofortige operative Wirkung und die Möglichkeiten zur Optimierung bestehender Workflows, etwa bei Versicherungen, Banken oder im Kundenservice.
Warnung vor überzogenen Erwartungen
Ebenso wie Reuters warnen allerdings auch Bläsing und Wolfgruber davor, Agentic AI als Wunderlösung zu betrachten. Bläsing spricht von der »Euphoriefalle« und macht klar, dass KI keine »Wunderdroge« sei – vor allem, wenn grundlegende technische und ethische Fragen nicht geklärt sind. Wolfgruber betont in ähnlicher Weise, dass Automatisierung nicht ohne Prozessklarheit funktioniert. Ihr Leitsatz lautet: »Klarheit vor Automatisierung.«
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