»Die automatisierte Posteingangslösung ist unternehmenskritisch«

Eine automatisierte Posteingangslösung ist ein unternehmenskritisches System, betont Jörg Eckhard, Leiter Vertrieb von Dmsfactory, im Interview mit ECMguide.de. Schließlich wären alle Mitarbeiter im Unternehmen, die in den nachfolgenden Prozessen arbeiten, auf einen Schlag »arbeitslos«, wäre ein solches System mehrere Tage nicht verfügbar.

Wie entwickelt sich der Markt für automatisierte Posteingangslösungen aus Ihrer Sicht als Lösungsintegrator und Scan-Dienstleister?

20984-Dmsfactory-Joerg-Eckhard

Eckhard: Automatisierte Posteingangssysteme sind als eine Komponente eines ECM-Systems zu verstehen, das für dieses die Prozesssteuerung und Speicherung übernimmt. Klassische Posteingangssysteme haben daher die Zielsetzung, möglichst frühzeitig beim Eintreffen eines Dokuments den Medienbruch zu eliminieren und zusätzlich auf automatisiertem Wege die relevanten Informationen für einen nachfolgenden Geschäftsprozess bereitzustellen. Damit ist aber auch klar, dass der Markt für automatisierte Posteingangssysteme dem der ECM-Systeme folgt, da in der Regel eine stufenweise Implementierung stattfindet. Da ein automatisiertes Posteingangssystem nicht nur Dokumente digitalisiert, sondern auch prozessfähige Daten bereitstellt, erhalten diese Lösungen eine steigende Bedeutung für alle Unternehmen, die ihre Kundenprozesse verbessern, beschleunigen und effizienter gestalten wollen. Insgesamt wird sich der Markt dahingehend entwickeln, dass die individualisierbare Posteingangslösung mehr und mehr an Gewicht bekommt, um eben die oben genannte Integration in die bestehenden Unternehmensprozesse zu ermöglichen.

Was sind die größten Herausforderungen bei der Auslagerung des Posteingangs?

Eckhard: Mit der frühen Erfassung von Dokumenten durch eine automatisierte Posteingangslösung wird diese zu einem unternehmenskritischen System mit allen Anforderungen an Ausfall- und Datensicherheit. Man stelle sich vor, dass ein solches System mehrere Tage nicht verfügbar ist – alle Mitarbeiter im Unternehmen, die in den nachfolgenden Prozessen arbeiten, wären auf einen Schlag »arbeitslos«. Daher müssen hier nicht nur leistungsfähige Komponenten zur Dokumentenklassifikation und Extraktion eingesetzt werden, auch Stabilität, Skalierbarkeit und Ausfallsicherheit des eingesetzten Systems spielen eine große Rolle. Da automatische Posteingangssysteme neben der Digitalisierung auch prozessfähige Daten zur Verfügung stellen, hat die Integration in bestehende Systeme einen besonderen Stellenwert.

Worauf kommt es beim Aufbau einer digitalen Posteingangslösung hinsichtlich der technischen Komponenten besonders an?

Eckhard: Zum Einen ist die Leistungsfähigkeit der eingesetzten Klassifikations-Engine und der Extraktionsverfahren wichtig. Das heißt über welche Verfahren können eingehende Dokumente klassifiziert und relevante Informationen extrahiert werden? Hier spielt eine wichtige Rolle, mit welchem Aufwand individuelle Regelwerke erstellt werden können. Zu beachten ist auch der Pflegeaufwand. Kann dies in Eigenregie durchgeführt werden oder nur mit Support des Herstellers? Zum Anderen ist in zunehmendem Maße die Aufnahme der sogenannten Multichannels wichtig. Dokumente gehen heute nicht nur klassisch als Papierpost – womöglich auch an verschiedenen Stellen im Unternehmen – ein, sondern mehr und mehr auch als E-Mails mit Attachments, teils an offizielle Sammeladressen, teils an personalisierte Mailboxen. Auch trifft man hier und da immer noch auf Faxe. Steigend sehen wir das Eingangsvolumen durch Webportale, Foren und Smartphones. Jeder hat heute quasi einen Scanner in der Tasche. Hier sind vor allem Techniken und Verfahren gefragt, um auswertbare Bilder in den Erfassungsprozess zu überführen, ohne den Benutzer zu frustrieren. Generell gelten die üblichen Ausfall- und Datensicherheitsstandards wie Skalierbarkeit, Clusterfähigkeit etc.

Richtig lohnend ist ein digitalisierter Posteingang erst, wenn sich Unternehmensprozesse automatisiert anschließen. Inwieweit ist dies in der Praxis schon Realität und wie beeinflusst dies Ihr Geschäft?

Eckhard: Bei unseren Kunden registrieren wir durch diese Verbindung eine deutliche Beschleunigung der Arbeitsprozesse sowie eine Entlastung der Fachabteilungen. Geschäftsvorfälle werden innerhalb weniger Sekunden zugestellt und nicht erst am nächsten Tag. Durch die Extraktion der relevanten Informationen zum Geschäftsvorfall erhalten die Fachabteilungen vorausgefüllte Tasks in den jeweiligen Bearbeitungssystemen bis hin zur Dunkelverarbeitung zum Beispiel bei Adress- oder Kontoänderungen. Automatisierte Antwort-E-Mails auf eingegangene Dokumente oder den Status einer Bearbeitung vermeiden Rückfragen von Kunden und ersparen der Fachabteilung Zeit für die Beantwortung.

Nach welchen Erkennungsverfahren geschieht die Klassifizierung der Eingangspost bei Ihren Lösungen und mit welchen Erkennungsraten arbeiten Sie?

Eckhard: Für die Erkennung eingehender Dokumente ziehen wir sowohl layout- als auch contentbasierte Klassifikatoren heran. Diese können je nach Kundenprojekt kombiniert werden. Je nach Szenario werden auch selbstlernende Methoden genutzt. Die erzielbaren Erkennungsraten hängen sehr stark vom Kundenprojekt und der verfügbaren Referenzmenge an Beispieldokumenten ab.

Woran erkennt der Kunde einen guten Dienstleister für den ausgelagerten Posteingang?

Eckhard: Im Prinzip muss ein guter (Scan)Dienstleister nicht nur die Digitalisierung der Dokumente übernehmen, sondern muss ein gewisses Know-how über die nachfolgenden Prozesse haben oder bereit sein, dieses zu erwerben, um eine schnelle, sichere und korrekte Zulieferung der relevanten Daten zu ermöglichen. Da dies in der Regel auch mit der Integration von Drittsystemen einhergeht, muss er gleichzeitig ein guter IT-Dienstleister sein oder zumindest einen Partner an der Hand haben, der dies für Ihn übernimmt.

Welche technischen Veränderungen beeinflussen automatisierte Posteingangslösungen in der Praxis?

Eckhard: Die größten Herausforderungen sehen wir aktuell in der Multichannel-Fähigkeit, da Dokumente auf vielfältigen Wegen eintreffen können und die Kunden dies auch erwarten. Daher entwickeln wir heute schon Klassifikations- und Erkennungsregelwerke, die auf die Eingangskanäle der Zukunft adaptierbar sind.

Inwieweit setzt sich der ZUGFeRD-Standard inzwischen in der Praxis durch und welche Auswirkungen hat dies auf die automatisierte Posteingangsverarbeitung?

Eckhard: Bei einem Posteingangssystem kann man für Rechnungsdokumente, die nach diesem Standard angeliefert werden, auf die OCR verzichten, was natürlich Lesefehler eliminiert. Die Nutzung des ZUGFeRD-Standards ist freiwillig und betrifft auch nur den Dokumententyp der Eingangsrechnungen. Somit hat dies aktuell praktisch keine Auswirkungen auf ein Posteingangssystem, da man für den Bereich der Rechnungsauslesung auch weiterhin noch klassische Verfahren zur Auslesung von Rechnungsdokumenten vorsehen muss.

Welche Rolle spielen E-Postbrief und De-Mail aus Ihrer Sicht heute in der Unternehmenspraxis?

Eckhard: E-Postbrief und DE-Mail verfolgen beide das Ziel, eine höhere Authentizität und einen besseren Datenschutz als herkömmliche E-Mails zu bieten. Letztendlich sind diese aus Sicht eines automatisierten Posteingangssystems nur zwei weitere mögliche Eingangskanäle, die aufgenommen und weiterverarbeitet werden müssen.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.