Published On: 16. April 2024Von

Interview mit Peter Gatzen, Esker, zu E-Rechnungen

Als großen Schritt für die Digitalisierung bezeichnet Peter Gatzen, Head of Marketing DACH von Esker, die verpflichtende Nutzung der E-Rechnung. Sie werde im Zusammenhang mit europaweiten Entwicklungen für einen Digitalisierungsschub der Wirtschaftsprozesse sorgen.

Peter Gatzen, Esker

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Peter Gatzen, Head of Marketing von Esker, sieht noch viel Automatisierungspotenzial bei Invoice-to-Cash- und Procure-to-Pay-Prozessen (Bild: Esker)

Mit der Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes ist nun auch die Einführung der E-Rechnungspflicht im Unternehmensumfeld ab 1. Januar 2025 beschlossen. Rechnen Sie dadurch mit einer erhöhten Nachfrage nach E-Rechnungslösungen oder sind Unternehmen sowieso schon mit entsprechenden Lösungen eingedeckt?

Gatzen: Wir rechnen mit einer deutlich erhöhten Nachfrage nach Software-Lösungen, um die kommenden Verpflichtungen abzubilden. Auch wenn die E-Rechnung in einigen Unternehmen bereits etabliert ist, müssen sich viele Unternehmen noch für die E-Rechnung rüsten. Das betrifft Unternehmen aller Größen und Branchen, sowohl im Rechnungseingang als auch im Rechnungsausgang. Neben den Unternehmen, die die E-Rechnung neu implementieren müssen, sind auch die Unternehmen mit bestehenden E-Rechnungsprozessen gefragt: Nicht alle genutzten Verfahren beziehungsweise Formate werden in Zukunft den gesetzlichen Regelungen entsprechen. Unternehmen sollten bereits jetzt die richtigen Schritte gehen, um nicht unter Zeitdruck zu geraten und erst auf den letzten Drücker eine Lösung finden zu müssen.

Rechnen Sie mit anderen Auswirkungen im E-Rechnungsbereich durch das verabschiedete Gesetz?

Gatzen: Die verpflichtende Nutzung der E-Rechnung ist ein großer Schritt für die Digitalisierung. Wir haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten gesehen, wie groß die Vorteile der elektronischen Rechnung gegenüber der klassischen Papierrechnung oder auch halbstrukturierten Formaten sind. Das Gesetz wird, auch in Zusammenhang mit europaweiten Entwicklungen, für einen Digitalisierungsschub für Wirtschaftsprozesse sorgen. Wenn die Umsetzung gut gelingt, profitieren im Endeffekt auch alle Unternehmen von den Vorteilen der E-Rechnung: Niedrige Kosten für den Rechnungsstellungsprozess und angeschlossene Prozesse, geringere Fehlerquoten durch Standardisierung, weniger Kosten für Papier und Lagerung sowie ein geringerer CO2-Fußabdruck dank des Einsparens einer großen Menge Papier.

Entsprechend der Norm EN16931, auf die sich das Wachstumschancengesetz bezieht, müssen E-Rechnungen ein strukturiertes elektronisches Format besitzen, elektronisch erstellt und elektronisch übermittelt werden sowie elektronisch verarbeitbar sein. Diese Voraussetzungen können rein elektronische XML-Formate erfüllen und auch Hybrid-Formate wie ZUGFeRD. Was bedeutet das für Unternehmen, die zur Aufbereitung von analogen B2B-Rechnungen auf OCR- oder Scan-Tools oder -Services setzen?

Gatzen: Unternehmen müssen sich bezogen auf B2B-Rechnungen in Zukunft voll und ganz auf die E-Rechnung konzentrieren. Aus regulatorischen Gesichtspunkten steigt die Komplexität, dafür müssen nicht mehr Rechnungseingänge und Rechnungsausgänge über mehrere Kanäle verwaltet und harmonisiert werden. Mit den kommenden Verpflichtungen zur E-Rechnung geht der Fokus ausschließlich auf elektronische Formate und weg von halbstrukturierten oder unstrukturierten Rechnungsformaten. Mit dem ZUGFeRD steht eine sehr sinnvolle Variante zur Verfügung, die eben auch eine lesbare Version der Rechnung beinhaltet, deren rein elektronischer Teil aber alle Voraussetzungen für eine vollautomatisierte Verarbeitung erfüllt. Natürlich müssen, wie bereits oben erwähnt, die Voraussetzungen im Rechnungseingang und Rechnungsausgang geschaffen werden, damit E-Rechnungen empfangen und verarbeitet beziehungsweise generiert und versendet werden können.

Behörden und Unternehmen der öffentlichen Hand sind bereits seit 2020 verpflichtet, elektronische Rechnungen anzunehmen. In vielen Bundesländern müssen Unternehmen die Rechnungen ebenfalls elektronisch stellen. Auch international besteht im B2B-Bereich in vielen Ländern ein verpflichtender elektronischer Rechnungsaustausch. Sind die meisten Unternehmen daher eh schon gut auf die E-Rechnungspflicht vorbereitet?

Gatzen: Die bestehenden Verpflichtungen im B2G-Sektor hatten nicht die Auswirkungen, wie sie die Verpflichtung im B2B-Sektor haben wird. Die Rechnungsvolumina sind deutlich höher, die Anzahl der betroffenen Unternehmen ebenfalls. Dennoch sind schon viele Unternehmen bereits die ersten oder schon große Schritte in Richtung E-Rechnung gegangen. Diese sind jetzt im Vorteil, da sie schon auf Erfahrungswerte und bestehende Strukturen setzen können. International tätige Unternehmen haben gegebenenfalls Vorteile, wenn sie die verpflichtende elektronische Rechnungsstellung schon aus anderen Ländern kennen, in denen sie ebenfalls mit eigenen Tochtergesellschaften operieren. Diese Unternehmen stehen nun vor der Herausforderung, die verschiedenen regulatorischen Anforderungen zu managen und zu erfüllen.

Was können Unternehmen von der E-Rechnungspflicht im öffentlichen Bereich lernen?

Gatzen: Vor allem, die Deadlines immer im Auge zu behalten und die Einführung beziehungsweise den Ausbau der E-Rechnung im eigenen Unternehmen so zu planen, dass man rechtzeitig bereit für die kommenden Verpflichtungen ist. Dazu gehört auch, den Status quo im Unternehmen genau zu analysieren und den korrekten Änderungsbedarf zu ermitteln – sonst kann es auf dem Weg zur E-Rechnung Stolpersteine geben, die vorher nicht absehbar waren und die zu Verzögerungen führen.

Der Mensch beziehungsweise die Mitarbeitenden stehen immer mehr im Fokus. Das Bewusstsein, dass monotone Aufgaben, wie sie vor allem in manuell geprägten Umgebungen vorkommen, weder attraktiv für den Mitarbeitenden noch effizient für die Performance sind, setzt sich immer mehr durch.

 

Aufgrund unterschiedlicher Anforderungen an E-Rechnungsstandards und Übertragungskanäle im In- und Ausland und in verschiedenen Branchen gibt es einige Plattformanbieter, die den Versand elektronischer Rechnungen abwickeln. Wann lohnt es sich solche Dienstleister in Anspruch zu nehmen und wann sollte man eigene E-Rechnungslösungen aufsetzen?

Gatzen: Die steigende Anzahl an Ländern, die die E-Rechnung zur Pflicht machen und die länderspezifischen gesetzlichen Anforderungen zur Nutzung steigern die Komplexität in den Kreditoren- und Debitorenbuchhaltungen der betroffenen Unternehmen – gerade wenn sie in vielen dieser Ländern operieren. Der Trend zur E-Rechnung wird sich nicht mehr umkehren, sondern weiter verstärken. Diese Komplexität intern abzubilden, wird zu einer immer größeren Herausforderung, weshalb viele Unternehmen auf externe Dienstleister zurückgreifen. Diese sind in der Lage, viele Verpflichtungen abzubilden und kommende Änderungen rechtzeitig zu antizipieren und umzusetzen. Eine einheitliche Aussage, ab wann Unternehmen einen Dienstleister ins Boot holen müssen, lässt sich so nicht fällen – dazu muss die individuelle Situation im Unternehmen betrachtet werden. Es lohnt sich in jedem Fall, die eigene Situation gemeinsam mit einem Dienstleister zu analysieren, sodass man alle Möglichkeiten auf dem Tisch hat.

Wo liegen die größten Herausforderungen für Anwender bei Projekten im Bereich automatisierte Rechnungs- und P2P-Prozesse?

Gatzen: Die Notwendigkeit, Prozesse in diesen Bereichen zu automatisieren, haben die meisten Unternehmen klar erkannt und entsprechende Automatisierungsinitiativen gestartet. Dennoch gibt es noch viel Potenzial, die Vorteile der Automatisierung weiter auszuschöpfen, beispielsweise durch eine End-to-End-Automatisierung für ganze Bereiche wie Invoice-to-Cash oder Source- beziehungsweise Procure-to-Pay. Bei der Automatisierung in diesen Bereichen ist, neben den klassischen Aspekten, die bei einem solchen Projekt wichtig sind, vor allem auch die richtige Erwartungshaltung entscheidend. Ein Projekt für einen Bereich oder einen Prozess bedeutet nicht, dass nach Abschluss der Implementierung einer Lösung direkt eine hundertprozentige Automatisierungsquote erreicht wird – vor allem dann, wenn unternehmensindividuelle Workflows abgebildet werden. Automatisierung ist ein Marathon, kein Sprint. Die richtige Definition von Meilensteinen und Zielen ist sehr wichtig, um keine überzogenen Erwartungen zu wecken, die Automatisierung gar nicht erfüllen kann. Ein weiterer Aspekt ist die Einbeziehung aller internen Stakeholder, von der Führungskraft über die IT bis hin zu den Teams, die alltäglich mit den automatisierten Prozessen arbeiten sollen.

Bringt KI für das Thema automatisierte Rechnungs- und P2P-Prozesse absehbare Fortschritte?

Gatzen: Künstliche Intelligenz bringt schon jetzt weitreichende Vorteile in Prozessen der Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung. KI verbessert die Prozessgeschwindigkeit und -genauigkeit und generiert dabei passgenaue Kennzahlen und Analysen. Damit werden Forecasts präziser und die Entscheidungsfindung auf allen Ebenen vereinfacht. Gleichzeitig werden durch die Übernahme von repetitiven Aufgaben Kapazitäten frei, um sich den wirklich wichtigen Aufgaben zu widmen: Gesunden und stabilen Beziehungen zu Kunden, Lieferanten und anderen Stakeholdern. Das heißt übrigens nicht, dass man die Kontrolle völlig an die KI abgibt, im Gegenteil: Was die KI übernehmen soll und was nicht, entscheidet ganz klar der Experte oder die Expertin vor dem Bildschirm. KI ist und soll ein praktischer Alltagshelfer sein, der eine Konzentration auf die wertschöpfenden Aspekte des Tätigkeitsspektrums erlaubt – wovon letztendlich alle Beteiligten profitieren.

Welche Trends und Entwicklungen finden Sie in diesem Bereich gerade besonders spannend?

Gatzen: Das Thema KI und die kommenden E-Rechnungsmandate sind natürlich die dominanten Themen, dennoch sehen wir weitere Entwicklungen, die teilweise mit diesen Themen oder untereinander zusammenhängen. Im Zuge der Automatisierung arbeiten viele Finanzführungskräfte deutlich evidenzbasierter als früher, sie stützen ihre Entscheidungen, vor allem die strategischen, viel mehr auf Kennzahlen. Das verlangt natürlich, dass die Kennzahlen entsprechend schnell verfügbar und immer aktuell sind – einer der Vorteile von automatisierten Prozessen. Ein weiterer Trend, der vielleicht im Zusammenhang mit KI und Automatisierung etwas widersprüchlich erscheint, es aber gar nicht ist: Der Mensch beziehungsweise die Mitarbeitenden stehen immer mehr im Fokus. Das Bewusstsein, dass monotone Aufgaben, wie sie vor allem in manuell geprägten Umgebungen vorkommen, weder attraktiv für den Mitarbeitenden noch effizient für die Performance sind, setzt sich immer mehr durch. Viel mehr Unternehmen sind darauf bedacht, ihren Mitarbeitenden sinnstiftende Arbeitsplätze zu bieten, auch angesichts des sich verstärkenden Fachkräftemangels. Auch hier hilft die Automatisierung natürlicherweise, weil sie genau die Aufgaben automatisiert, die als monoton wahrgenommen werden.

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About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.
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