Published On: 15. April 2024Von

Interview mit Bernhard Zöller zu E-Rechnungen

Über die Auswirkungen der vor kurzem verabschiedeten E-Rechnungspflicht sprachen wir mit ECM-Berater Bernhard Zöller, Geschäftsführer von Zöller & Partner. Bemerkenswert findet Zöller, dass es externen »gesetzlichen« Zwang benötigt, um Absurditäten bisheriger Abläufe abzuschaffen.

Bernhard Zöller, Zöller & Partner

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Bernhard Zöller, Geschäftsführer von Zöller & Partner, erwartet dass durch die E-Rechnungspflicht das Scannen von Rechnungen abnimmt (Bild: Zöller & Partner)

Mit der Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes ist nun auch die Einführung der E-Rechnungspflicht im Unternehmensumfeld ab 1. Januar 2025 beschlossen. Rechnen Sie dadurch mit einer erhöhten Nachfrage nach E-Rechnungslösungen?

Zöller: Ja, das denken wir schon, aber vor allem für die dem Capture nachgelagerte Verarbeitungsstrecke, nicht die reine Capture-Strecke. Die Kosten für eine Eingangsrechnungsverarbeitung könnten deutlich sinken, weil ich den vorderen Teil der Rechnungslesung und Datenextraktion mit dem Aufwand für Fehlerkorrektur nicht mehr habe. Der Bedarf für Rechnungserkennung und Datenextraktion werden daher wohl sinken, die Komponenten Capture und Rechnungserkennung und Datenextraktion werden wohl an Bedeutung verlieren.

Entsprechend der Norm EN16931, auf die sich das Wachstumschancengesetz bezieht, müssen E-Rechnungen ein strukturiertes elektronisches Format besitzen, elektronisch erstellt und elektronisch übermittelt werden sowie elektronisch verarbeitbar sein. Diese Voraussetzungen können rein elektronische XML-Formate erfüllen und auch Hybrid-Formate wie ZUGFeRD. Was bedeutet dies für Technologien und Anbieter wie beispielsweise bestimmte Scan-Dienstleister sowie deren Kunden, die im B2B Umfeld auf die Aufbereitung von analogen Rechnungen setzen?

Zöller: Die Notwendigkeit für das Scannen von Rechnungen wird abnehmen, vielleicht nicht ganz verschwinden, weil es Übergangszeiten und Ausnahmen (Beträge unter 250 EUR, Fahrausweise) gibt. Es wäre allerdings auch nicht die erste Norm, die mit Terminen verabschiedet und dann erst allmählich umgesetzt wird. Aber ja, auf Dauer wird das Erfassen von Papierrechnungen an Bedeutung verlieren.

Schwierig dürfte es auch für Anbieter und Kunden werden, die OCR-fokussierte Lösungen im Rechnungsbereich einsetzen?

Zöller: Die Änderungen betreffen ja nur den »vorderen« Teil einer Eingangsrechnungsverarbeitungs-Lösung: nämlich Erfassung, Erkennung und Datenextraktion. Der fachlich komplexere Teil der nachgelagerten Funktionen inklusive fachlich-sachliche Prüfungsprozesse, Kompetenzmatrix, Rechnungsbuch, Abgleich mit ERP-Daten, Verbuchung etc. bleibt weiter erhalten. Ich könnte mir vorstellen, dass die nun einsetzende schnellere Verbreitung digitaler Rechnungseingangsprozesse den Verlust an Umsatz der vorderen Komponenten mehr als wettmacht.

Behörden und Unternehmen der öffentlichen Hand sind bereits seit 2020 verpflichtet, elektronische Rechnungen anzunehmen. In vielen Bundesländern müssen Unternehmen die Rechnungen ebenfalls elektronisch stellen. Auch international besteht im B2B-Bereich in vielen Ländern ein verpflichtender elektronischer Rechnungsaustausch. Sind die meisten Unternehmen daher eh schon gut auf die E-Rechnungspflicht vorbereitet?

Zöller: Ich denke schon. Viele Unternehmen – auch mittelständische – haben bereits eine ECM-Lösung zur ordnungsgemäßen Ablage von Eingangsrechnungen und viele haben bereits eine Lösung ab der Komponente Datenextraktion. Mit einem strukturierten Eingangsformat erhält man dann fehlerfreie, statt fehlerbehaftete Datensätze, was den Gesamtprozess deutlich vereinfachen sollte. Also ja, diejenigen die heute bereits Eingangsrechnungen digital verarbeiten, sollten gut vorbereitet sein und manche der heutigen Lösungen vereinfachen sich vielleicht sogar, weil die Probleme beim Schritt Scannen & Erkennen wegfallen. Herausforderungen bestehen eher bei der Erzeugung von Ausgangsrechnungen, da nicht alle aktuell eingesetzten rechnungserzeugenden ERP-Anwendungen bereits XRechnungs- oder ZUGFeRD-Formate erzeugen können. Das sollte aber mittelfristig gelöst sein, die meisten kommerziellen Anwendungen werden das wohl nativ erzeugen können – das war bei der GDPdU nach 2002 auch so – mit Ausnahme von auslaufenden Altanwendungen und Eigenentwicklungen.

Wieso man bei der XRechnung auf nur XML setzt – hätte man nicht machen müssen, war eine freiwillige Entscheidung – ist mir schleierhaft.

 

Was können Unternehmen von der E-Rechnungspflicht im öffentlichen Bereich lernen?

Zöller: Da fällt mir nur ein, dass man – wenn möglich – auf ZUGFeRD und nicht auf XRechnung setzen sollte, um das ganze Thema Visualisierung von Nur-XML-Formaten über den gesamten Aufbewahrungszeitraum zu umgehen. Bei XRechnungen benötige ich immer eine XML-Anzeigefunktion um Augenlesbarkeit herzustellen. PDF anzeigen kann jeder und jedes Endgerät, egal ob PC oder Smartphone und das ist Bestandteil von ZUGFeRD. Wieso man bei der XRechnung auf nur XML setzt – hätte man nicht machen müssen, war eine freiwillige Entscheidung – ist mir schleierhaft.

Aufgrund unterschiedlicher Anforderungen an E-Rechnungsstandards und Übertragungskanäle im In- und Ausland und in verschiedenen Branchen gibt es einige Plattformanbieter, die den Versand elektronischer Rechnungen abwickeln. Wann lohnt es sich solche Dienstleister in Anspruch zu nehmen und wann sollte man eigene E-Rechnungslösungen aufsetzen?

Zöller: Für die meisten rechnungserzeugenden Anwender werden die am häufigsten vorkommenden Formate XRechnung und ZUGFeRD direkt in ihren eigenen Fibu/ERP-Anwendungen erzeugt werden. Es mag sein, dass es Altanwendungen gibt, die das mehr nicht hergeben. In solchen Fällen muss man dann Kosten- und Nutzen abwägen.

Bringt KI für das Thema automatisierte Rechnungs- und P2P-Prozesse absehbare Fortschritte?

Zöller: Nicht, um das »Rateergebnis« für eine Eingangsrechnung zu verbessern. Wenn ich aus den XML-Datenstrukturen mit 0-prozentiger Fehlerrate alles auslesen kann, was ich benötige: Wozu benötigt man dann noch eine KI- oder Nicht-KI-basierte Erkennungslösung? Aber zu einem kompletten Purchase-to-Pay-Prozess gehören ja auch Auftragsbestätigungen, Lieferscheine, sonstige Korrespondenz, gegebenenfalls die komplette Einkaufs- und Lieferantenakte. Alle Dokumentarten in einem P2P-Prozess außer der Eingangsrechnung müssen daher nach wie vor auf den bekannten Wegen erfasst werden. Hier kann KI eine Rolle spielen und die manuelle oder Regel-basierte Erfassung ersetzen oder unterstützen. Das hat aber mit dem Wachstumschancengesetz nichts zu tun, das war schon immer so.

Welche Trends und Entwicklungen finden Sie in diesem Bereich gerade besonders spannend?

Zöller: Vielleicht nicht spannend, aber bemerkenswert, dass es externen »gesetzlichen« Zwang benötigt, um die Absurditäten bisheriger Abläufe endlich abzuschaffen. Rechnungen wurden in ERP-Systemen digital erzeugt, dann oft noch ausgedruckt »analogisiert« und kuvertiert, beim Empfänger wieder eingescannt, dann versuchen Mensch oder Maschine zu verstehen, was da eigentlich draufsteht, ein Teil der Rechnungen wird verrückterweise wieder ausgedruckt, weil – die weniger werdenden – Papierfans auf der analogen Form bestehen. Ich verwette aber kein privates Geld, dass das nicht auch weiterhin passiert.

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About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.
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