Zunächst Rechnungspost automatisiert verarbeiten

Laut einer zur CeBIT 2015 veröffentlichten Studie des IT-Branchenverbandes Bitkom steht die Eingangsrechnungsverarbeitung an vierter Stelle auf der Liste der ECM-Top-Trends 2015 im Mittelstand. Dies ergab eine Umfrage unter 805 Unternehmen mit 20 bis 499 Mitarbeitern aus allen Branchen. Vor dem Rechnungsthema rangieren nur noch Business- Collaboration, digitale Akten und an der Spitze Anwendungen für mobile Endgeräte.

»Dass die elektronische Rechnungsverarbeitung so weit oben auf der Top-Trend-Liste steht, ist beachtlich, da es hierbei lediglich um eine Dokumentart geht«, äußert Bernhard Zöller, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Kompetenzbereichs ECM im Bitkom. Erklärend fügt er hinzu, dass die deutsche Finanzverwaltung sehr ECM-freundlich ist. Sie gestattet bereits seit 1995 prinzipiell die digitale Erfassung von Rechnungen. Den Umgang mit den digitalisierten Rechnungen hat sie in den letzten Jahren auf verschiedenen Ebenen erleichtert.

Prinzipiell ist es bereits möglich, digitalisierte Rechnungen auf elektronischem Weg freizugeben und den Bezahlvorgang sowie weitere Prozesse elektronisch einzuleiten. Um das Einscannen der Rechnung zu sparen, soll sie am besten gleich elektronisch übermittelt werden und alle notwendigen Rechnungsdaten extrahiert zur Verfügung stellen. Damit dies unabhängig von EDI-Verfahren standardisiert möglich ist, hat sich unter dem Dach des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) das Forum elektronische Rechnung Deutschland (FeRD) gebildet , das den ZUGFeRD-Standard entwickelt hat.

ZUGFeRD regelt elektronischen Rechnungsaustausch

Gemäß ZUGFeRD liegt die elektronische Rechnung in zwei technischen Versionen vor: einer für das menschliche Auge lesbaren bildhaften Darstellung im PDF/A-Format und einem inhaltlich identischen Rechnungsdatensatz im XML-Format. Dabei wird die XML-Datei als Dateianhang in das zugehörige PDF/A-Dokument eingebettet. Dem Rechnungsempfänger bleibt es überlassen, ob er seine Rechnungsbearbeitung manuell bzw. halbautomatisch auf Basis des PDF-Beleges oder automatisiert auf Basis der XML-Datei organisiert.

Zwar unterstützen schon rund 100 IT-Anbieter wie Docuware, Optimal Systems, Sage und SAP den ZUGFeRD-Standard in ihren Lösungen, aber viele Anwender müssen von ZUGFeRD noch überzeugt werden. »Die Reaktion des Marktes ist verhalten bis restriktiv. Für uns als Outsourcer spielt ZUGFeRD nicht die Rolle, die dem Standard eigentlich zufallen könnte. Es ist eben nicht immer leicht, aus technologischem Fortschritt direkte Nutzenwerte für die Anwender abzuleiten«, meint beispielsweise Peter Fischer, Mitglied der Geschäftsführung des Scandienstleisters ALPHA COM.

In der Praxis bisher erst einmal wurde Thomas Kleiner, CEO des ECM-Integrators iXenso, von einem Kunden auf ZUGFeRD angesprochen. Einen Grund für die Zurückhaltung sieht er im Aufwand zur Änderung der Ausgangsbelege, »schließlich zieht ja erst einmal `nur der Empfänger` einen Nutzen daraus.« Hinzu komme, dass EDI auch immer einfacher werde, wobei der Implementierungsaufwand natürlich immer noch höher sei. Da allerdings auch die EU einen EU-weiten Standard für elektronische Rechnungen einführen will, der eventuell auf ZUGFeRD aufbaut, macht es durchaus Sinn, sich damit frühzeitig auseinanderzusetzen.

Beck ist einer der ersten ZUGFeRD-Anwender

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Das Großhandelsunternehmen für elektronische Bauelemente Beck hat dies getan und ist eines der ersten Unternehmen, das Rechnungen elektronisch nach dem ZUGFeRD-Standard versendet. Die verwendete Lösung stammt von Raber+Märcker, Callas Software und COI, die das Modul »connect.ZUGFeRD« entwickelten und implementierten. Dabei handelt es sich um eine Lösung für die ERP-Software »Dynamics NAV«, die Rechnungen entsprechend definierten Prozessen erstellt und per E-Mail an den Kunden verschickt. Etwa 500 Rechnungen will Beck damit pro Jahr versenden.

Angst vor sogenannten Kinderkrankheiten hat Beck nicht. »Raber+Märcker hat uns davon überzeugt, dass sie mögliche Änderungen am ZUGFeRD-Standard einfach in connect.ZUGFeRD übernehmen können«, erläutert Hartmut Kunze, Prokurist bei Beck GmbH & Co. Elektronik Bauelemente KG. Das erste Fazit nach der Implementierung und ersten Rechnungsausgangsläufen ist positiv. »Es gab keine Probleme und auch keine Beanstandungen seitens unserer Geschäftspartner«, so der Prokurist. »Wir gehen auch davon aus, dass sich der elektronische Rechnungsaustausch durchsetzen wird. Die zahlreichen Anfragen von unseren Geschäftspartnern bestätigen uns in dieser Annahme.«

Noch werden rund 32 Milliarden Rechnungen versendet

Noch werden laut dem Forum elektronische Rechnung Deutschland (FeRD) hierzulande jährlich rund 32 Milliarden Rechnungen ausgedruckt, kuvertiert und versendet. Der Anteil elektronischer Rechnungen ist aktuell im einstelligen Prozentbereich. Auf der Empfängerseite werden die Rechnungsdaten dann häufig manuell neu erfasst und im dortigen Back-End-System weiterverarbeitet. Dies soll nach FeRD-Angaben im Vergleich zum elektronischen Rechnungsaustausch etwa zehnmal so teuer sein.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.