Interview mit Christian Brestrich zu E-Rechnungen

Über die Verbreitung und Akzeptanz von E-Rechnungen im öffentlichen und privatwirtschaftlichen Sektor sprachen wir mit Christian Brestrich, Geschäftsführer von B&L Management Consulting. Allgemein empfiehlt der E-Rechnungsexperte trotz KI-gestützter Lösungen die Nutzung strukturierter Daten.

Die Community und Miro liefern zahlreiche Vorlagen für verschiedene Anwendungen (Bild: Miro)

Christian Brestrich, Geschäftsführer von B&L Management Consulting, leitet viele E-Rechnungsprojekte (Bild: B&L Management Consulting)

Christian Brestrich, Geschäftsführer von B&L Management Consulting, leitet viele E-Rechnungsprojekte (Bild: B&L Management Consulting)

Durch die pandemiebedingte Verlagerung ins Home-Office wurde mit einem Schub in Sachen automatisierte Rechnungsbearbeitung im B2B-Bereich gerechnet. Hat sich dieser Schub tatsächlich wie von vielen Experten erwartet eingestellt?

Brestrich: Tatsächlich hat dieser Schub in Richtung automatisierter Prozesse stattgefunden – und das nicht nur für elektronische Rechnungen. Alles, was sich elektronisch bearbeiten lässt, wird von vielen Unternehmen mittlerweile als digitaler Workflow abgebildet. Die E-Rechnung ist dabei genauso ein Thema wie elektronische Einkaufs- und Beschaffungsprozesse. Mittlerweile muss man außerdem sagen, dass das nicht nur den B2B-, sondern auch den B2G-Bereich betrifft.

Wie wichtig sind strukturierte Rechnungsformate wie XRechnung und ZUGFerd aufgrund von KI- und OCR-Technologien heutzutage überhaupt noch?

Brestrich: Trotz aller Entwicklungen empfehle ich meinen Kunden weiter die verstärkte Nutzung strukturierter Daten. Kaum ein Unternehmen arbeitet ohne Fakturierungslösung oder Dienstleister. Die Daten liegen also schon bei der Erstellung der Rechnung elektronisch vor. Diese dann wieder in ein PDF, oder noch schlimmer in ein Papierformat zu bringen, ist aus meiner Sicht ein unnötiger Medienbruch. Auch wenn moderne KI-Lösungen – und damit meine ich echte KI und nicht eine alte OCR-Lösung, auf die ein KI-Aufkleber gesetzt wurde – erstaunliche Ergebnisse liefern, gibt es keine 100-prozentige Sicherheit beim Auslesen der Daten. Bei strukturierten Rechnungsformaten hat man eben genau diese Sicherheit.

Wo liegen die größten Herausforderungen für Anwender bei Projekten im Bereich automatisierte Rechnungs- und P2P-Prozesse?

Brestrich: Die Antwort muss man aus meiner Sicht etwas zweiteilen: Reden wir von digitaleren Rechnungsprozessen, dann sind diese Herausforderungen tatsächlich sehr selten technischer Natur. Viele unserer Kunden unterschätzen den doch erheblichen organisatorischen Impact den so ein Workflow hat. Viele denken mit der Anschaffung einer Lösung zur elektronischen Rechnungsbearbeitung werden auch alle prozessualen Probleme gelöst. Das kann so ein System natürlich leisten, aber vorher muss das Unternehmen oder die Verwaltung die eigenen Prozesse optimieren und für einen digitalen Ablauf vorbereiten. Schauen wir auf den angestrebten echten automatisierten P2P-Prozess, dann ist die größte Herausforderung nach wie vor die mittelmäßige Verbreitung strukturierter Datenformate – insbesondere auch für Bestellungen und Lieferscheine. Einen durchgängig elektronischen und maximal automatisierten P2P-Prozess erhält man natürlich nur, wenn auch die einzelnen beteiligten »Dokumente« wie Rechnung und Lieferschein in strukturierten Formaten verfügbar sind. In einem aktuellen Projekt bei einer großen Hotelkette zeigt sich zum Beispiel gerade wieder, dass auch Lieferanten, die zusichern alles elektronisch liefern zu können, am Ende doch wieder Probleme mit den eigenen Systemen haben. Das führt im Rechnungseingang beim Kunden dann wieder zu nicht gewolltem, manuellem Aufwand.

Seit 18. April 2020 sind alle Behörden und Unternehmen der öffentlichen Hand verpflichtet, E-Rechnungen anzunehmen. Ist dies nun tatsächlich überall der Fall?

Brestrich: Nach nun mittlerweile drei Jahren ist die XRechnung größtenteils in der Fläche angekommen – zumindest was die Annahme dieser angeht. Bei der weiteren Verarbeitung innerhalb der Verwaltungen finden wir aber immer wieder sehr unterschiedliche Gegebenheiten vor. Das geht von »wir haben keinerlei Lösung«, über »dafür haben wir eine Insellösung beschafft« bis hin zu »alles ist vollständig digital abgebildet«. Ich glaube aber, dass mit der immer weiteren Verbreitung der E-Vergabe einschließlich digitaler Beschaffungsprozesse auch das Thema E-Rechnung bei den öffentlichen Auftraggebern immer wichtiger wird.

In den Bundesländern und sogar je nach Rechnungsempfänger der öffentlichen Hand wurden in der Vergangenheit verschiedene Modelle realisiert, E-Rechnungen anzunehmen. Gab oder gibt es hier eine Angleichung, so dass Rechnungssteller weniger Aufwand haben, die verschiedenen Rechnungseingangskanäle zu bedienen?

Brestrich: Nein, da hat sich leider gar nichts getan. Nach wie vor gibt es in vielen Bundesländern unterschiedliche Portale beziehungsweise in wenigen Bundesländern sogar keinerlei zentrale Lösung. Der Austausch erfolgt dort dann per E-Mail. Als Lieferant ist das immer noch sehr unbefriedigend, da zum jeweiligen Kunden nun auch abgespeichert werden muss, über welches Portal er die Rechnungen erhält und wie die Zugangsdaten für das jeweilige Portal sind. Wenigstens das Format ist mit der XRechnung einheitlich, wobei auch das unterschiedlich gehandhabt wird. Aus einem Bundesland ohne zentrale Lösung erhielten wir die Antwort, dass zum Beispiel die Leitweg-ID ein Pflichtfeld in der Spezifikation der XRechnung sei. Ohne Portallösung wäre sie in dem Bundesland aber nicht so wichtig, daher sollte man da doch Dummy reinschreiben. Aus technischer Sicht finde ich das immer noch unfassbar.

Wie meistern Unternehmen überhaupt die Herausforderung, die verschiedenen Rechnungseingangskanäle zu bedienen, wenn sie deutschlandweit aktiv sind?

Brestrich: Das hängt sicherlich mit der Unternehmensgröße beziehungsweise dem Belegvolumen zusammen. Unternehmen mit großen Volumina haben dafür sehr oft Dienstleister engagiert, welche die Rechnungsdaten per Schnittstelle erhalten und dann an alle möglichen Portale verteilen.

Und wie gut kommen kleinere und mittlere Betriebe mit der Situation zurecht?

Brestrich: Mittlerweile haben einige der Dienstleister erkannt, dass auch KMUs hier Unterstützung benötigen und bieten entsprechende abgespeckte Lösungen an. Ansonsten läuft es bei vielen kleineren Unternehmen noch so, dass die Rechnungen in der eigenen Fakturierungssoftware erzeugt, lokal abgespeichert und dann manuell in das entsprechende Portal des Kunden beziehungsweise des Bundeslandes hochgeladen werden. Das ist natürlich wieder ein manueller Eingriff in den Prozess, aber solange die eigene Buchhaltungssoftware keine direkten Schnittstellen anbietet, gibt es kaum eine andere Lösung.

Öffentliche Rechnungsempfänger beim Bund und in Bremen können Rechnungen ablehnen, die nicht im vorgeschriebenen Format eintreffen. Wird das in der Praxis tatsächlich so gehandhabt und wie problematisch ist dies?

Brestrich: Auf Bundesebene habe ich das mit der Ablehnung tatsächlich schon erlebt, ansonsten wird das sehr unterschiedlich gehandhabt. Oft ist es allerdings so, dass bereits im Vertrag nach der Vergabe die elektronische Rechnungslegung als verpflichtend angegeben wird. Damit weiß auch der Lieferant im Vorfeld, worauf er sich einlässt. Die Ausnahmefälle wie kleine Lieferanten, von denen schnell etwas benötigt wird, wird es aus meiner Sicht aber immer noch geben.

International und auch innerhalb der EU besteht in vielen Ländern bereits ein verpflichtender elektronischer Rechnungsaustausch im BtB-Umfeld. Wann wird es in Deutschland zu dieser Verpflichtung kommen und was bedeutet dies für die Unternehmen?

Brestrich: Laut Koalitionsvertrag soll »schnellstmöglich ein elektronisches Meldesystem bundesweit einheitlich« eingeführt werden, »das für die Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen verwendet wird.« Heißt über kurz oder lang werden wir auch in Deutschland mit dem Thema konfrontiert werden. Das Ziel ist ganz klar: die Lücke zwischen den theoretisch anfallenden Einnahmen und den realen Einnahmen soll möglichst geschlossen werden. Wenn ich mir allerdings anschaue, wie die Einführung der Regelungen im B2G abgelaufen ist, wird uns auch hier unser föderales System eher im Weg stehen. Es bleibt also abzuwarten, was »schnellstmöglich« wirklich bedeutet. Ich denke bis zu diesem Zeitpunkt werden viele Unternehmen vorbereitet sein, da sich die strukturierten Rechnungsformate doch sehr im Markt verbreiten.

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About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.