Weiterhin E-Rechnungschaos im öffentlichen Bereich
Eigentlich müssen durch die europäische Richtlinie 2014/55/EU sämtliche Verwaltungen und auch verwaltungsähnliche Einrichtungen wie Energieversorger, Universitäten und Kliniken seit spätestens 18. April dieses Jahres in der Lage sein, elektronische Rechnungen anzunehmen. Doch in der Praxis hakt es noch an vielen Stellen, was vor allem an der unterschiedlichen Umsetzung der EU-Vorgabe in den einzelnen Bundesländern liegt. Das E-Rechnungschaos im öffentlichen Bereich, das sich bereits Anfang 2019 abzeichnete, ist nicht wesentlich kleiner geworden
Da es zunächst EU-Ländersache ist, die Richtlinie in den einzelnen EU-Ländern umzusetzen, wurde in Deutschland die E-Rechnungsverordnung (E-Rech-VO) beziehungsweise das E-Rechnungsgesetz von der Bundesregierung beschlossen. Festgelegt wurde darin unter anderem, dass Rechnungssteller und Rechnungssender für die Ausstellung von elektronischen Rechnungen grundsätzlich den Datenaustauschstandard »XRechnung« in der jeweils aktuellen Fassung verwenden müssen. Entsprechend diesem Standard mussten auf Bundesebene alle öffentlichen Auftraggeber bereits seit 27. November 2018 auf oberster Ebene und seit 27. November 2019 auch auf den darunter liegenden in der Lage sein, elektronische Rechnungen anzunehmen. Über die Zentrale Rechnungseingangsplattform (ZRE), die der E-Government-Spezialist MACH im Auftrag des Bundes mit weiteren IT- und Prozessdienstleistern aufgebaut hat, ist dies auch fristgerecht gelungen.
E-Rechnungs-Status bei Ländern und Kommunen
Nun sollten spätestens seit 18. April 2020 auch alle öffentlichen Auftraggeber auf Landesebene und kommunaler Ebene in der Lage sein, Rechnungen elektronisch im XRechnungs-Format zu empfangen. Doch hierbei war ein gewisses Chaos bereits vorprogrammiert, da die Bundesländer aufgrund des föderalistischen Systems eigenständig entscheiden können, wie sie die EU-Richtlinie durchsetzen. Die Länder sind nicht verpflichtet, sich dem technischen und rechtlichen Verfahren des Bundes anzuschließen, obwohl dies ginge. Dass es möglich ist, beweisen die fünf Bundesländer Berlin, Thüringen, Sachsen, Mecklenburg Vorpommern und Brandenburg. Sie haben sich dem Portal-Pendant zur ZRE für die Länderebene, dem OZG-RE angeschlossen, das die Bundesdruckerei betreibt. Dieses Vorgehen begrüßt Christian Brestrich, Geschäftsführer von B&L Management Consulting, der Unternehmen bei der Umsetzung von E-Rechnungs-Projekten berät. Schließlich bestehe so ein einheitlicher Weg zur Einreichung von Rechnungen. »Hingegen haben sich in unserem Kundenkreis die ansonsten geltenden verschiedenartigen Einreichungswege als große Herausforderung für Lieferanten herausgestellt, die in mehreren Bundesländern aktiv sind. In manchen Ländern wie Bayern und Hessen gibt es keine zentrale Lösung, so dass von der E-Mail bis zur eigenen Portallösung alles denkbar ist. Andere Länder haben eigene Portallösungen, für die ein Lieferant vorerst noch unterschiedliche Logins benötigt«, berichtet Brestrich. Hinzu komme, dass in manchen Bundesländern die gesamten Regelungen vorerst nur für die Landesebene gelten, nicht aber für die kommunale Ebene, was natürlich zu weiterer Verwirrung bei den Lieferanten führe.
»Leider unterscheiden sich in Deutschland die neuen Regelungen auf Länderebene«, beklagt auch Adruni Ishan, Prokurist der ecoDMS. »Beispielsweise besteht für Lieferanten in Bayern keine Verpflichtung, Rechnungen elektronisch auszustellen. In Baden-Württemberg gilt die Regelung erst ab 1. Januar 2022. Inwieweit die hiesigen öffentlichen Verwaltungen E-Rechnungen effizient verarbeiten können, ist fraglich.« Es gibt sogar noch öffentliche Auftraggeber, die meinen überhaupt nicht vom E-Rechnungs-Thema betroffen zu sein und somit auch keine Lösungen für die Einreichung der elektronischen Rechnung anbieten. Wie die Regelungen in den einzelnen Bundesländern aussehen, ist beispielsweise auf der Webseite des Verbands elektronische Rechnung (VeR) und auf der des IT-Rechnungsdienstleisters Ximantix zu lesen.
Während bislang nur der Empfang auf öffentlicher Seite gewährleistet sein muss, sind gemäß der E-Rech-VO die Lieferanten und Dienstleister eines öffentlichen Auftraggebers des Bundes ab dem 27. November dieses Jahres verpflichtet, ihre Rechnung elektronisch einzureichen. Eine Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung an Landeseinrichtungen und Kommunen hängt wiederum von der Umsetzung der Länder ab, die wie bereits beschrieben sehr unterschiedlich abläuft.
Selbst bei öffentlichen Auftraggebern als Empfänger und noch viel mehr bei den Lieferanten als Rechnungssteller herrscht also große Unsicherheit, wie sie die Anforderungen umsetzen sollen. Flächendeckend ist Unternehmen nach Meinung von Dina Haack, Produktmanagerin, xSuite Group noch gar nicht bewusst, dass sie nach aktuellem Stand an öffentliche Auftraggeber des Bundes sowie des Landes Bremens ab 27. November zum elektronischen Rechnungsversand verpflichtet sind: »Stand heute würde ich mich nicht wundern, wenn es im November den einen oder anderen Lieferanten kalt erwischt, wenn er seine Rechnungen im Format »XRechnung« versenden muss. Dort gilt es meines Erachtens nach, noch Aufklärungsarbeit zu leisten.«
Vorteile der elektronischen Rechnung für Auftraggeber und -nehmer
Generell lohnt sich die Einrichtung des elektronischen Versands sowohl auf der Seite des Senders als auch des Empfängers. Allerdings gilt es, die Lösungen durchgängig zu gestalten. Öffentliche Verwaltungen, die bislang lediglich die Annahme gewährleisten können, sollten im nächsten Schritt die Automatisierung bei der weiteren Verarbeitung von Eingangsrechnungen vorantreiben. »Nur so können die öffentlichen Verwaltungen überhaupt auch den Nutzen daraus ziehen, dass sie Rechnungen bereits in elektronischer statt in Papierform erhalten«, erläutert Haack.
Doch auch für die Auftragnehmer ist der elektronische Versand auf jeden Fall eine richtige Investition in die Zukunft wie Brestrich beschreibt: »Aus Lieferantensicht lohnt sich der Kanal »XRechnung« aus meiner Sicht definitiv, sofern die Einreichung automatisch über einen zentralen Weg passiert – ein Knopfdruck und meine Rechnungen sind an den richtigen Adressaten übermittelt – sofern in der Fakturierungssoftware alles korrekt eingerichtet ist. Kein Druck und Postversand mehr beziehungsweise kein Mailversand mehr mit der permanenten Unsicherheit, ob der Brief oder die E-Mail auch beim Rechnungsempfänger angekommen ist.« Meist seien die Lösungen zur elektronischen Rechnungserstellung auch nicht nur für die XRechnung, sondern auch für weitere elektronische Formate wie ZUGFeRD nutzbar. Damit kann also neben den öffentlichen Auftraggebern auch den Kunden aus der Wirtschaft eine strukturierte elektronische Rechnung zur Verfügung gestellt werden, was zukünftig vermehrt gefragt sein wird. Allerdings ist es insbesondere für kleine und mittelständische Lieferanten in der Praxis gar nicht so einfach, eine strukturierte elektronische Rechnung zu erzeugen. »Der Sprung von einer Fakturierung mit Office-Programmen zu der Erstellung von ZUGFeRD oder XRechnung ist einfach immens«, weiß Brestrich. Positiv ist aber, dass mittlerweile einige Anbieter wie Schütze und faktoora auf diese Entwicklung reagiert haben und einfache und preislich interessante Lösungen zur Erstellung der geforderten Formate bieten.