Für die Teamarbeit sind starre E-Akten teils hinderlich

In welchen Bereichen sehen Sie derzeit die meiste Nachfrage nach elektronischen Akten?

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Hunfeld: Wir sehen derzeit überall dort eine gesteigerte Nachfrage, wo Dokumente als Grundlage für Entscheidungen und Aktionen dienen. Denn dort ist eine bessere Organisation notwendig. Besonders die öffentliche Verwaltung, Justiz, Versicherungen und größere Unternehmen erkennen nun den Wert von Dokumentenmanagement. Die E-Akte stellt dabei eine sehr strukturierte Form der Ablage von Dokumenten und der Bearbeitung von Vorgängen dar.

Wann lohnen sich elektronische Akten besonders?

Hunfeld: Die Betrachtung einer E-Akte, oder einer ihrer Varianten, lohnt sich immer dann, wenn die Ablage von Content – also neben Textdokumenten auch von Bildern, Formeln etc. – klar ausgeprägten Strukturen folgen soll oder muss. Insbesondere Behörden haben Bedarf, Dokumente, Vorgänge und Ergebnisse einheitlich zu strukturieren. Eine E-Akte fördert in diesem Fall zusätzlich den Wissensaustausch und beschleunigt die Informationsgewinnung.

Welche Voraussetzungen muss ein Unternehmen erfüllen, um elektronische Akten realisieren zu können?

Hunfeld: Neben rechtlichen Rahmenbedingungen sind das die folgenden beiden Punkte: Erstens muss die Bereitschaft bestehen, eine entsprechende IT-Infrastruktur zu betreiben. Diese muss nicht notwendigerweise aufwändig sein; dies hängt letztlich von den Anforderungen ab. Zweitens muss sich das Unternehmen bzw. die Behörde mit den internen Prozessen auseinandersetzen wollen. Oft stellt sich bei der Einführung heraus, dass die Prozesse wenig definiert sind. Häufig anzutreffen ist auch der Fall, dass sie zwar festgelegt sind, aber nicht konform gelebt werden. Diese Themen müssen angegangen werden.

Würden Sie in bestimmten Gebieten auch von elektronischen Akten abraten?

Hunfeld: Es gibt sicherlich Anwendungsfälle, in denen wir zu einer anderen Form des Dokumentenmanagements oder des Enterprise Content Managements raten würden. Besteht beispielsweise Bedarf an einer offeneren Dokumentenablage – etwa für die Zusammenarbeit in Projekten, Teams oder Abteilungen –dann sind starre E-Akten-Strukturen eher hinderlich. In diesem Fall sind Kollaborationsbereiche wie Teamsites wesentlich effizienter und werden von den Nutzern besser angenommen. Auch hier sind die Dokumente sicher, schnell auffindbar und nutzbar für die Beteiligten hinterlegt. Ob ein Dokument oder Vorfall weiter »ver-aktet« werden soll, kann dann immer noch entscheiden werden.

Wie lassen sich elektronische Akten revisionssicher gestalten?

Hunfeld: Hierbei geht es im Wesentlichen um die Art und Qualität der Aufbewahrungsfristen der Dokumente. Um Revisionssicherheit zu erzielen, sind die allgemeinen Regelungen umzusetzen. In bestimmten Branchen zum Beispiel Government, Pharma kommen weitere, spezielle Regelungen hinzu. Die ECM- oder DMS-Systeme, die verwendet werden, um diese Akten abzubilden, müssen in der Lage sein diese Bestimmungen umzusetzen. Für die Verantwortlichen ist die Klassifizierung interner Dokumente ein wesentlicher erster Schritt: Zunächst sollte gefragt werden, welche Dokumente wirklich einer gesetzeskonformen Archivierung bedürfen und welche gegebenenfalls in einer anderen, dauerhaften – eventuell günstigeren – Ablage für interne Zwecke organisiert werden können.

In welchem Format sollte man elektronische Akten anlegen?

Hunfeld: E-Akten sollten den Geschäftsprozess immer so einfach wie möglich abbilden. Nur so werden diese notwendigen Lösungen von den Mitarbeitern als nutzbringend erkannt und akzeptiert. Grundsätzlich müssen alle Content-Formate unterstützt werden.

Was bei einer E-Akte keinesfalls fehlen sollte

Was sollte bei einer elektronischen Akte auf keinen Fall fehlen?

Hunfeld: Wie gesagt, ist ein System nur erfolgreich, wenn es von den Mitarbeitern auch angenommen und verwendet wird. Daher sind Anwendungsfreundlichkeit, Flexibilität und eine zeitgemäße Funktionalität unverzichtbar. Im Detail betrachtet, spielt beispielsweise die Flexibilität für wenig formalisierte Prozesse eine große Rolle. Denn viele Verwaltungsprozesse sind nicht zu 100 Prozent formal definiert, sondern leben vom Wissen der Mitarbeiter über Prozessvariationen. Das muss das System tolerieren. Zweiter wichtiger Punkt sind moderne Kollaborationsfunktionen, die Mitarbeiter aus anderen Bereichen und von anderen Anwendungen gewohnt sind. Weitere zentrale Faktoren sind die Integration in Fachanwendungen und der mobile Zugriff auf die relevanten Akten und Informationen. Die E-Akten-Lösung von Westernacher auf der Basis von Alfresco Enterprise bietet genau diese flexiblen nutzbaren Optionen.

Worin unterscheiden sich die E-Akten-Lösungen der verschiedenen Hersteller?

Hunfeld: In Deutschland gibt es viele Anbieter von E-Akten-Lösungen, die alle auf einem hohen und detaillierten Funktionsgrad und großer Erfahrung basieren. Jedoch besteht eine großer Unterschied zwischen etablierten Systemen, die oft seit weit mehr als einem Jahrzehnt auf dem Markt sind, und modernen ECM-Plattformen, wie Alfresco, die von Anfang auf die heutigen Herausforderungen sowie auf Änderungen und Weiterentwicklung ausgelegt sind. Viele der etablierten Aktenlösungen können dem stark wachsenden Bedarf an modernen Benutzeroberflächen, Flexibilität und Zusammenarbeitsszenarien nicht immer gerecht werden. Um dieses Problem zu lösen, werden dann oft weitere Softwarepakete in bestehende Lösungen integriert. Dies verursacht zusätzliche Kosten und bringt neue Komplexität in die Gesamtlösung. Hinzu kommt, dass Nutzer von Akten und Kollaborationslösungen eine zentrale Arbeitsumgebung für alle dokumentenzentrierten Aufgaben erwarten: Sie wollen nicht für die E-Akte Werkzeug A nutzen, für die Kollaboration aber Werkzeug B und für die Archivierung Werkzeug C einsetzen. Das ist aber heute leider noch oft Realität. Eine weitere Erschwernis stellt die Tatsache dar, dass Dokumente häufig in unterschiedlichen Silos liegen, was eine zusammenhängende Nutzung verhindert.

Technische Neuerungen sind von privaten Gewohnheiten getrieben

Welche technischen Neuerungen gibt es bei elektronischen Akten?

Hunfeld: Die notwendigen technischen Neuerungen an E-Akten und die Nutzung von elektronischen Dokumenten werden durch die Innovationen getrieben, die Anwender von der privaten Nutzung von End-Geräten und Software kennen. Dazu zählen moderne webbasierte Benutzeroberflächen und die Unterstützung mobiler Endgeräte. Ein wesentlicher Punkt für die Erwartungshaltung heutiger Anwender ist die Anbindung an Cloud-Lösungen, also der Zugriff zu jeder Zeit und von jedem Ort aus. Weitere Treiber der Entwicklung sind veränderte Gesetze und Richtlinien: etwa die neuen Vorgaben zum ersetzenden Scannen sowie zur beweiswerterhaltenden Archivierung nach BSI-Richtlinie TR-ESOR und TR-RESISCAN. Hierbei ersetzt die digitalisierte Version vollständig die Papierversion. Ein wesentlicher Umbruch ist auch in der öffentlichen Verwaltung zu erkennen. Hier hat sich an vielen Stellen gezeigt, dass komplexe und zertifizierte E-Akten-Lösungen nach dem DOMEA-Standard nicht von den Nutzern akzeptiert wurden. Sein Nachfolger, das neue »Organisationskonzept elektronische Verwaltungsarbeit«, bietet hier größere Flexibilität. Es ermöglicht den Einsatz von Lösungen, die E-Akten mit den Anforderungen an eine flexiblere Nutzung von Dokumenten (E-Zusammenarbeit) vereinen.

Inwiefern lassen sich durch elektronische Akten Einsparungen erzielen?

Hunfeld: Grundsätzlich sind Aktenlösungen in der Lage, bestehende Prozesse zu unterstützen und so Kosten und Aufwände niedrig zu halten. Sie optimieren die Informationsgewinnung, indem sie Wissen leichter zugänglich machen und besser verfügbar halten. Gespeichertes Know-how in Form von Dokumenten kann in solchen Lösungen schnell und einfach genutzt werden. Das spart aufwändige Recherchen, vermeidet falsche Suchergebnisse und senkt letztlich den Arbeitsaufwand für den einzelnen Mitarbeiter. Zudem wird der Wissensverlust minimiert; neue Mitarbeiter können schneller eingearbeitet werden. Weiteres Einsparungspotenzial ergibt sich durch den Wegfall bestimmter Rollen. So lässt sich etwa der Bedarf an Hauspostboten verringern, eine separate Registratur wird unnötig etc. All dies gilt jedoch nur, wenn eine strukturierte E-Akte auch wirklich den Zielprozess unterstützt und sofern die Nutzerakzeptanz hoch ist. Ansonsten werden weiterhin unsichere Schattensysteme wie interne und externe Fileshares genutzt. Um das zu vermeiden, sollte eine ECM-Plattform sowohl E-Akten als auch die freien Kollaborationsanforderungen in einem einfachen modernen System gleichermaßen abbilden können.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.