ELO-Chef im Interview: Digitale Agenda als Motor für E-Akte

In welchen Bereichen sehen Sie derzeit die meiste Nachfrage nach elektronischen Akten?

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Mosbach: Die größte Nachfrage kommt von Organisationen bzw. Unternehmen, die täglich ein großes Volumen an Dokumenten zu bearbeiten haben und im Einklang mit der von der Bundesregierung beschlossenen Digitalen Agenda agieren wollen. So zum einen die öffentliche Verwaltung, die gemäß des E-Government-Gesetzes angehalten ist, die Grundsätze der elektronischen Aktenführung und des ersetzenden Scannens umzusetzen. Zum anderen aber auch Unternehmen der verschiedensten Branchen wie der Energie- oder Finanzwirtschaft, welche die E-Akte im Projekt-, Personal- oder Vertragsmanagement nutzen wollen.

Wann lohnen sich elektronische Akten besonders?

Mosbach: Sie bieten den größten Mehrwert, wenn mehrere Personen gleichzeitig zeitnah Zugriff auf die Akte benötigen, auch abteilungs- bzw. standortübergreifend. Ein weiteres Einsatzszenario sind Aktenumläufe oder Workflow-Prozesse. Vorteile bringt die E-Akte auch, wenn Inhalte elektronisch ausgewertet oder automatische Steuerungs- bzw. Plausibilitätskontrollen, beispielsweise im Sinne der Risikominimierung, durchgeführt werden sollen.

Welche Voraussetzungen muss ein Unternehmen erfüllen, um elektronische Akten realisieren zu können?

Mosbach: Der Anwender benötigt eine entsprechende Computer- und Netzwerkinfrastruktur. Sinnvoll ist zusätzlich eine Scan-Station, um noch vorhandene papiergebundene Unterlagen zu digitalisieren und einzubinden. Hilfreich sind auch die sogenannten Scan-Apps. Hiermit kann der Bearbeiter Papierdokumente von unterwegs mit dem Smartphone oder Tablet-PC einscannen. Grundsätzlich empfiehlt es sich, von papiergebundenen Formularen auf elektronische umzustellen

Würden Sie in bestimmten Gebieten auch von elektronischen Akten abraten?

Mosbach: Wenig sinnvoll ist die E-Akte in Bereichen, in denen die Papierform noch dominiert bzw. vorgeschrieben ist und nur selten Zugriff auf die Unterlagen erfolgt. Hierzu zählen Urkunden oder Pläne. Ratsam ist in diesen Fällen oftmals ein hybrider Ansatz, bei dem die Papierakten weitergeführt und archiviert werden, öfter benötigte Unterlagen aber zusätzlich digitalisiert werden. Hier spricht man von Scanning-on-demand. Ist der Aufwand zu groß und damit unwirtschaftlich bzw. fehlt der Mehrwert, lohnt die Digitalisierung nicht. Dies trifft z. B. für den Altbestand von Broschüren zu.

Wie lassen sich elektronische Akten revisionssicher gestalten?

Mosbach: Moderne ECM-Systeme sind so konzipiert, dass sie Revisionssicherheit unterstützen und gewährleisten. Das heißt, sie berücksichtigen die Kriterien der Protokollierung und Nachvollziehbarkeit. Beim Thema Datensicherung ist der Anwender in der Pflicht, falls das ECM-System nicht für eine redundante Datenhaltung per Backup sorgt. Vorgeschrieben ist aber in jedem Fall die sogenannte Verfahrensdokumentation, aus der hervorgeht, wie im jeweiligen Geschäftsprozess die IT-Systeme und Verfahren zusammenspielen und die gesetzlichen Vorgaben erfüllen. In bestimmten Bereichen wie dem Gesundheitswesen gibt es darüber hinaus Normen, die beim Scannen von Papierdokumenten bzw. bei deren (Langzeit-)Aufbewahrung einzuhalten sind. Dabei geht es darum, die Datenintegrität sicherzustellen. Daher fordert der Gesetzgeber hier eine qualifizierte elektronische Signatur, die belegt, dass ein Dokument von einer bestimmten Person elektronisch gezeichnet wurde.

In welchem Format sollte man elektronische Akten anlegen?

Mosbach: Dokumente in einer elektronischen Akte werden üblicherweise im PDF- oder PDF/A-Format gespeichert, in manchen Fällen auch als TIF- oder JPG-Datei (z.B. bei Bildern). Spezifika gelten zum Beispiel für den Justizbereich. Hier sind Fähigkeiten wie das Auswerten von Inhalten über das Markieren bestimmter Passagen gefragt. Das Format der E-Akte selbst ist anwendungsspezifisch.

Was sollte bei einer elektronischen Akte auf keinen Fall fehlen?

Mosbach: Sehr wichtig ist, dass sich Akten flexibel, gemäß den Gegebenheiten des Anwenders strukturieren lassen und ein Aktenplan abgebildet werden kann. Üblich ist die Gliederung gemäß Aktendeckblatt, Laschen und Register für Haupt- und Unterakte. Heutzutage sollten sich die E-Akten auch von unterwegs, sprich mobil nutzen lassen. Außerdem sollten sie Umläufe oder Workflow-Prozesse unterstützen. Essenziell sind des Weiteren dedizierte Rechtesysteme, die den Zugriff regeln, sowie eine Langzeitarchivierungsstrategie mitbringen.

Worin unterscheiden sich die E-Aktenlösungen der verschiedenen Hersteller?

Mosbach: Sie unterscheiden sich beispielsweise in der Möglichkeit, beliebige Aktenstrukturen abzubilden. In manchen Fällen lassen sich nur virtuell erzeugte Strukturen wiedergeben, die über einen Regelmechanismus gebildet werden. Diese stellen jedoch keine echte E-Aktenlösung dar, weil die Aktenpläne nicht beliebig modulierbar sind. Auch die Hierarchiestufen unterscheiden sich in der Tiefe und lassen nicht immer unbegrenzte Verschachtelungen und Strukturen zu. Ein besonderer Schwerpunkt muss allgemein auf der Bedienungsfreundlichkeit liegen, da Anwenderakzeptanz einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren ist. Nicht alle Lösungen umfassen eine integrierte Workflow-Engine. Diese ist jedoch erforderlich, will man Abläufe steuern und Medienbrüche vermeiden.

Welche technischen Neuerungen gibt es bei elektronischen Akten?

Mosbach: Die E-Akte sollte in der Lage sein, elektronische Formulare zu erstellen und einfach zu verarbeiten. Die Auswertung und Analyse der Akteninhalte lässt sich so besser steuern. Zudem sind die Systeme über entsprechende Middleware auch mit Fremdsystemen wie speziellen Fachanwendungen nahtlos zu verzahnen. Weitere Faktoren sind Usability und mobile Nutzung neuer Möglichkeiten über entsprechende Endgeräte.

Inwiefern lassen sich durch elektronische Akten Einsparungen erzielen?

Mosbach: Die E-Akte beschleunigt sowohl den Zugang als auch die Bearbeitung von Vorgängen und spart somit Zeit bzw. erhöht die Auskunftsfähigkeit und den Kunden-/Bürgerservice. Die teilautomatisierte Bearbeitung ermöglicht unter anderem Sachprüfungen, um bei unvollständigen Anträgen automatisiert die fehlenden Angaben anzufordern. Und last but not least spart die elektronische Vorgehensweise physische Archivräume.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.