Interview mit Karl Heinz Mosbach, ELO, zum Ausblick auf 2018

Mit welchen Trends rechnen Sie 2018 im ECM-Bereich?

Karl Heinz Mosbach, Geschäftsführer von ELO Digital Office, hat ein Nachwuchsprogramm, um Fachkräfte auszubilden (Bild: ELO)

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Karl Heinz Mosbach, Geschäftsführer von ELO Digital Office, hat ein Nachwuchsprogramm, um Fachkräfte auszubilden (Bild: ELO)

Mosbach: Einige Trends sind ja schon sichtbar, beispielsweise, dass die KI-Technologie zunehmend in die ECM-Welt einzieht. Angewandt wird sie bei der intelligenten Klassifizierung im Posteingang, E-Mails und Dokumenten wie Rechnungen. Damit lässt sich zum Beispiel bei einer E-Mail feststellen, zu welchem Prozess sie gehört und in welchem Kontext sie steht. So werden bereits im Vorfeld Informationen intelligent analysiert, um den Mitarbeiter im Arbeitsprozess bestmöglich zu unterstützen. Ziele sind, eine eindeutige Zuordnung zu treffen, wohin eine Information gehört und alle erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. So soll beispielsweise eine Reklamation oder eine Produktanfrage automatisch in die richtigen Kanäle unterbrechungsfrei gelenkt werden, um eine schnelle Bearbeitung sicherzustellen.

Welche Technologie trägt konkret dazu bei?

Mosbach: Unterschiedliche Techniken: Man nutzt neuronale Netzanalysemethoden, um Informationen zu analysieren und zu klassifizieren aber auch intelligente Agenten. Die Lösungen verwenden nicht nur starre Business-Logik, die man programmiert, sondern immer mehr Systeme, die sich kontextbezogen verbessern und selber lernen.

Wird es hierzu von ELO 2018 schon Produkte geben?

Mosbach: Mit dem »ELO DocX-Modul« und dem »ELO Mailroom« haben wir Lösungen in 2018 verfügbar, die in diese Richtung zielen.

Was sehen Sie sonst als Trendthema?

Mosbach: Gegenüber früher setzen Unternehmen nun verstärkt auf Standardlösungen, die viel schneller einsatzfähig sind. War zunächst erst Rechnungs- und Vertragsmanagement im Fokus, weiten sich die Themen immer mehr auch auf andere Bereiche, wie den Personalbereich, die Produktion und Fertigung usw. aus. Hinzu kommen immer mehr auch spezielle Branchenlösungen wie Immobilienmanagement sowie Lösungen für den Pharma- und Baubereich hinzu. Vielfach können wir Kunden 70 bis 80 Prozent der Lösung vorkonfiguriert liefern. Der Kunde muss dann nur noch sein spezielles Customizing und Ergänzungen dazu machen, was insgesamt enorme Kostenvorteile mit sich bringt. Außerdem können mit diesen Lösungen Updates später viel einfacher ausgeführt werden als bei handgestrickten ECM-Lösungen, bei denen ein Update meist sehr teuer ist. Wir bieten diese Standardlösungen unter dem Begriff »Business Solutions« und erleben hier eine sehr große Nachfrage.

Wie sehen Sie das ECM-Marktpotenzial generell und speziell Ihre Aussichten dabei?

Mosbach: Sehr groß. Die Nachfrage nach Lösungen zur Digitalisierung der Geschäftsprozesse hat in der letzten Zeit enorm zugenommen. Wir verfügen über ein Partnernetzwerk, in dem einzelne Partner ihren Lizenzumsatz auf hohem Niveau verdoppelt haben. In bestimmten Bereichen liegt das Wachstum konstant bei 35 bis 40 Prozent. Durch die Digitalisierung erleben wir in der gesamten ECM-Branche ein enormes Wachstum.

Profitieren hiervon alle ECM-Anbieter?

Mosbach: Zumindest alle Unternehmen, die es nicht versäumt haben, sich zukunftsweisend aufzustellen und keine Altlasten mit sich herumschleppen. Die Strategie darf keinesfalls lauten, Altbewährtes mit Neuem zu kombinieren, denn dann knirscht es von vorneherein. Dies ist in der Regel eine Flickenschusterei, bei der sich neben proprietären Schnittstellen und Wartungsproblemen dem Anwender das große Nutzungspotenzial des technologischen Fortschritts verschlossen bleibt. Zumal es in keiner Weise zukunftssicher ist, wenn man beispielweise an die Nutzung auf unterschiedlichen Systemplattformen in der Cloud denkt. Hier steht es ELO-Kunden völlig frei, ob sie ihre Backend-Komponenten in einer Windows-, AIX- oder Linux-Systemumgebung betreiben wollen, oder ob die Anwender mit ihrem Voll-Client auf »MacBooks«, »Microsoft-Surface-Rechnern« oder Mobile-Clients arbeiten. In jedem Fall ist ein Höchstmaß an Flexibilität durch die neuen technologischen Möglichkeiten gegeben. Alles andere führt sehr schnell zu Frust und der Erkenntnis, dass man sein gesamtes Invest abschreiben kann, weil die gewählte Lösung durch die proprietären Altlasten nicht zukunftssicher ist.

Einige Anbieter setzen aber aktuell gerade darauf, an alte oder fremde Archive anzudocken und neue Lösungen aufzusetzen?

Mosbach: Derzeit verabschieden sich viele Kunden von Lösungen, mit denen es nicht mehr vorangeht und mit denen sie unzufrieden sind. Für solche Fälle sind Interfaces und Schnittstellen zu Altsystemen manchmal sinnvoll. Insbesondere, wenn es lediglich um die Sicherstellung des Datenzugriffs auf das Alt-Archiv, zum Beispiel aus Compliance-Aspekten heraus, geht. Sind die Datenbestände nicht all zu groß, wird man aber immer die Übernahme/Migration der bestehenden Altdaten anstreben. Dies, da man dadurch die komplette Altlösung auch abschalten kann, was zudem letztlich eine Menge an zusätzlichen Wartungskosten einspart. ELO hat hier zu nahezu allen namhaften Anbietern auf dem Markt Schnittstellen und Migrationskonzepte, welche dies erlauben.

Wann genügen Interfaces dieser Art nicht?

Mosbach: In der Regel ist solch eine Schnittstellenanbindung an ein altes Archiv nur sinnvoll, wenn nur noch gelegentlich lesend auf die Daten zugegriffen wird. Sobald Daten ständig aktiv im Prozess benötigt werden, macht eine solche Lösung schon keinen Sinn mehr. Zum einen, weil man begrenzt auf das bestehende, meist proprietäre Datenmodell ist und zum anderen, weil in der Regel eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft werden können.

Welche neuen Möglichkeiten kommen denn beispielsweise in Frage?

Mosbach: Für 2018 werden wir beispielsweise eine neue Data-Analytics-Komponente vorstellen, die automatisch in ELO-Produkte integriert ist. Egal, welche Business-Solution der Kunde von uns einsetzt, ist er in der Lage, Daten in Echtzeit zu analysieren und die Ergebnisse grafisch in eigenen Dashboards zu visualisieren. Beispielsweise um herauszufinden, wie sich Reklamationen in bestimmten Produktbereichen verhalten und dies mit dem Produktionsbereich koppeln, um Rückschlüsse zu ziehen. Um dies zu ermöglichen, bedarf es technologischer Standards. Dies geht nicht mit proprietären Komponenten, die zehn Jahre und älter sind.

Wie stellt sich die Situation dar, um Daten aus Drittapplikationen in ECM-Lösungen zu integrieren?

Mosbach: Beliebige Informationsquellen in einem Prozess anzudocken, ist mit REST-Services wesentlich einfacher geworden. So ist der disruptive Technologiesprung ein großes Thema, das überall eine immer wichtigere Rolle spielt. Gerade alte Programmentwicklungen haben hier ihre Probleme, da sie sich nur über proprietäre Schnittstellen verbinden lassen, was in keiner Weise zukunftssicher ist.

Um das Unternehmenswachstum zu bewerkstelligen, benötigen Sie ja auch neues Personal, was beim aktuellen Fachkräftemangel sicher nicht einfach ist.

Mosbach: Es ist vor allem eine Herausforderung, qualifiziertes Personal zu finden. Insbesondere dafür haben wir ein spezielles Nachwuchsprogramm aufgesetzt, das bereits letztes Jahr begann und aus dem wir nun zehn neue Mitarbeiter einstellen konnten. In Zukunft wollen wir dieses Programm nochmal ausbauen.

Wie stehen Sie zur Neuausrichtung der Cebit, auf der ELO bislang immer stark vertreten war?

Mosbach: Ich bin über die neue Cebit-Ausrichtung sehr verärgert – sowohl was die Vorstellung des neuen Konzepts betrifft als auch die Reflektion. Man versucht krampfhaft, eine gute IT-Business-Messe mit einem Festival- und Partykonzept auf jugendlich zu machen. Ich bin nicht gegen Veränderungen, aber man darf nicht das Hauptziel aus den Augen verlieren, Business zu machen. Schon der Zeitpunkt direkt vor der Sommerpause ist schlecht gewählt, da die Leute danach im Urlaub sind und die Zeit für Investitionsentscheidungen nicht mehr gegeben ist. Zum Teil hat man Dinge zwar korrigiert, wie die Dauer von drei Tagen, jedoch erachte ich die Party- und Festival-Ausrichtung als völlig falsch, weswegen ELO in 2018 nicht an der Cebit teilnehmen wird.

Welche Veranstaltungsformate werden Sie stattdessen nutzen?

Mosbach: Wir werden eigene Veranstaltungsformate weiter ausbauen. Beispielsweise haben wir, nachdem die IT & Business in Stuttgart weggebrochen ist, eine Business-Solution-Veranstaltung durchgeführt, die sehr gut angekommen ist und über deren große Resonanz ich selbst erstaunt war. Außerdem adressieren wir branchenspezifische Veranstaltungen wie Industriemessen, weil wir unter anderem immer mehr Lösungen für den Industrie-4.0-Bereich bieten und auch hier eine zunehmende Nachfrage verspüren .

Sehen Sie auch eine ECM-branchenübergreifende Veranstaltung?

Mosbach: Es finden zwar Gespräche mit verschiedenen Marktteilnehmern statt, aber spruchreif ist hierzu noch nichts.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.