Interview zu digitalen HR-Prozessen mit Steffen Michel, MHM HR

Herr Michel, wann ist es aus Ihrer Sicht erforderlich, spezielle IT-Tools für die Personalabteilung einzuführen?

Steffen Michel, Geschäftsführer vom Softwareunternehmen MHM HR

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Steffen Michel, Geschäftsführer vom Softwareunternehmen MHM HR

Michel: Jedes Unternehmen sollte sich selbst fragen, ob es die Anforderungen der Bewerber heute noch ohne HR-Software erfüllen kann. Sind Sie zum Beispiel in der Lage, umgehend eine personalisierte Eingangsbestätigung zu verschicken? Wie lange brauchen Sie vom Bewerbungseingang bis zum Vorstellungsgespräch und bis zur Einstellung? Und wie sieht es mit Mobile oder Social Recruiting aus? Wer hier Optimierungsbedarf hat, braucht IT-Unterstützung – je früher, desto besser.

Welche IT-Tools empfehlen Sie Personalabteilungen, um erfolgreiche Personalpolitik im Unternehmen zu betreiben?

Michel: Das Wichtigste ist ein intelligentes Bewerbermanagement-System, das den kompletten Recruiting-Vorgang transparent abbildet, Bewerbungsunterlagen medienbruchfrei an die Fachabteilungen übermittelt und alle Prozessbeteiligten automatisiert an ausstehende Aufgaben erinnert. So lassen sich Durchlaufzeiten erheblich verkürzen. Vorteilhaft sind außerdem Schnittstellen zu externen Stellenbörsen oder Social-Media-Plattformen, sodass Kandidaten sich schnell und einfach zum Beispiel aus ihrem Xing-Profil heraus bewerben können. Wer gute Leute anziehen will, muss moderne, komfortable Zugangswege ermöglichen – zum Beispiel auch Bewerbungen per Smartphone.

Welche Aufgaben der Personalabteilung lassen sich durch digitale Techniken vereinfachen?

Michel: Im Grunde der gesamte Bewerberprozess. Fangen wir bei der Stellenausschreibung an: Hier hilft zum Beispiel eine Multiposting-Funktion, mit der HR-Verantwortliche Stellenangebote in verschiedenen externen Jobportalen gleichzeitig posten können. Wer über einen eigenen Talentpool verfügt, spart sich die Stellenausschreibung oft sogar komplett. Denn dann kann er aus seiner Datenbank geeignete Kandidaten auswählen und dann nochmals aktiv ansprechen. Eingehende Bewerbungen kann die Software filtern – nach Kriterien, die die HR-Abteilung zuvor festgelegt hat. Anschließend informiert das System über den Bewerbungseingang und der weitere Prozess wird automatisch in die Wege geleitet.

Was bewirkt ihr Einsatz sonst noch?

Michel: IT Tools helfen dabei, eine positive Außenwirkung zu erzielen – etwa durch eine intuitiv bedienbare Bewerbungsplattform oder kurze Reaktionszeiten. Denn Bewerber können sich heute aussuchen, wo sie arbeiten wollen. Unternehmen müssen also einen guten Eindruck machen, sich aktiv um Kandidaten bemühen und ihnen Wertschätzung entgegenbringen. Das gelingt viel besser, wenn man seine Prozesse mit Hilfe einer intelligenten Software optimiert. Außerdem können Personalverantwortliche ihre Aktionen mithilfe von HR-Tools auch messbar machen. Es gibt zum Beispiel Funktionen, die per Mausklick die wichtigsten Personalkennzahlen ermitteln.

Welche typischen Fehler begehen Unternehmen bei der Digitalisierung der Personalabteilung?

Michel: Automatisierung ist toll, bringt aber auch Fallstricke mit sich. Wenn Bewerber merken, dass sie automatisierte E-Mails von einer Maschine bekommen, wirkt das unpersönlich und hinterlässt einen negativen Eindruck. Auch bei den Filterfunktionen muss man aufpassen. Wenn Kandidaten mit ungewöhnlichen Lebensläufen durchs Raster fallen, entgehen einem vielleicht vielversprechende Bewerber. Außerdem ist es wichtig, dass die Mitarbeiter die Software gerne nutzen und sich nicht alleine gelassen fühlen. Wer zukünftige User geplanter Systeme nicht frühzeitig an Bord holt und schult, hat ein Problem.

Wie lassen sich diese Fehler vermeiden?

Michel: In Bezug auf die Mitarbeiter: Neuerungen frühzeitig kommunizieren, Vorteile positiv herausstellen und bei der Einführung mit Schulungen begleiten. Was die Automatisierung angeht: durchdacht anwenden. Man kann automatische Antworten zum Beispiel personalisieren und nur zu Bürozeiten verschicken. Das wirkt dann viel authentischer, als wenn eine E-Mail nachts um drei Uhr das Haus verlässt. Filter in der Software machen genau das, was die HR-Abteilung ihnen vorgibt. Deshalb sollten die Verantwortlichen sich die Zeit nehmen, sie genau zu planen und gegebenenfalls immer wieder anzupassen.

Welche Grenzen haben IT-Tools für Personalabteilungen?

Michel: Automatisierung entbindet nicht vom Denken. Im Mittelpunkt steht immer noch der Mensch, und das ist ja auch gut so. Die beste Software ist stets nur so gut wie ihr Anwender. Eine durchdachte Fokussierung von Kampagnen, einfache Bewerberprozesse und exakt gesetzte Filter sind essenziell für den Erfolg. Bereits Standard-Lösungen von der Stange bieten oftmals umfangreiche Komfortfunktionen sowie Prozessmöglichkeiten. Meist lassen sich diese Systeme dann zu einem späteren Zeitpunkt – also nach erfolgter Prozesskonsolidierung – individuell an die Bedürfnisse des Unternehmens anpassen.

Welchen Bewerbungsprozess wünschen sich junge Bewerber der Generationen X,Y,Z von einem Unternehmen?

Michel: Die Generationen Y und Z sind bereits mit Smartphone, Tablet und Social Media aufgewachsen. Sie fühlen sich im Internet zu Hause, sind an schnelle Reaktionszeiten und eine persönliche Ansprache gewöhnt. Das erwarten sie auch in der Kommunikation mit Unternehmen. Karriereinteressierte suchen heute vor allem online nach passenden Jobangeboten und möchten sich direkt vom Smartphone aus bewerben. Sie wünschen sich zeitgemäße Zugangswege zum Bewerberverfahren, schnelle Antworten und eine insgesamt kürzere »Time-to-Hire«. Da die junge Generation ganz selbstverständlich in sozialen Netzwerken aktiv ist, sollten Unternehmen auch hier Präsenz zeigen.

Wie verändert die Digitale Transformation die Personalpolitik in Unternehmen allgemein?

Michel: Personalverantwortliche erleben aktuell einen massiven Wandel der »Machtverhältnisse«: Während bis vor wenigen Jahren die Bewerber Klimmzüge machen mussten, um an begehrte Arbeitsplätze in Deutschland zu kommen, fehlen heute vielerorts Fachkräfte. Durch die zunehmende Digitalisierung gewinnt das Thema jetzt noch weiter an Brisanz. Denn damit die digitale Transformation gelingt, suchen Unternehmen aller Branchen jetzt händeringend nach den ohnehin schon heißbegehrten IT-Experten. Dadurch dass immer mehr Prozesse digital und automatisiert ablaufen, verändern sich zudem die Anforderungen an die HR-Mitarbeiter. Sie brauchen nicht mehr nur fachliche Kompetenz, sondern auch Software-Know-how und Social-Media-Affinität. Active Sourcing auf Business-Portalen und in Social-Media-Netzwerken, der Aufbau und die Pflege eines Talentpools sowie Mobile Recruiting sollten für Personaler heute selbstverständlich sein.

Inwiefern spielt die Datenschutzverordnung DSGVO bei der Digitalisierung der Personalabteilung eine Rolle?

Michel: Im Recruitingprozess jonglieren Personaler mit sensiblen personenbezogenen Daten. Der Datenschutz sollte für sie daher oberste Priorität haben – zumal nach der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung bei Verfehlungen bald höhere Bußgelder drohen. Ein Bewerbermanagement-System hilft dabei, die gesetzlichen Lösch- und Aufbewahrungsfristen einzuhalten. Die EU-DSGVO bringt außerdem maßgebliche Änderungen mit sich. Eine davon betrifft die Haftungsregelung. Im jetzt noch gültigen Bundesdatenschutzgesetz haftet bei einer Auftragsdatenverarbeitung immer der Auftraggeber. Ab Mai 2018 gilt jedoch verbindlich eine gemeinsame Haftungsregelung – also sowohl Auftraggeber als auch Dienstleister werden bei datenschutzrechtlichen Verfehlungen zur Rechenschaft gezogen. Jeder sollte also bei der Partnerwahl genau hinsehen.

About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.