KI, IDP und Cloud: Technische Highlights 2023
ChatGPT entfacht KI-Hype
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Technologisch war dieses Jahr eindeutig von einem Trend geprägt, der noch zu Beginn des Jahres zwar eine Rolle spielte, aber längst nicht so dominant in Erscheinung trat: Künstliche Intelligenz. Getrieben ist der KI-Boom ganz deutlich vom Erfolg des generativen KI-Chatbots ChatGPT. Am 30.11.2022 machte OpenAI die Software-Version GPT-3 für die Öffentlichkeit kostenfrei zugänglich und gewann innerhalb von nur fünf Tagen weltweit eine Million Nutzende. Nach zwei Monaten waren es bereits über 100 Millionen aktive Nutzende. Large Language Modelle (LLMs), zu denen ChatGPT wie auch die deutsche Entwicklung Aleph Alpha und Dolly 2.0 zählen, sind in der Lage, menschliche Sprache und Texteingaben zu verstehen. Zudem können sie Zusammenhänge erkennen und eigene Texte und Antworten generieren, weshalb sie generative KI genannt werden. Daher lassen sie sich nicht nur als Sprachassistenten, sondern für eine Vielzahl von anderen Zwecken wie Übersetzungen, Zusammenfassungen, Präsentationen und Programmieraufgaben einsetzen.
Hierzulande haben laut einer Befragung des Digitalverbands Bitkom mehr als drei Viertel (78 Prozent) der Deutschen schon von ChatGPT gehört oder gelesen, rund ein Drittel (34 Prozent) hat den Chatbot bereits genutzt. »ChatGPT hat bei KI den Turbo gezündet«, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst, anlässlich dieser Zahlen.
KI-Reaktionen von ECM-Herstellern
Interessant ist, dass selbst führende IT-Unternehmen und Experten diese Entwicklung nicht so erwartet haben. Bei den Prognosen für 2023 wurde KI zwar auch als ein Trend benannt, aber sie galt eben nicht als das Hype-Thema. Beispielsweise sprach OpenText auf seiner Kunden- und Partnerkonferenz »OpenText World EMEA« im April noch hauptsächlich von SaaS, Multi Cloud und Analytics. Doch bei der Konferenz »OpenText World« im Oktober stand plötzlich KI ganz weit oben auf der Agenda. OpenText präsentierte eine KI-Strategie und stellte bei seinem vierten von vier jährlichen Portfolio-Updates KI in den Fokus. Mit dem Portfolio-Update 23.4 veröffentlichte OpenText elf neue Tools mit Künstlicher Intelligenz. Die unter die Produktgruppe »OpenText Aviator« fallende KI-Familie stellt nach Ansicht von Mark Barrenechea, CEO und CTO bei OpenText, »einen Durchbruch dar. Dank LLM- und Chat-basierter Interaktionen verpassen die KI-basierten Tools dem Datenmanagement und folglich auch der Produktivität einen deutlichen Boost.«
Dass bei Lösungen für Enterprise Content Management und Content Services ein hohes Potenzial für den Einsatz künstlicher Intelligenz besteht, sieht auch Diego Dugatkin, Chief Product Officer bei Box: »Wir stehen am Anfang einer neuen Ära der Software, die von Durchbrüchen in der KI angetrieben wird, und nirgendwo ist der potenzielle Einfluss größer als bei Unternehmensinhalten.« So hat Box die Lösung Box AI angekündigt, um grundlegende KI-Modelle mit in Box gespeicherten Inhalten zu kombinieren und den Wert dieser Inhalte zu erschließen.
Weitere KI-Anwendungen im ECM-Bereich
Weitreichende KI-Pläne hat auch die österreichische applord-Gruppe, zu der der deutsche Anbieter von Dokumentenmanagement-Software ecoDMS zählt. Daher konnte sich applord Fördergelder der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft sichern, um Lösungen zur Digitalisierung und damit Automatisierung dokumentengetriebener Verwaltungsprozesse zu entwickeln. »Die bisher erzielten Forschungsergebnisse stimmen uns zuversichtlich, das Potenzial von KI-Modellen auf einer bisher noch nie dagewesenen Ebene ausschöpfen zu können«, so Helge Lühmann, Gesellschafter der applord Gruppe: »Wenn uns das gelingt, heben wir auch die Automatisierung dokumentengetriebener Verwaltungsprozesse auf ein neues Level. Ähnlich wie beim autonomen Fahren erhalten Anwender dann systemgestützt weitreichende Unterstützung, etwa eigenständige Vorschläge, die sie von repetitiven Arbeiten nahezu vollständig befreien.«
Identifizierung mit KI-Hilfe
Ein weiteres KI-Einsatzgebiet, das aber unabhängig von generativer KI zu sehen ist, liegt im Bereich Identifizierung für digitale Signaturen. Hier hat DocuSign mit »ID Verification for EU Qualified« eine KI-gestützte digitale ID-Verifizierungslösung (IDV) vorgestellt, die keine Identifizierung mit persönlicher Anwesenheit oder per Videokonferenz benötigt. Die Lösung wurde in Europa entwickelt und ist in der EU ebenso gültig wie in Großbritannien. Mittels KI-Technologie ist es möglich, die Identität einer Person aus der Ferne zu überprüfen, was zeitintensive und umständliche Identifizierungsverfahren mit persönlicher Anwesenheit oder per Videokonferenz erspart. Für den Unterzeichnenden vereinfacht sich der ID-Verifizierungsprozess und Dokumente lassen sich schneller und sicher digital signieren.
IDP ist neue Input-Generation
Ein großes Anwendungsfeld Künstlicher Intelligenz findet sich im Zusammenhang mit der Digitalisierung dokumentenbezogener Prozesse bei Input-Technologien. Hier werden Intelligent Document Processing (IDP) Plattformen als nächste Generation der Input Management Lösungen beschrieben. IDP-Lösungen wandeln unstrukturierte Daten mittels KI-Technologien wie Verarbeitung natürlicher Sprache (NLP), Bilderkennung, Deep Learning und maschinelles Lernen (ML) in verwertbare Daten um.
IDC definiert IDP-Lösungen im »IDC MarketScape for Worldwide Intelligent Document Processing (IDP) Software Vendors 2023« als Tools, die sowohl fortschrittliche Analytics-Fähigkeiten besitzen als auch Möglichkeiten bieten, um dokumentenbezogene Geschäftsprozesse zu automatisieren. Daher sei es wichtig, zwei Technologie-Teilmärkte zu verstehen:
- Capture- oder Erfassungs-Anwendungen, die unstrukturierte Daten in strukturierte Informationen umwandeln. Diese lassen sich dann an eine andere Unternehmensanwendung weiterleiten und/oder von einer nachgelagerten Aufgabe oder einem Prozess nutzen.
- KI-Software zum Verstehen von Dokumenten und zur Gewinnung von Informationen aus gescannten Dokumenten und/oder Bildern von Dokumenten.
Doch wirklich neu sind die jetzt unter IDP fallenden Lösungen in der Regel nicht. Beispielsweise existieren auch die von IDC betrachteten Herstellerlösungen schon mehrere Jahre. Vorher wurden sie eben als Capture- oder Input-Management-Software bezeichnet.
Cloud-Entwicklungen 2023
Während KI sich auch 2024 noch in der euphorischen Anfangsphase des Hype-Zyklus befinden wird, ist die Cloud-Thematik schon eher in der produktiven Phase angekommen. »Die Fokussierung auf Cloud ist jetzt ein gängiges Betriebsmodell und kein Trendthema für 2024. Jeder Anbieter, der dies noch nicht erreicht hat, wird deutliche Umsatzrückgänge verzeichnen müssen«, berichtet Jens Büscher, Gründer und CEO von Amagno, der fast nur noch Cloudnachfragen erhält. Die Umsätze von führenden ECM-Anbietern in der Cloud bestätigen dies. So verkündete d.velop inklusive aller Tochtergesellschaften im Jahr 2022 einen Umsatz von 101,1 Millionen Euro erzielt zu haben. Der Umsatz mit cloudbasierten Produkten im Segment Software-as-a-Service (SaaS) wuchs überproportional um 120 Prozent.
DocuWare, das bereits seit 2012 Cloud-Lösungen entwickelt – beendete das Geschäftsjahr 2022 mit einer Umsatzsteigerung von 21,5 Prozent und freute sich über 3.014 Neukunden. Das Cloud-Geschäft sorgte für ein Umsatzwachstum von 47,4 Prozent. Von den etwa 3.000 Neukunden haben sich rund 2.500 für die Cloud entschieden, was einem weltweiten Anstieg von 33 Prozent entspricht. Mit Abschluss des Geschäftsjahres Ende März verzeichnete DocuWare 8.500 Cloud-Kunden.
KI, Cloud und IDP – diese Technologien werden sich auch 2024 fortsetzen und den ECM-Markt beeinflussen. Ob es wieder so ein umwälzendes Thema wie in diesem Jahr mit ChatGPT geben wird, bleibt abzuwarten.
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