Tech-Trends 2025: KI, E-Rechnung, Souveränität
Wie von ECM-Branchenvertretern auf ECMGUIDE Anfang des Jahres prognostiziert, dominierten den ECM-Sektor in technischer Hinsicht 2025 vor allem die Themen Künstliche Intelligenz und E-Rechnungsverarbeitung. Eine zunehmende Rolle spielte im Laufe des Jahres auch die digitale Souveränität.
Wandel vom Archivsystem zur Informationsplattform
Inhalt dieses Artikels
Bereits in den letzten Jahren haben sich ECM- und DMS-Systeme weg von traditionellen Archiv- und Ablagesystemen hin zu intelligenten, cloud-fähigen, prozessintegrierten Content-Plattformen entwickelt. Mit ihnen werden dokumentenbasierte Prozesse immer stärker automatisiert. Und durch KI bekommt die Automatisierung noch einmal einen extremen Schub, da sie die Produktivität deutlich steigern kann. Allerdings muss KI dazu auch in ECM- und Content Services Plattformen integriert werden, was viele Anbieter in verschiedenen Ausprägungen vollzogen haben. Typische KI-Funktionen sind das automatische Erstellen von Zusammenfassungen und Chat-Funktionen zum Austausch mit Dokumenten. Eine entsprechende Lösung lieferte dataglobal gleich im Januar mit »windream 9« aus.
ECM-Hauptversionen mit KI-Integration
Im April stellte Ceyoniq Technology das Major Release »nscale 10« seines Flaggschiff-Produkts vor, das den beschriebenen Wandel vollzogen hat und sich laut dem Hersteller in über 30 Jahren von einer Archivierungssoftware zu einer Informationsplattform entwickelt hat. Ein Highlight von Version 10 ist die vollintegrierte Künstliche Intelligenz, die auch lange Dokumente innerhalb von Sekunden zusammenfasst (»Document Summary«). Darüber hinaus ermöglicht die KI, inhaltsbezogene Fragen direkt an Dokumente zu richten (»Chat with your document«). Die integrierte KI arbeitet in einer gesicherten Umgebung innerhalb der Informationsplattform und sendet keine Daten an externe Systeme.
Anders als die Ceyoniq-Lösung funktioniert die »ELO ECM Suite« von ELO Digital Office mit externer KI. Mittels »ELO Assistant« können Anwenderinnen und Anwender eigene Large-Language-Models (LLM) nutzen oder KI-Lösungen ihrer Wahl einbinden wie ChatGPT von Open AI oder Gemini von Google. In der Folge lassen sich Inhalte analysieren, Daten extrahieren und beispielsweise auch bewerten. Zudem können Fragen direkt im Chat beantwortet werden. Bereits in der Standardversion beinhaltet der Assistent vorbefüllte Prompts. Sie umfassen Anweisungen wie »Erkläre mir das«, »Zusammenfassen« oder »Einfache Sprache verwenden«. Ferner können Anwenderinnen und Anwender per Freitexteingabe eigene Prompts in der Administration Console beschreiben .
Hyland sieht KI als ECM-Booster
Der internationale ECM-Anbieter Hyland erweiterte sein KI-Angebot in diesem Jahr ebenfalls deutlich. Im Februar gab er bekannt, mit der Produktlinie »Hyland Content Intelligence« die KI-Fähigkeiten der bestehenden Hyland Content-Management- und Prozessautomatisierungsprodukte inklusive »Alfresco«, »Nuxeo« und »OnBase« zu erweitern. Später soll dies auch mit Content-Plattformen anderer Anbieter möglich sein.
Beispielsweise erschließt »Knowledge Discovery« Business Insights aus verschiedenen Inhaltsquellen über Abfragen in natürlicher Sprache. Im Sommer präsentierte Hyland »Agentic Document Processing«, das als Weiterentwicklung von Intelligent Document Processing (IDP) gedacht ist. Die Lösung arbeitet agentenbasiert, indem spezialisierte Software-Einheiten (Agenten) selbstständig Aufgaben übernehmen, miteinander kommunizieren und Entscheidungen treffen können. Kurz danach wurde die Verfügbarkeit von »Hyland Knowledge Enrichment« und »Hyland Agent Builder« bekannt gegeben. Knowledge Enrichment ist ein API-first Service, der Rohdaten in strukturierte, kontextbezogene Informationen umwandelt, um sie für KI optimal nutzbar zu machen. Agent Builder soll Enterprise Agents für Agentic entwickeln und steuern.
Weitere Produktneuerungen und die aktuelle Strategie präsentierte die Hyland-Führungsriege im Oktober auf der Partner- und Kundenkonferenz in München. Bei dieser Gelegenheit erläuterte Hyland-CEO Jitesh S. Ghai gegenüber ECMGUIDE seine Einschätzung, die zugleich den derzeit allgemein erkennbaren Trend widerspiegelt: »Die Content-Management-Industrie muss neu definiert und radikal erweitert werden, da der Nutzen, den Organisationen damit generieren können, heute größer als jemals zuvor mit traditionellem ECM ist.« Durch die große Menge an strukturierten und unstrukturierten Dokumenten, die bereits in DMS- und ECM-Systemen liegen, sei hier bereits eine perfekte Basis vorhanden, mit der die KI optimal arbeiten kann.
OpenText mit KI-Plattform und -Produkterweiterungen
Bereits im April kam das OpenText-Management nach München, um hier ebenso seine Partner und Kunden über Neuheiten und die strategische Ausrichtung zu informieren. In Bezug auf KI gab es ebenfalls Ankündigungen und Beispielszenarien zu agentenbasierten Tools – sogenannten »Digital Worker«. Sie sollen auf horizontaler Plattformebene verschiedene Aufgaben mit vielen Einzelschritten enorm vereinfachen.
Gezeigt wurde auch eine weitere wesentliche Neuerung von Cloud Editions 25.2, die aus einer »conversational UI« besteht – also einer Benutzeroberfläche, die der von Large Language Modellen entspricht und die inzwischen schon KI-ECM-typischen Funktionen liefert: Per Prompting können dem System Fragen und Aufgaben gestellt werden, die dann direkt beantwortet beziehungsweise ausgeführt werden. Zum Leistungsumfang zählen die Bearbeitung von Dateien, Zusammenfassungen und Übersetzungen von Texten sowie die Erstellung von Podcasts. Ausgebaut und mit zusätzlichen Sicherheitsfunktionen ausgestattet wurden die Möglichkeiten dann in Cloud Editions 25.3, die im August herauskam.
Eine große KI-Plattformankündigung gab es schließlich mit Cloud Editions 25.4 auf der weltweiten Partner- und Kundenkonferenz »OpenText World 2025« in Nashville. Dies ist die erste KI-Lösung von Opentext, die nicht unter dem Namen »Aviator« läuft, der bislang den KI-Bezug eines Produkts verdeutlichte. Den Aviator-Begriff hatte der zu dieser Zeit schon ehemalige CEO Mark J. Barrenechea 2023 eingeführt.
Opentext beschreibt die vorgestellte AI Data Platform als ein einheitliches offenes Datenframework und eine Governance-Ebene für Unternehmensdaten. Sie soll Daten über alle Geschäftsfunktionen hinweg verbinden, sichern und kontextualisieren. Im Gegensatz zu generischen KI-Angeboten ist die Plattform laut dem Hersteller auf praktische, unternehmensspezifische Ergebnisse ausgelegt und ermöglicht es Unternehmen, sichere, domänenspezifische KI-Agenten einzusetzen, die einen geschäftlichen Mehrwert schaffen.
Prozessautomatisierung über KI und IDP
Häufig geschieht die Prozessautomatisierung auch in Verbindung mit KI-basierter Intelligent Document Processing (IDP)-Technik. Diese Variante verfolgt beispielsweise ABBYY, die im Oktober eine Kooperation mit IBM eingegangen sind. Die kombinierte Lösung aus Abbyy Vantage und IBM watsonx.ai kann in unterschiedlichen Fachbereichen dokumentenbasierte Prozesse automatisieren: Bei Rechnungen erkennt Abbyy Vantage automatisch relevante Informationen wie Beträge, Lieferantendaten oder Positionen. Die Plattform prüft auf Vollständigkeit und markiert Dubletten oder Unstimmigkeiten. IBM watsonx.ai ergänzt die Analyse durch sprachlich aufbereitete Hinweise und generiert Korrekturvorschläge.
Automatisierte Rechnungsverarbeitung ist auch ein Aufgabenfeld, das DocuWare mit seiner durch den Kauf von natif.ai erworbenen IDP-Lösung angehen will. »Docuware IDP« ist nicht nur in Verbindung mit »DocuWare Cloud« beziehungsweise »DocuWare On-Premises« einsetzbar, sondern auch als eigenständiges Produkt. Mit der Standalone-Lösung möchte das Unternehmen Kunden in neuen Marktsegmenten für Dokumentenverarbeitung ohne Archivierung gewinnen.
Neben IDP plant Docuware mit der KI-Expertise von natif.ai weitere Dinge. Daher hat der ECM-Hersteller am ehemaligen natif.ai-Standort in Saarbrücken das globale Forschungs- und Entwicklungszentrum »DocuWare AI Hub« gegründet. Es soll als zentrale Innovationsplattform für angewandte KI dienen. Ziel ist es laut Docuware, sichere, proprietäre KI-Lösungen für die intelligente Prozessautomatisierung im Dokumentenmanagement zu schaffen, die strengen ethischen Vorgaben und Datenschutzstandards entsprechen und mit Regularien wie dem EU AI Act 2025 im Einklang stehen. Durch die Bündelung von Know-how, Produktentwicklung und Forschung will Docuware außerdem schnellere Innovationen und mehr Unabhängigkeit von externen Anbietern erreichen.
Automatisierte Rechnungsverarbeitung
Rechnungsbearbeitung unterstützt durch KI präsentierte auch die xSuite Group mit ihrer Anfang September vorgestellten Lösung für SAP. Im Fokus steht die Verarbeitung bestellbezogener Rechnungen (SAP MM). Ziel ist eine 100-prozentige Touchless-Rate in der gesamten Rechnungsverarbeitung. Neu ist außerdem die Möglichkeit, MM-Rechnungen mit verbesserter Automatisierung auf Positionsebene auszulesen. Abweichungen zwischen Bestellungen, Bestellbestätigungen und Rechnungen lassen sich damit direkt auf Positionsebene anzeigen. Darüber hinaus können mehrere Positionen zu einer Bestellposition zusammengefasst werden.
Mit »easy invoice 6« präsentierte easy software eine neue Version seiner Lösung zur digitalen Rechnungsverarbeitung mit KI-Toolkit als Highlight. Die KI bietet automatisierte Buchungsvorschläge, ermittelt Sachprüfer und prüft Zahlungsziele. Außerdem soll die KI bei kontierungsrelevanten Entscheidungen helfen und Anwenderinnen und Anwender aktiv bei der Fehlervermeidung und Prozessoptimierung unterstützen.
Auch ohne KI hat es ecoDMS geschafft, mit einem neuen Release im Sommer E-Rechnungen zu automatisieren und mit dem Dokumentenmanagement Systems »ecoDMS« zu verknüpfen. So liest der weiterentwickelte Vorlagen-Designer sämtliche XML-Daten aus XRechnungen und ZUGFeRD-Rechnungen aus und überträgt sie in die entsprechenden Felder in ecoDMS. Darüber hinaus werden die XML-Daten zur Klassifizierung verwendet, sodass E-Rechnungen automatisiert in die richtigen Ordner im DMS gelangen. Zu den weiteren Neuerungen gehören eine flexible Befüllung von Attributen und Freitextfeldern sowie das Auslesen von Datumsfeldern.
KI mit vielen Chancen – aber auch Risiken
Generell hat dieses Jahr auch gezeigt, dass sich KI in der deutschen Wirtschaft immer mehr durchsetzt. Laut einer Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom nutzt inzwischen etwa jedes dritte Unternehmen in Deutschland (36 Prozent) KI. Damit ist der Anteil fast doppelt so hoch wie noch vor einem Jahr, als er 20 Prozent betrug. Den Umfrageergebnissen zufolge plant oder diskutiert fast jedes zweite Unternehmen (47 Prozent) aktuell den KI-Einsatz – im Vorjahr waren es 37 Prozent. Demgegenüber sagen nur noch 17 Prozent, dass KI für sie kein Thema ist, nach 41 Prozent im Vorjahr.
Der KI-Einsatz kann viele Vorteile bringen, birgt aber auch Risiken und Gefahren. So zeigen bereits einige Studien, dass viele KI-Projekte scheitern oder zumindest weit nicht die gesetzten Ziele erreichen. Eine Unternehmensstudie von Abbyy legt dar, dass die anfängliche Erwartung, generative KI löse alle Geschäftsprobleme, definitiv nicht erfüllt werden konnte. Zahlreiche Unternehmen räumen ein, dass deutlich mehr KI-Technologien beziehungsweise Gen-KI erforderlich sind, um geschäftskritische Prozesse erfolgreich zu vereinfachen oder zu beschleunigen. Die Studie belegt aber auch, dass wie schon beschrieben KI und ECM eine vielversprechende Kombination darstellen: Denn zu den häufigsten Einsatzfeldern von GenAI zählt mit 57 Prozent die Automatisierung von dokumentenbasierten Geschäftsprozessen.
Allerdings können KI-Assistenten wie ChatGPT auch Hacker-Angriffspunkte bieten, die reale Sicherheitsgefahren darstellen. Das Sicherheitsunternehmens Tenable hat in einer aktuellen Analyse mehrere Schwachstellen in OpenAIs »ChatGPT«-Modellen offengelegt . Die unter dem Titel »HackedGPT« veröffentlichte Untersuchung zeigt, dass sich Sprachmodelle über versteckte Anweisungen in Webseiten, Texten oder Links austricksen lassen. Sie können damit potenziell auf vertrauliche Informationen zugreifen oder Sicherheitsregeln umgehen.
Digitale Souveränität – aktuell sehr gefragt
Übergreifend bedeuten Schutz und Sicherheit der eigenen Daten unter dem Stichwort digitale Souveränität ein Thema, das gerade in den vergangenen Wochen heiß diskutiert wird. Ausschlaggebend sind die geopolitische Lage und die Abhängigkeit von IT-Lösungen aus zunehmend unsicheren Ländern. Der Bitkom veröffentlichte Anfang November eine Studie die zeigt, dass neun von zehn deutschen Unternehmen stark abhängig von Digitalimporten aus dem Ausland sind. 57 Prozent könnten ohne diese Zukäufe wirtschaftlich maximal ein Jahr überleben. Damit Europa unabhängiger von Digitalimporten aus dem Ausland wird, haben Deutschland und Frankreich den Gipfel für europäische digitale Souveränität mit Gästen aus 27 EU-Mitgliedsstaaten initiiert. Er fand am 18. November in Berlin statt. Zu den vereinbarten Ergebnissen zählen Maßnahmen zum Abbau von Regularien und Bürokratie, eine breitere Nutzung von Open-Source-Lösungen in der öffentlichen Verwaltung und die schon längst beschlossene EUDI-Wallet.
In vielen IT-Bereichen gibt es wenig vernünftige Alternativen zu US- und außereuropäischen Produkten. Jedoch ist der ECM- und Content-Services-Bereich ein Gebiet, auf dem sich noch relativ viele deutsche und europäische Hersteller tummeln. Unternehmen, Organisationen und die öffentliche Verwaltung sollten diese Chancen nutzen.
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