Published On: 18. April 2024Von

Interview mit Sven Holtmann, xSuite, zu E-Rechnungen

Durch einen KI-Einsatz können Unternehmen laut Sven Holtmann, Product Manager der xSuite Group, ihre Buchhaltungs- und Finanzprozesse viel besser optimieren. Außerdem schildert er auf Basis seiner Projekterfahrungen etwaige Auswirkungen der E-Rechnungspflicht für Unternehmen.

Sven Holtmann, xSuite

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Sven Holtmann, Product Manager der xSuite Group, rechnet durch die E-Rechnungspflicht auch bei Unternehmen, die bereits in eine Eingangsrechnungslösung investiert haben, mit Nachbesserungsbedarf (Bild: xSuite Group)

Mit der Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes ist nun auch die Einführung der E-Rechnungspflicht im Unternehmensumfeld ab 1. Januar 2025 beschlossen. Rechnen Sie dadurch mit einer erhöhten Nachfrage nach E-Rechnungslösungen oder sind Unternehmen sowieso schon mit entsprechenden Lösungen eingedeckt?

Holtmann: Viele Unternehmen haben bereits in die Anschaffung von Lösungen zur automatisierten Verarbeitung von Eingangsrechnungen investiert, was gut ist. Diese sind aber nicht zwangsläufig fähig, auch strukturierte Rechnungen anzunehmen. Hier muss also gegebenenfalls nachgerüstet werden. Außerdem kommt ja zugleich nun auch die Verpflichtung zum Versand von steuerbaren und steuerpflichtigen B2B-Rechnungen im Inland auf sie zu und bislang haben wir nur von der Eingangsverarbeitung gesprochen. Idealerweise sollte es also eine Lösung sein, die beide Richtungen bedient und da ist das Feld noch weitgehend unbeackert.

Rechnen Sie mit anderen Auswirkungen im E-Rechnungsbereich durch das verabschiedete Gesetz?

Holtmann: Auf jeden Fall wird der Umsatzsteuerbetrug zurückgehen, das ist ja der eigentliche Hintergrund der E-Rechnungspflicht und des damit verbundenen Meldewesens – was in Deutschland aber erst später kommt. Aus den Erfahrungen unserer AöR – Kunden, welche bereits seit 2019 die XRechnung im Einsatz haben – wissen wir, dass die Umstellung auf eine E-Rechnung neue Herausforderungen mit sich bringt, welche die Unternehmen, aber auch der Dienstleistungsmarkt meistern müssen. Wir gehen davon aus, dass die derzeit in Deutschland als wahrscheinlich meist genutzten Formate XRechnung und ZUGFeRD größerer Anpassungen unterliegen werden, da sie vermutlich nicht für jede Branche ausreichend sind. Das wird neben der allgemeinen Einführung zudem noch Anpassungsprojekte für die Unternehmen mit sich bringen. Perspektivisch ist die Einführung eines CTC-Modells – unmittelbare Meldung der Umsatzsteuer beim Rechnungsversand – in Deutschland eine neue Ausbaustufe des E-Rechnungsbereichs und in unserem föderalen System und der Menge an Finanzämtern in Deutschland, habe ich persönlich ein wenig die Befürchtung, dass es nicht die »eine« Lösung für Deutschland geben wird.

Entsprechend der Norm EN16931, auf die sich das Wachstumschancengesetz bezieht, müssen E-Rechnungen ein strukturiertes elektronisches Format besitzen, elektronisch erstellt und elektronisch übermittelt werden sowie elektronisch verarbeitbar sein. Diese Voraussetzungen können rein elektronische XML-Formate wie XRechnung erfüllen und auch Hybrid-Formate wie ZUGFeRD. Was bedeutet dies für Technologien und Anbieter wie beispielsweise bestimmte Scan-Dienstleister sowie deren Kunden, die im B2B Umfeld auf die Aufbereitung von analogen Rechnungen setzen?

Holtmann: Es bleibt ein Klientel, dass E-Rechnungen nicht verpflichtend einsetzen muss (Betragsgrenzen). Große Unternehmen werden zumindest im Eingangsrechnungsbereich (fast) keine Scan-Technologien mehr benötigen. Ganz abschreiben sollte man jedoch insbesondere die automatische Texterkennung (Optical Character Recognition = OCR) noch nicht, denn sie wird noch länger als Brückentechnologie benötigt. Wer hier einige Grundregeln beachtet, kann die Qualität der OCR deutlich erhöhen und damit seine Geschäftsprozesse einfach optimieren. Dienstleister wie die xSuite bieten eine solche Überprüfung der OCR als Service an. Resultat sind optimale Ergebnisse der Beleglese-Software und aufwändige »Nacharbeiten« entfallen somit.

Schwierig dürfte es trotzdem für Anbieter und Kunden werden, die OCR-fokussierte Lösungen im Rechnungsbereich einsetzen?

Holtmann: Ab einer bestimmten Betragsgrenze ganz sicher. Allerdings werden ja auch andere Dokumente gescannt, die nicht unbedingt beziehungsweise sicher noch nicht rein elektronisch und strukturiert in Unternehmen eintreffen. Das betrifft etwa Dokumente für Einkaufsabteilungen, HR, Auftragssachbearbeitung, Vertragsmanagement etc. OCR ist also keineswegs obsolet, nur eben im Rechnungsbereich wird ihre Bedeutung marginalisiert.

Wir gehen davon aus, dass die derzeit in Deutschland als wahrscheinlich meist genutzten Formate XRechnung und ZUGFeRD größerer Anpassungen unterliegen werden, da sie vermutlich nicht für jede Branche ausreichend sind.

 

Behörden und Unternehmen der öffentlichen Hand sind bereits seit 2020 verpflichtet, elektronische Rechnungen anzunehmen. In vielen Bundesländern müssen Unternehmen die Rechnungen ebenfalls elektronisch stellen. Auch international besteht im B2B-Bereich in vielen Ländern ein verpflichtender elektronischer Rechnungsaustausch. Sind die meisten Unternehmen daher eh schon gut auf die E-Rechnungspflicht vorbereitet?

Holtmann: Auf den Versand von E-Rechnungen waren bislang wohl nur solche Unternehmen technisch vorbereitet, die mit deutschen öffentlichen Einrichtungen Geschäft tätigen – welche ab einer bestimmten Grenze nur noch E-Rechnungen annehmen. Viele europäische Unternehmen sind wie gesagt schon viel weiter mit einer umfassenden E-Rechnungspflicht. Die meisten inländischen jedoch sind noch nicht ausreichend vorbereitet und sollten nun schleunigst technisch aufrüsten. Wir haben zahlreiche internationale Bestandskunden und Interessenten mit landesabhängiger E-Rechnungs-Verpflichtung, welche das Thema nun globaler angehen und auf wenige Service Provider setzen. Heißt: Auch Unternehmen, die bereits eine E-Invoice-Lösung haben, schauen sich um – vor allem, weil sie schon bald mit einer Masse an Unternehmen um die – viel zu wenigen – Serviceanbieter konkurrieren werden, die das Thema E-Rechnungs-Implementierung anbieten.

Was können Unternehmen von der E-Rechnungspflicht im öffentlichen Bereich lernen?

Holtmann: Wenn man muss, dann geht es auch…. oder, dass Behörden auch mal schneller als die Privatwirtschaft sein können? Abseits vom »Augenzwinkern« vielleicht noch am ehesten, wie man ein solches Projekt intern gut vorbereitet und ausrollt.

Aufgrund unterschiedlicher Anforderungen an E-Rechnungsstandards und Übertragungskanäle im In- und Ausland und in verschiedenen Branchen gibt es einige Plattformanbieter, die den Versand elektronischer Rechnungen abwickeln. Wann lohnt es sich solche Dienstleister in Anspruch zu nehmen und wann sollte man eigene E-Rechnungslösungen aufsetzen?

Holtmann: Das kann man nicht pauschalisieren. Unabhängig von den Anforderungen sind Kosten, interner Aufwand, Nutzen und die Nachhaltigkeit des Service Providers entscheidend. Beabsichtigt man gemäß der Unternehmensstrategie international zu expandieren, bieten sich Plattformanbieter an, da diese in der Regel ein dem Markt angepasstes, wachsendes Portfolio anbieten. Somit hat man in der Regel eine Anbindung an seine internen Systeme und einen nachhaltigen Leistungsumfang. Auch individuelle Anbindungen können für ein Unternehmen eine gute Lösung sein. Hier muss man sich jedoch bewusst sein, dass wenn man es individuell implementiert, sei es durch eigene Ressourcen oder Fremdressourcen, diese Systeme gewartet und auf dem neusten Stand der gesetzlichen Anforderungen gehalten werden müssen.

Wo liegen die größten Herausforderungen für Anwender bei Projekten im Bereich automatisierte Rechnungs- und P2P-Prozesse?

Holtmann: Es geht um Skalierbarkeit, Integration von Beschaffungs- und Rechnungsvorgängen, im Fall von SAP die Gewährleistung, dass eine Migration auf S/4HANA immer ganz einfach möglich ist, und dass immer auf neueste Technologie gesetzt wird – Cloud- und hybride-Lösungen – die untereinander kompatibel sind. Zusammengefasst: Projekte ohne eine zukunftssichere Software, die das alles bietet, dürften Schwierigkeiten bereiten.

Bringt KI für das Thema automatisierte Rechnungs- und P2P-Prozesse absehbare Fortschritte?

Holtmann: Die letzten Jahre haben eine rasante Entwicklung im Rechnungswesen erlebt, die durch die Digitalisierung und Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) ermöglicht wurde. Durch den Einsatz von maschinellem Lernen und hochentwickelten Algorithmen können Unternehmen ihre Buchhaltungs- und Finanzprozesse automatisieren und optimieren. Diese Technologien ermöglichen eine schnellere Datenverarbeitung, präzisere Analysen und eine verbesserte Entscheidungsfindung. Eine der bedeutendsten Anwendungen von KI im Rechnungswesen liegt in der Automatisierung von Routineaufgaben. Beispiele sind automatisches Auslesen von Daten, selbstlernende Datenextraktion, automatische Kontierungsvorschläge (aus denen die Beschäftigten nur noch auswählen müssen) oder Vorschlagsfunktionen für die passende Sachbearbeitung einer Rechnung bereits während der Validierung.

Welche Trends und Entwicklungen finden Sie in diesem Bereich gerade besonders spannend?  

Holtmann: Das Identifizieren, Bewerten und Managen von Risiken ist für Unternehmen von entscheidender Bedeutung, um finanzielle Stabilität und Compliance sicherzustellen. KI-Technologien unterstützen Unternehmen dabei, potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und präventive Maßnahmen zu ergreifen. Darüber hinaus helfen KI-basierte Systeme dabei, Compliance-Vorschriften einzuhalten, indem sie Transaktionen überwachen und auf Unregelmäßigkeiten hinweisen – sie sind sozusagen Meister im Auffinden von Abweichungen im Muster und haben einen Blick für Anomalien.

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About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.
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