Published On: 22. April 2024Von

Wachstumschancengesetz: B2B-Folgen für E-Rechnungen

E-Rechnungen sind im B2B- und B2G-Bereich seit Jahren Thema. Das Wachstumschancengesetz schafft nun Fakten, wie E-Rechnungen künftig gestaltet sein müssen. Dies stellt Unternehmen vor manche Herausforderung und birgt gleichzeitig Einsparpotenzial.

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Verarbeitung von E-Rechnungen am Beispiel von xSuite eDNA (electronic Document Network Adapter) (Bild: xSuite Group)

Nicht alle E-Rechnungslösungen arbeiten gesetzeskonform

Durch die Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes Ende März ist die Einführung der E-Rechnungspflicht beschlossen. Obwohl das Thema Elektronische Rechnungen (E-Rechnungen) schon seit einigen Jahren viele Unternehmen beschäftigt, wird die gesetzliche Verpflichtung zu einer erhöhten Nachfrage nach E-Rechnungslösungen führen.

»Neben den Unternehmen, die die E-Rechnung neu implementieren müssen, sind auch die Unternehmen mit bestehenden E-Rechnungsprozessen gefragt: Nicht alle genutzten Verfahren beziehungsweise Formate werden in Zukunft den gesetzlichen Regelungen entsprechen«, erklärt Peter Gatzen, Head of Marketin DACH von Esker. So ist die Definition von E-Rechnungen im Gesetzestext genau vorgegeben. Gemäß der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung müssen E-Rechnungen ein strukturiertes elektronisches Format besitzen, elektronisch erstellt und elektronisch übermittelt werden sowie elektronisch verarbeitbar sein. Rechnungen, die diesen Vorgaben nicht entsprechen wie Papierrechnungen oder PDF-Dokumente, gelten als sonstige Rechnungen und sind nicht mehr erlaubt.

Erzeugung von E-Rechnungen ebenfalls notwendig

Sven Holtmann, xSuite

Sven Holtmann, Product Manager, xSuite Group (Bild: xSuite Group)

Viele Unternehmen haben bereits in die Anschaffung von Lösungen zur automatisierten Verarbeitung von Eingangsrechnungen investiert. Jedoch sind diese nach den Erfahrungen von Sven Holtmann, Product Manager der xSuite Group, »nicht zwangsläufig fähig, auch strukturierte Rechnungen anzunehmen. Hier muss also gegebenenfalls nachgerüstet werden.« Außerdem komme ja zugleich die Verpflichtung zum Versand von steuerbaren und steuerpflichtigen B2B-Rechnungen im Inland auf Unternehmen zu und bislang habe man nur von der Eingangsverarbeitung gesprochen. Nun sind also Lösungen gefragt, die beide Richtungen – also den Rechnungsein- und -ausgang bedienen und da ist das Feld noch weitgehend unbeackert.

Rechnungseingangslösungen, die keine strukturierten Formate berücksichtigen, lesen Rechnungswerte in erster Linie mittels Capture-Technologien und Texterkennungsverfahren (Optical Character Recognition, OCR) aus. Beim Auslesen der Werte und Informationen können allerdings Fehler auftreten. Daher erachtet Bernhard Zöller, Geschäftsführer von Zöller & Partner ein Nachrüsten solcher Lösungen um eine strukturierte Erfassungskomponente längerfristig als Vorteil: »Die Kosten für eine Eingangsrechnungsverarbeitung könnten deutlich sinken, weil ich den vorderen Teil der Rechnungslesung und Datenextraktion mit dem Aufwand für Fehlerkorrektur nicht mehr habe.« Für anwendende Unternehmen ist das Nachrüsten sinnvoll, während Capture-Anbieter und auch Scan-Dienstleister, die das Einscannen von Papier-Rechnungen vornehmen, eher mit Umsatzeinbußen rechnen müssen.

Bernhard Zöller, Zöller & Partner

Bernhard Zöller, Geschäftsführer Zöller & Partner (Bild: Zöller & Partner)

Allerdings betreffen die gesetzlichen Vorgaben wie Zöller betont, »nur den »vorderen« Teil einer Eingangsrechnungsverarbeitungs-Lösung: nämlich Erfassung, Erkennung und Datenextraktion. Der fachlich komplexere Teil der nachgelagerten Funktionen inklusive fachlich-sachliche Prüfungsprozesse, Kompetenzmatrix, Rechnungsbuch, Abgleich mit ERP-Daten, Verbuchung etc. bleibt weiter erhalten.« Zöller könne sich vorstellen, dass die nun einsetzende schnellere Verbreitung digitaler Rechnungseingangsprozesse den Verlust an Umsatz der vorderen Komponenten mehr als wettmacht.

Wachstumschancengesetz regelt E-Rechnungspflicht

Mit der Zustimmung des Bundesrats zum Wachstumschancengesetz am 22. März werden Elektronische Rechnungen im BtB-Umfeld verpflichtend. Grundsätzlich gilt die Verpflichtung ab 1. Januar 2025. Zumindest sollte bis dahin der Empfang von E-Rechnungen funktionieren. Für den Versand sind Übergangsregelungen geschaffen worden, da die Realisierung der Lösungen noch vielen Unternehmen Zeit kostet.

Generell soll bis 31. Dezember 2026 noch für alle Unternehmen erlaubt sein, sonstige Rechnungen zu versenden. Bis 31. Dezember 2027 gilt dies auch noch für Unternehmen, die weniger als 800.000 Euro an Vorjahresumsatz aufweisen. Ab 2028 sind dann alle Unternehmen verpflichtet, E-Rechnungen auszustellen. Allerdings kann das EDI-Verfahren weiterhin genutzt werden, sofern die für die Umsatzsteuer erforderlichen Informationen so aus dem verwendeten Rechnungsformat richtig und vollständig extrahiert werden können, dass das Ergebnis der CEN-Norm EN 16931 entspricht oder mit ihr kompatibel ist.

Entsprechend der Norm EN16931 müssen E-Rechnungen ein strukturiertes elektronisches Format besitzen, elektronisch erstellt und elektronisch übermittelt werden sowie elektronisch verarbeitbar sein. Diese Voraussetzungen können rein elektronische XML-Formate wie XRechnung erfüllen und auch Hybrid-Formate wie ZUGFeRD, die einen sichtbaren Bereich und einen eingebetteten XML-Teil vorweisen. Die in Deutschland verbreiteten Standards ZUGFeRD und XRechnung entsprechen ab Version 2.0 den EN16931-Vorgaben. Dagegen entsprechen reine Rechnungen im PDF-Format diesen Vorgaben nicht und zählen wie Papierrechnungen laut Gesetzestext zu sonstigen Rechnungen, die ab 1. Januar 2028 nicht mehr erlaubt sind.

Es kann zwischen Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger vereinbart werden, ein anderes strukturiertes elektronisches Format für E-Rechnungen wie das EDI-Verfahren zu verwenden. Voraussetzung ist, dass das Format die richtige und vollständige Extraktion der gesetzlich erforderlichen Angaben aus der E-Rechnung ermöglicht.

Erfahrungen aus dem B2G-Bereich

Peter Gatzen, Esker

Peter Gatzen, Head of Marketing DACH, Esker (Bild: Esker)

Behörden und Unternehmen der öffentlichen Hand sind bereits seit 2020 verpflichtet, elektronische Rechnungen anzunehmen. In vielen Bundesländern müssen Unternehmen die Rechnungen ebenfalls elektronisch nach dem XRechnung-Standard stellen, der nun auch im B2B-Bereich anerkannt wird. Ebenso besteht international im B2B-Bereich in vielen Ländern ein verpflichtender elektronischer Rechnungsaustausch. Angesichts dessen ließe sich davon ausgehen, dass die meisten Unternehmen eh schon gut auf die E-Rechnungspflicht vorbereitet. Doch Gatzen geht davon aus, dass die bestehenden Verpflichtungen im B2G-Sektor nicht die Auswirkungen hatten, wie sie die Verpflichtung im B2B-Sektor haben wird: »Die Rechnungsvolumina sind deutlich höher, die Anzahl der betroffenen Unternehmen ebenfalls. International tätige Unternehmen haben gegebenenfalls Vorteile, wenn sie die verpflichtende elektronische Rechnungsstellung schon aus anderen Ländern kennen, in denen sie ebenfalls mit eigenen Tochtergesellschaften operieren. Diese Unternehmen stehen nun vor der Herausforderung, die verschiedenen regulatorischen Anforderungen zu managen und zu erfüllen.« Letzteres ist kein leichtes Unterfangen, da es international sehr unterschiedliche Anforderungen gibt. Auch innerhalb Deutschlands existieren im Behördenumfeld verschiedene Verfahren und Systeme, denen Rechnungssteller begegnen müssen.

Was man allerdings aus der E-Rechnungspflicht im öffentlichen Bereich lernen könne, sei laut Zöller, wenn möglich – auf den EU-rechtskonformen Standard ZUGFeRD und nicht auf XRechnung zu setzen.  ZUGFeRD besitzt neben dem maschinenlesbaren XML-Teil auch eine PDF-Komponente, die die Rechnung auch normal lesbar macht. »Bei XRechnungen benötige ich immer eine XML-Anzeigefunktion, um Augenlesbarkeit herzustellen. PDF anzeigen kann jeder und jedes Endgerät, egal ob PC oder Smartphone und das ist Bestandteil von ZUGFeRD. Wieso man bei der XRechnung auf nur XML setzt – hätte man nicht machen müssen, war eine freiwillige Entscheidung – ist mir schleierhaft.«

KI kann den P2P-Prozess automatisieren

Nachdem strukturierte elektronische Rechnungen automatisch eingegangen sind, liegt es an den Firmen sie elektronisch und möglichst automatisiert weiterzuverarbeiten. Künstliche Intelligenz (KI) kann dabei sehr helfen. Von einer »rasanten Entwicklung im Rechnungswesen, die durch die Digitalisierung und Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) ermöglicht wurde«, spricht Holtmann. »Durch den Einsatz von maschinellem Lernen und hochentwickelten Algorithmen können Unternehmen ihre Buchhaltungs- und Finanzprozesse automatisieren und optimieren. Diese Technologien ermöglichen eine schnellere Datenverarbeitung, präzisere Analysen und eine verbesserte Entscheidungsfindung.« Eine der bedeutendsten Anwendungen von KI im Rechnungswesen liege in der Automatisierung von Routineaufgaben. Beispiele sind automatisches Auslesen von Daten, selbstlernende Datenextraktion, automatische Kontierungsvorschläge (aus denen die Beschäftigten nur noch auswählen müssen) oder Vorschlagsfunktionen für die passende Sachbearbeitung einer Rechnung bereits während der Validierung.

Und zu einem kompletten Purchase-to-Pay-Prozess gehören ja auch Auftragsbestätigungen, Lieferscheine und sonstige Korrespondenz, gegebenenfalls die komplette Einkaufs- und Lieferantenakte. Alle Dokumentarten in einem P2P-Prozess außer der Eingangsrechnung müssen daher nach wie vor auf den herkömmlichen Wegen aus unstrukturierten Dokumenten erfasst werden. Hier kann KI eine Rolle spielen und die manuelle oder regel-basierte Erfassung ersetzen oder unterstützen.

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About the Author: Annette Stadler

Annette Stadler ist IT-Journalistin und leitet das Online-Portal ECMGUIDE.
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