Schärfere Töne beim Onlinezugangsgesetz
Das Ziel war ehrgeizig. Zu ehrgeizig, wie man Ende 2022 gesehen hat: Mit dem 2017 beschlossenen Onlinezugangsgesetz (OZG) wollte die damalige Regierung bis Ende 2022 rund 575 Dienstleistungen der Verwaltung online zur Verfügung stellen. Der Bund hat seine Hausaufgaben weitgehend erledigt und bietet alle 153 von ihm nach dem OZG geforderten Leistungen online an. Auf Ebene der Bundesländer, Kreise und Städte sieht es dagegen düster aus.
Am besten schneiden da noch Hamburg und Bayern ab. Sie haben 253 respektive 251 Leistungen flächendeckend digitalisiert. Am schlechteste schneiden das Saarland und Sachsen-Anhalt ab. Bei ihnen sind es jeweils nur 164 Leistungen. Da die bundesweit erbrachten Leistungen da aber dazuzählen bedeutet das letztlich, dass die beiden Schlusslichter lediglich 11 Leistungen selbst erfolgreich eingeführt haben – die anderen 153 steuert der Bund zur Statistik bei. Ein anderes Beispiel: In Freiburg im Breisgau stehen Bürgerinnen und Bürgern 250 OZG-Leistungen zur Verfügung, davon sind 153 bundesweite, 27 landesweite und 70 kreisweite. Freiburg ist damit in Baden-Württemberg Spitzenreiter und liegt nur knapp hinter dem deutschlandweit führenden Hamburg.
Die statistische Auswertung könnte man lange fortführen – muss man aber nicht. Denn auch so wird klar: Digitalisierung im Zuge des OZG ist trotz eigentlich zentraler Ziele und Vorgaben ein Flickenteppich. Daran ändert auch das »EfA“-Prinzip („Einer für Alle“) wonach ein Bundesland einen Dienst entwickelt und die anderen ihn dann für sich übernehmen (können) nicht viel. Denn das zum Beispiel bei der Energiepreispauschale für Studierende funktionierende Modell, bei dem Sachsen-Anhalt die Entwicklungsaufgabe erfolgreich bewältigt hat und diesen Dienst nun alle 16 anderen Bundesländer übernehmen, funktioniert nicht immer.
Die Funktion »Elterngeld« setzt derzeit zum Beispiel Bremen um, aber nur Berlin und Sachsen-Anhalt wollen sie übernehmen, wenn sie fertig ist. Die anderen Bundesländer planen die Nachnutzung nicht. Bei der OZG-Leistung »Führerschein« ist Hessen federführend, der Rollout läuft derzeit in Baden-Württemberg, Thüringen, Brandenburg und dem Saarland, die restlichen Bundesländer planen die Nachnutzung nicht.
Der Bitkom hatte sich bereits im Sommer 2023 sehr ungehalten zu den mangelhaften Fortschritten bei der Umsetzung der Vorgaben aus dem Onlinezugangsgesetz geäußert. »Das digitale Deutschland ist ein Failed State«, schimpfte Bitkom-Präsident Achim Berg damals. Anlässlich eines Treffens der Digitalisierungsbeauftragten der Bundesländer mit dem Chef des Bundeskanzleramtes, Wolfgang Schmidt, um über den Stand der Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes (OZG) zu beraten, schlägt der Verband jetzt etwas leisere Töne an – betont aber die Dringlichkeit deshalb nicht weniger.
»Alle häufig genutzten Verwaltungsleistungen müssen flächendeckend online zugänglich sein, und zwar für Bürgerinnen und Bürger ebenso wie für Unternehmen«, erklärt Marc Danneberg, Bereichsleiter Public Sector beim Digitalverband Bitkom. »Dabei helfen nicht immer neue Pilotprojekte in einzelnen Kommunen und Bundesländern, sondern wir müssen jetzt gemeinsam in eine ernsthafte Umsetzungsphase beim OZG treten.«
Für Danneberg bedeutet das: »Best Practices werden kopiert, wichtige Basiskomponenten und Infrastrukturen werden gemeinsam genutzt und eigene Lösungen nur noch in Ausnahmefällen entwickelt.« Das bisherige, oben beschriebene »Wunschkonzert« bei der Übernahme von Diensten soll also zu Ende sein.
»Es kann nicht sein, dass zahlreiche Leistungen des OZG immer noch nicht überall verfügbar sind und damit viele Behörden in Deutschland seit Ende vergangenen Jahres nicht mehr gesetzeskonform handeln«, betont Danneberg.
Um die OZG-Umsetzung zu beschleunigen, würde seiner Ansicht nach ein Rechtsanspruch auf zentrale digitale Verwaltungsleistungen sehr helfen. Er verweist dazu auf die 2021 von Vertretern der Städte er Städte Essen, Köln, Leipzig, München und Freiburg aufgestellten »Dresdner Forderungen«, die vor allem auf eine bessere Aufgabenteilung zielten. Zum Beispiel könnten demnach Verwaltungsangebote ohne kommunalen Handlungsspielraum auch von Bund oder Ländern bereitgestellt werden.
Allerdings haben mache Bundesländer vielleicht nicht zu Unrecht Vorbehalte gegen einzelne digitalisierte Dienste. Ein Negativbeispiel ist die digitale Kfz-Zulassung. Sie wird aufgrund ihrer Komplexität nur schlecht angenommen. Philipp Gräfe, Verwaltungswissenschaftler an der Ruhr-Universität Bochum, begleitet den Digitalisierungsprozess in den Kfz-Zulassungsstellen mit seinen Forschungen. Sein Fazit gegenüber der Tagesschau fällt vernichtend aus: »Die internetbasierte Kfz-Zulassung sollte eigentlich das Vorzeigeprojekt der deutschen Verwaltungsdigitalisierung sein. Sie sollte Leute dazu bringen, BundID oder die Online-Funktion des Personalausweises zu aktivieren. Das hat ganz klar nicht funktioniert. Wir sehen bei i-Kfz desaströse Nutzungszahlen.«
Ein Einzelfall? Vielleicht. Bitkom-Sprecher Danneberg betont aber ganz klar: »Die Digitalisierung der Verwaltung ist kein Komfortangebot für die Bürgerinnen und Bürger, um ihnen Behördenbesuche zu ersparen. Sie entscheidet vielmehr in Zukunft immer stärker über den wirtschaftlichen Erfolg von Regionen. Wer analog bleibt, wird abgehängt.«
Dazu verweist er auf eine Bitkom-Umfrage. Demnach ist für 83 Prozent der befragten Unternehmen fehlende Digitalisierung der Verwaltung ein internationaler Standortnachteil, 94 Prozent sehen darin zudem einen Bremsklotz für die Digitalisierung des eigenen Unternehmens.
Bürgerinnen und Bürger haben zwar Fortschritte bei der Digitalisierung der Verwaltung wahrgenommen, wünschen sich aber ebenfalls mehr und schnellere Umsetzung. Erst 14 Prozent konnten bislang eine Verwaltungsleistung online beantragen, gerade einmal 23 Prozent füllten schon einmal ein Online-Kontaktformular bei einer Verwaltung aus. Am besten kommt noch die Online-Terminvereinbarung für den Gang zur Behörde an. Diese Funktion wurde schon von 61 Prozent der Befragten genutzt – eine Funktion also, die bei umfassender Digitalisierung nur noch selten erforderlich wäre.
Weitere Artikel
Insiders Technologies zeigt neue Produktkreation
Insiders Technologies richtet das Produktportfolio neu aus und demonstriert aktuell auf Veranstaltungen erste Resultate. Bereits auf dem DSAG-Partnertag war »360 Grad Invoice Management« zu sehen. Ebenso ist eine Präsentation auf dem E-Rechnungsgipfel geplant.
KI-basierte Prozesslösung von inovoo
Die Low-Code-Software »NOVO AI Studio« von inovoo nutzt vortrainierte KI-Modelle, um lokal oder cloud-basiert Prozesse wie Rechnungs-, Auftrags- und Vertragsverarbeitung zu automatisieren. Per RAG-Funktion lässt sich auch Unternehmenswissen einbinden.